Luzerner Krypto-Influencer erklärt Tausenden, wies geht
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Tausende Abonnentinnen folgen dem Krypto-Influencer Swiss Crypto Jay auf Youtube. Hinter dem Pseudonym steckt der 40-jährige Luzerner Jerome Jutzeler. zentralplus hat ihn im Studio besucht – und mit ihm über das riskante Geschäft mit Kryptowährungen gesprochen.
In Reussbühl aufgewachsen, machte er die Berufslehre zum Koch in einem Gourmetrestaurant, leistete als Berufssoldat Militärdienst im Ausland, wurde Geschäftsleiter eines Unternehmens, das Unterhaltungselektronik verkauft – und scheint nun als Krypto-Influencer, -Händler und -Berater seine Berufung gefunden zu haben: Jerome Jutzeler, auf Youtube als Swiss Crypto Jay bekannt.
Seit 2017 handelt er mit der Kryptowährung Bitcoin. Vorher investierte er in Erdöl. «Dabei bin ich mit 5000 Franken eingestiegen – und war plötzlich mit 30’000 im Minus», erzählt Jutzeler von seinem holprigen Einstieg ins Trading-Geschäft. Bevor er verrät, wie er aus den Schulden wieder rausgekommen ist, führt der Unternehmer zentralplus durch die Räumlichkeiten seines Büros.
Swiss Crypto Jay ist keine One-Man-Show
Dieses befindet sich in einem modernen Neubau im Industriegebiet nahe dem Bahnhof Rothenburg Station. Beim Rundgang stellt Jutzeler zwei vermeintliche «Bürogspähnli» vor. Doch teilen sich die zwei mit Jutzeler nicht etwa die Miete – sondern arbeiten für ihn. Aus der One-Man-Show hat Jutzeler im Verlauf der Jahre ein KMU mit neun Angestellten aufgebaut: die JayCorp GmbH.
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Das Studio, in dem Jutzeler seine Videos aufzeichnet, ist schlicht, fast schon spartanisch eingerichtet. Ein wenig pinkes Licht und ein in der Ecke platziertes, etwas verloren wirkendes Pflänzchen schaffen etwas Kontrast zur kahlen, weissen Wand, vor der Jutzeler als Swiss Crypto Jay jeweils steht, wenn er dreht. Mehr Schnickschnack ist denn auch nicht nötig, dominieren in den Videos doch Tabellen, Grafiken und Kurskurven den Bildschirm.
Zum Frühstück gibts staubtrockene Zahlen
Jerome Jutzelers Arbeitstag beginnt in aller Frühe. «Ich stehe jeden Morgen um 5 Uhr auf und ziehe mir alle ‹News› rein», sagt er. Nach der Analyse entscheidet er, ob er auf den Kryptowährungsmärkten investiere, verkaufe – oder schlicht nichts tue. Dann, zwischen 8 und 9 Uhr, lädt er täglich ein 15- bis 30-minütiges Video hoch, in dem er für seine Abonnentinnen zusammenfasst, was am Vortag auf den Märkten so gegangen ist – und was dies für ihre Anlagen bedeutet.
«Grundsätzlich ist die Entscheidung, in Kryptowährungen zu investieren, mit grossen Risiken verbunden – ob man Experte ist oder nicht.»
HSLU-Wirtschaftsprofessor Andreas Dietrich
«Oh, hier gibts ja Blumen, wie schön – das duftet», spottete Jutzeler kürzlich auf Youtube über die noch immer sehr zaghaft in den Bitcoin investierende Unternehmenswelt. Im selben Video macht er darauf aufmerksam, dass es «nur» noch 2,3 Millionen Bitcoins gebe, die man «schürfen» könne.
Gleichzeitig steht in der Kanalinfo auf Youtube: «Ich übernehme keine Haftung für das, was Sie mit Ihrem Geld anstellen.» Mit diesem Passus nimmt sich Jutzeler juristisch aus der Schusslinie. Wieder auf Eis hinaus wagt er sich, indem er gegenüber zentralpus sagt, der «cleverste Move» sei aktuell, Ersparnisse in Bitcoins anzulegen – und nicht etwa auf einen Investmentfonds oder auf ein Zinskonto zu setzen. Denn dort würden die Gewinne momentan lediglich einen Teil der jährlichen Inflation decken.
