Millionen für Nachbarn: Zug lehnt sich gegen Zahlungen auf
Inzwischen fliesst gut ein Viertel der gesamten Einnahmen der Stadt Zug in andere Gemeinden ab. Während Stadtzuger Politiker den Finanzausgleich kritisieren, wollen die Nehmergemeinden daran festhalten.
Lebst du in der Stadt Zug, so zahlst du mit einem Grossteil deiner Steuern nicht nur städtische Schulen, Betreuungsgutscheine oder den neuen Kunstrasenplatz bei der Herti. Rund ein Viertel der Einnahmen der Stadt – sogar zwei Drittel der Steuern von natürlichen Personen – fliessen in einen Topf, der unter den Zuger Gemeinden verteilt wird. Im nächsten Jahr zahlt die Stadt Zug gemäss Budget rund 101 Millionen Franken in diesen sogenannten Zuger Finanzausgleich (ZFA).
Mit anderen Worten: Stadtzuger bezahlen auch für das neue Gemeindehaus in Hünenberg, für die Sanierung des Fussballplatzes in Unterägeri und den Kauf des ehemaligen Ausbildungshauses Maria vom Berg in Menzingen (zentralplus berichtete). Und – was besonders die Stadtzuger Politikerinnen stört – ein gewichtiger Teil der Steuern fliesst in andere Gemeinden, damit deren Einwohner dort weniger Steuern zahlen.
Oder wie es im aktuellen Bericht der Geschäftsprüfungskommission (GPK) zum Budget 2025 der Stadt Zug heisst: «Immer offensichtlicher wird auch, dass die anderen Gemeinden mit dem Betrag, den sie von den Gebergemeinden erhalten, vor allem die Steuern senken.» Während die Stadt Zug in den letzten vier Jahren immer mehr Geld in den Ausgleichstopf zahlte, purzelten in den davon profitierenden Gemeinden die Steuerfüsse oder es wurden Steuerrabatte verteilt, kritisieren die Stadtzuger.
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Was Paracelsus mit den Zuger Gemeindefinanzen zu tun hat
Dabei ist genau das einer der Gründe für den ZFA. So ist im Gesetz dazu festgehalten, der Zweck sei unter anderem, «eine Annäherung der Steuerfüsse zu fördern». Den grundsätzlichen Mechanismus stelle die Stadt Zug auch gar nicht infrage, beteuert Finanzvorsteher Urs Raschle gegenüber zentralplus. «Aber: Allein die Dosis macht das Gift», zitiert der Mitte-Stadtrat den Arzt und Naturphilosophen Paracelsus. Mit über 100 Millionen Franken, die im Januar bereits wieder aus der Zuger Stadtkasse gespült würden, sei eine «psychologische Grenze» erreicht.
«Im Budgetprozess muss ich jeden 5000-Franken-Posten verteidigen und bei diesen 100 Millionen Franken haben wir nicht mal ein Mitspracherecht», so Raschle. Für die Gelder aus dem Ausgleichstopf gibt es keinen festgelegten Verwendungszweck, die Gemeinden können damit machen, was sie wollen. Nehmergemeinden hätten damit auch keinen Anreiz, ihre finanzielle Situation zu bessern und Gebergemeinde zu werden, kritisiert der Mitte-Politiker.
Dies auf politischem Weg anzupassen, sei für die Zahler hingegen aussichtslos, da die Nehmergemeinden im Kantonsrat die Mehrheit haben. «Wohl kaum ein Kantonsrat wird dafür stimmen, dass seine Gemeinde künftig weniger Geld bekommt.» Raschle befürchtet so mittelfristig eine sinkende Solidarität zwischen den Gemeinden. Auch sorgt sich der Stadtzuger Säckelmeister, dass die Stadt bei stetig steigenden Ausgleichszahlungen künftig Defizite schreibt.
Regierung sieht kein Problem
Von diesem Problem betroffen ist auch Baar, die zweitgrösste Zahlerin im ZFA. Deren inzwischen verstorbener Finanzchef Pirmin Andermatt (Mitte) stellte bei einem Treffen der Zuger Finanzvorsteher im Frühling den Antrag, die Regierung solle den Mechanismus überprüfen. Die Zuger Regierung kam zum Schluss: Am ZFA ist rein mathematisch nichts falsch. Wenn etwas angepasst werden soll, dann auf politischem Wege.
