Pumpen statt sparen: Warum viele Junge verschuldet sind
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Immer mehr junge Menschen in Luzern geraten in finanzielle Not. Die Stadtluzerner Grünen haben einen Vorschlag, der Betroffenen helfen soll, frühzeitig die Kurve zu kriegen – bevor der Schuldenberg unüberwindbar wird.
«Klarna regelt»: Zuerst wird der neue Pullover, das neue Tablet bestellt und später dann mal bezahlt. Nach dieser Mentalität scheinen immer mehr zu leben.
Schweizerinnen leben häufig auf Pump: Im Jahr 2022 hatten laut Bundesamt für Statistik 40 Prozent eine Form von Schulden. Und gerade auch jüngere Menschen haben ein erhöhtes Schuldenrisiko (zentralplus berichtete).
Doch was kann konkret unternommen werden, um insbesondere junge Menschen frühzeitig vor einer Schuldenfalle zu schützen? Die Stadtluzerner Grünen haben hierzu eine klare Idee. In einem Vorstoss fordern Selina Frey und Monika Weder namens der Fraktion den Stadtrat auf, Gutscheine für kostenlose Budget- oder Schuldenberatungen zu schaffen. Junge Luzerner, bei denen eine erste Betreibung in den Briefkasten flattert, sollen einen solchen Gutschein direkt vom Betreibungsamt erhalten.
Junge sollen dadurch gezielt auf Hilfsangebote hingewiesen werden, zudem würde die Stadt die Hemmschwelle senken, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Davon sind die Grünen-Grossstadträtinnen überzeugt. Weiter soll der Stadtrat prüfen, ob eine breit angelegte Info-Kampagne, die das Thema Verschuldung bei jungen Menschen aufgreift, sinnvoll wäre.
Idee der Grünen stösst auf Anklang
Im Kanton Luzern können sich Menschen mit finanziellen Sorgen oder Schulden an die Fachstelle für Schuldenfragen wenden sowie an die Caritas Zentralschweiz. Beratungsgespräche bieten beide kostenlos an.
«Viele gelangen erst nach sechs und mehr Jahren in eine Beratung, waren aber zum Zeitpunkt der Entstehung der Schulden unter 30 Jahre alt.»
Barbara Bracher, Leiterin Fachstelle für Schuldenfragen Luzern
Barbara Bracher leitet die Fachstelle für Schuldenfragen Luzern. Von der Idee der Stadtluzerner Grünen hält sie viel: «So wird ein Zugang zur Schuldenberatung geschaffen, je früher, desto besser. Denn das Problem ist: Die meisten Leute kommen sehr spät zu uns in die Schuldenberatung, die Schulden nehmen mit der Überschuldungsdauer zu. Wenn bedacht wird, dass viele erst nach sechs und mehr Jahren in eine Beratung gelangen, die zum Zeitpunkt der Entstehung der Schulden aber unter 30 Jahre alt waren.»
Das zeigen auch die Zahlen. Mehr als jeder dritte Klient ist seit drei bis fünf Jahren verschuldet. Fast ein Viertel seit über zehn Jahren. Der kleinste Anteil – 19 Prozent – hat vor weniger als zwei Jahren Schulden angehäuft.
Beim Geschlecht gibt es klare Tendenzen
Auch in Bezug auf Geschlechter und Altersgruppen gibt es klare Tendenzen bei den Hilfesuchenden. Bedeutend mehr Männer suchen die Fachstelle für Schuldenfragen Luzern auf. Rund zwei Drittel der Klienten sind männlich.
Die meisten Hilfesuchenden sind zwischen 31 und 40 Jahren alt, diese Altersgruppe entspricht 30 Prozent der beratenen Haushalte der Fachstelle im Jahr 2023. Bemerkenswert ist, dass Menschen bis zum 30. Lebensjahr mit insgesamt 19 Prozent der Haushalte ausmachen. Schulden betreffen somit viele bereits in jungen Jahren.
Hier findest du Hilfe
Wer finanzielle Sorgen oder Schulden hat, kann sich an eine Schuldenberatungsstelle wenden. In Luzern ist das neben der Fachstelle für Schuldenfragen Luzern die Schuldenberatung der Caritas Zentralschweiz. Beide führen kostenlose Beratungen durch.
Die Caritas Luzern hat zudem Tipps, wie man in der Zentralschweiz günstiger lebt, in einem «ABC des Sparens» zusammengetragen.
Ebenfalls empfehlenswert sind Budgetvorlagen. Diese kannst du hier gratis herunterladen und erstellen. Auch gibt es Budgetbeispiele für Einzelpersonen, Paare und Familien mit Richtwerten – je nach Einkommen. Diese findest du hier.
Immer mehr Junge geraten an die Schuldenberatung
Im Vergleich zum Vorjahr nahmen die Anfragen von unter 25-Jährigen leicht zu. «Generell ist die Überschuldungsgefahr bei Lebensabschnittsveränderungen, die einen Einfluss auf die Ein- und Ausgaben haben, erhöht», sagt Bracher.