Die Stadtzuger Kantonsräte von links bis rechts rafften sich deshalb zusammen und reichten gemeinsam eine Motion ein. Sie verlangen, dass die Beitragszahlungen künftig gedeckelt werden, etwa bei 100 Millionen Franken (zentralplus berichtete).
Das würde der Stadt Zug zumindest mehr Planungssicherheit bescheren, so Raschle. Allzu viel erhoffe er sich davon nicht, wegen der Stärke der Nehmergemeinden im Kantonsrat. «Aber zumindest hoffen wir, dass die Regierung den Wink mit dem Zaunpfahl ernst nimmt.» Was diese zum ZFA oder der Situation der Stadt Zug sagt, bleibt wegen des hängigen Vorstosses vorerst unklar.
«Die übrigen Gemeinden leisten einen essenziellen Beitrag»
Die Nehmergemeinden hingegen wehren sich auf Anfrage von zentralplus. Der Grundgedanke hinter dem Zuger Finanzausgleich sei Solidarität, sagt Manuela Inglin, Finanzvorsteherin der Gemeinde Unterägeri und Präsidentin der Finanzchefkonferenz des Kantons Zug. «Gemeinden mit hoher Steuerkraft leisten Beiträge in einen Ausgleichsfonds, der weniger finanzkräftigen Gemeinden zugutekommt. Dies soll nebst der Annäherung der Steuerfüsse sicherstellen, dass alle Gemeinden im Kanton ihre Aufgaben erfüllen können», erklärt sie.
Zwar habe die Stadt Zug mit ihren mehreren Tausend Arbeitsplätzen eine «zentrale Bedeutung für die Wirtschaft des Kantons», doch biete sie längst nicht genug Wohnraum für all jene, die hier ihre Wertschöpfung erbringen. Inglin: «Die übrigen Gemeinden leisten einen essenziellen Beitrag, indem sie Wohnraum schaffen, Infrastrukturen bereitstellen und damit die Lebensgrundlage für die Pendlerinnen und Pendler ermöglichen.» Es sei deshalb wichtig, den Kanton Zug als Ganzes zu betrachten.
Der Kanton und alle Gemeinden würden ihren Anteil zur Stabilität und Attraktivität des gesamten Raumes beitragen. «Ohne dieses Zusammenspiel wäre der Erfolg des Kantons kaum möglich», führt die Gemeinderätin aus. Der innerkantonale Finanzausgleich trage dazu bei, diese Balance zu sichern, indem er allen Gemeinden aus finanzieller Sicht ermögliche, ihre Aufgaben wahrzunehmen und gleichwertige Lebensbedingungen im gesamten Kanton zu schaffen.
Manuela Inglin sagt auf die Frage, ob es beim Finanzausgleich Reformbedarf gebe, dass die Finanzchefs des Kantons Zug im September über den ZFA diskutiert und am Ende festgehalten hätten, «dass sie eine Änderung des ZFA aktuell nicht weiterverfolgen». Denn er stelle heute ein «gut austariertes System» dar.
«Cham wird stärker»
Ähnlich argumentiert auch der Chamer Finanzvorsteher Arno Grüter: Bislang habe der Kantonsrat lediglich 2015 eine Anpassung des Normsteuerfusses beschlossen. «Offenbar scheint das System austariert und als Kompromiss akzeptiert zu sein.»
Zur Kritik, die Nehmergemeinden würden mit den Zahlungen der Gebergemeinden «vor allem die Steuern senken», sagt er: «Die Annäherung der Steuersätze ist ja genau ein Ziel des ZFA.» Die Gemeinde Cham arbeite daran, mehr Steuersubstrat zu gewinnen, um den vom Zuger Finanzausgleich angestrebten Ausgleich der Steuerkraft zu erreichen. «Cham wird stärker. Wir sind auf dem Weg», versichert er.
Schreibt über alles, was Luzern und Zug aktuell beschäftigt. Im ländlichen Luzern aufgewachsen, hat sie beim «Entlebucher Anzeiger» ihre Begeisterung für Lokaljournalismus entdeckt. Nach einem Studium in Medienwissenschaften und Englisch ist sie seit September 2021 bei zentralplus. Nebenbei absolviert sie derzeit die Diplomausbildung Journalismus am MAZ.
Matthias Stadler ist Redaktionsleiter von zentralplus und seit über zehn Jahren Journalist. Die meiste Zeit davon in Luzern und in der Zentralschweiz, während zwei Jahren auch als Ozeanien-Korrespondent.