Der Hauptgrund bei den Jungen: der Auszug aus dem Elternhaus und die erste eigene Wohnung. Das geht für nicht wenige mit einem bösen finanziellen Erwachen einher. Viele Jugendliche müssen im Elternhaus nichts oder nur wenig an die Essens- und Unterhaltskosten bezahlen. Bis sie dann für Miete, Möbel und Essen aufkommen müssten, wie bereits Schuldenberater André Widmer in einem früheren Bericht von zentralplus erläuterte.
Haben junge Menschen kaum Vorstellungen darüber, was das Leben kostet und entsprechend keine Rücklagen gebildet, kann das zu finanziellen Problemen führen.
2023 gaben fünf Prozent aller Ratsuchenden bei der Fachstelle für Schuldenfragen Luzern an, sich infolge eines Auszuges aus dem Elternhaus verschuldet zu haben.
Gesundheitskosten schwingen oben mit
Die Top-3-Gründe der verschuldeten Klienten sind jedoch andere. So gaben 2023 mit Abstand am meisten Klienten an, dass eine Krankheit, ein Unfall oder eine Beeinträchtigung zur Überschuldung führten. 16 Prozent aller Haushalte gehörten dazu.
Am zweithäufigsten führte die Arbeitslosigkeit zur Überschuldung, dies betraf 14 Prozent der Ratsuchenden. 11 Prozent der Klienten nannten eine Trennung oder Scheidung als Ursache.
Gemäss Bracher sind das jene drei Ursachen, die Jahr für Jahr an der Spitze stehen, nur in unterschiedlicher Reihenfolge.
Wo Luzerner am häufigsten Schulden anhäufen
Neben den Ursachen verdeutlichen auch die häufigsten Arten von Schulden die Problematik. Gemäss Bundesamt für Statistik hatten Schweizer 2022 am häufigsten bei Steuerrechnungen und Krankenkassenprämien Zahlungsrückstände.
Etwas, das sich auch bei Schuldenberaterinnen in Luzern zeigt: 71 Prozent der Haushalte verzeichnen Steuerausstände, die Gesamtsumme beträgt 3,76 Millionen Franken. Steuerschulden sind die häufigste und zugleich schwerwiegendste Schuldenart. Diese Zahl verdeutlicht, wie schwierig es für viele ist, steuerliche Verpflichtungen zu erfüllen.
«Das eigene Budget sollte nicht bis an die finanzielle Schmerzgrenze ausgereizt werden.»
Barbara Bracher
59 Prozent der Haushalte verzeichneten Ausstände bei der Krankenkasse, die Gesamtsumme beträgt 1,26 Millionen Franken. Auch Gesundheitskosten spielen eine bedeutende Rolle. Offene Prämien und Arztrechnungen belasten viele Haushalte.
Bankkredite verzeichneten 31 Prozent der Klienten, die Gesamtschuld von 2,93 Millionen Franken fällt stark ins Gewicht. Diese Form der Verschuldung deutet auf individuelle Finanzierungslücken hin.
Auffällig ist gemäss Barbara Bracher auch, dass immer mehr Klienten mit Schulden ihres Geschäfts kämpfen. Im Jahr 2023 betraf dies sieben Prozent der Klienten, wobei diese Schulden mit einer Gesamtsumme von knapp 3,5 Millionen Franken besonders hoch sind.
Diese Tipps hat die Schuldenberaterin
Um Betroffenen zu helfen, sind präventive Massnahmen ebenso wichtig wie konkrete Tipps im Umgang mit Finanzen. Barbara Bracher sagt: «Wir raten allen, sich frühzeitig Unterstützung zu holen. Wer seine Schulden nicht innerhalb von sechs Monaten begleichen kann, sollte unbedingt eine Beratungsstelle aufsuchen.»
Um Schulden gar nicht erst entstehen zu lassen, helfen bewährte Strategien:
- Steuern regelmässig und idealerweise per Dauerauftrag begleichen.
- Auch für Miete und Krankenkassenprämien bieten sich Daueraufträge oder Lastschriftverfahren an, um Zahlungsverzögerungen zu vermeiden.
- Erstelle Rücklagen für unvorhergesehene Ausgaben.
- Mache eine realistische Budgetplanung.
- Baue ein finanzielles Polster auf, das schützt vor Engpässen.
- Für wiederkehrende Rechnungen wie die Serafe-Gebühr oder die Haushaltsversicherung lohnt es sich, monatlich gezielt Geld zurückzulegen.
- Ausserdem solltest du auf Käufe auf Pump verzichten und stattdessen sparen, bevor du grössere Anschaffungen tätigst.
- Mach bestehende Ansprüche wie Prämienverbilligungen rechtzeitig geltend.
Das Wichtigste jedoch bleibt: «Das eigene Budget sollte nicht bis an die finanzielle Schmerzgrenze ausgereizt werden.»
- Postulat von Selina Frey und Monika Weder namens der Grüne-/Junge-Grüne-Fraktion
- Telefonat mit Barbara Bracher, Leiterin Fachstelle für Schuldenberatung Luzern
- Reporting der Fachstelle für Schuldenberatung Luzern für die Jahre 2022 und 2023
- Website der Fachstelle für Schuldenberatung Luzern
- Zahlen des Bundesamts für Statistik