Wirtschaftsprofessor warnt vor risikobehaftetem Geschäft
Im Gespräch mit Andreas Dietrich, Wirtschaftsprofessor an der Hochschule Luzern und Verwaltungsrat der Luzerner Kantonalbank, wird klar, warum solche Aussagen mit Vorsicht zu geniessen sind. Er sagt: «Grundsätzlich ist die Entscheidung, in Kryptowährungen zu investieren, mit grossen Risiken verbunden – ob man Experte ist oder nicht.»
«Es ist ratsam, nur Geld zu investieren, das man bereit ist zu verlieren.»
HSLU-Wirtschaftsprofessor Andreas Dietrich
Kryptowährungsmärkte seien sehr volatil. Denn sie seien weniger liquid als traditionelle Märkte. «Das bedeutet, dass grössere Handelsaufträge den Preis stark beeinflussen können», so Dietrich.
«Viele Investoren betrachten Kryptowährungen zudem als spekulative Vermögenswerte und nicht als langfristige Anlage.» Dies führe zu häufigen Kauf- und Verkaufstransaktionen, die zu Preisschwankungen beitrügen. «Die Erwartung von schnellen Gewinnen kann also zu kurzfristigen Blasen und darauffolgenden Einbrüchen führen», fährt Dietrich fort.
Keine Ahnung, kein Kryptohandel
Entsprechend sei ein gewisses Mass an Verständnis für die zugrunde liegende Technologie nötig, vor allem aber auch die Kenntnis der Risiken solcher Investitionen. Dietrichs Fazit: «Es ist ratsam, sich gründlich zu informieren und nur Geld zu investieren, das man bereit ist zu verlieren.»
Denn es sei schwierig bis fast unmöglich, den Kurs einzelner Kryptowährungen vorherzusagen – selbst mit umfangreicher Forschung, fährt Dietrich fort. Zwar würden gründliche Recherchen und Analysen helfen, ein besseres Verständnis für den Markt zu entwickeln und potenzielle Trends zu erkennen. Dennoch seien Investitionen grundsätzlich «ziemlich spekulativ».
Vom Zocker zum Experten
Inzwischen nimmt Jerome Jutzeler ebensolche Recherchen und Analysen vor. Und teile sein Wissen nicht nur auf Youtube, sondern auch im Rahmen von Seminaren, Coachings und bald auch als Workshop an einer Entlebucher Schule, wie er sagt.
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Dabei war Jutzelers Einstieg ins Trading-Geschäft, wie eingangs erwähnt, alles andere als erfolgreich. Als er 2016 mit Erdöl zu handeln begonnen hatte, fand er sich plötzlich mit 30’000 Franken im Minus wieder. Doch gab er infolgedessen nicht etwa auf, sondern begann, sich intensiv mit Handelsstrategien zu befassen und sich sukzessive Wissen anzueignen.
«80 Prozent der Vorurteile sind leider wahr. Hobbyanalysten machen mit Provisionen viel Geld.»
Jerome Jutzeler
«Ich habe über zehn Bücher gelesen und studiert – teilweise mehrmals», sagt Jutzeler. Dann habe er «Papiertrading» betrieben. Jutzeler simulierte Ein- und Verkäufe – und merkte, dass er meist richtig spekuliert hätte. «Schliesslich bin ich mit 500 Franken – echtem Geld – ins Kryptogeschäft eingestiegen. Und hatte endlich Erfolg», sagt Jutzeler.
So vergingen zwei Jahre. Jutzeler handelte mit digitalen Währungen, gab nebenbei Interessierten aus seinem persönlichen Umfeld Tipps, irgendwann auch in Form von Videos. Eines Tages ermunterte ein Freund ihn dazu, das Material doch einfach mal auf Youtube zu stellen. 2021 ging Jutzelers als Swiss Crypto Jay online.
So viel Geld spülen die Videos rein
«Mit Krypto zum Millionär! Bitcoin deine Cash-Cow!», lautet der reisserische Titel des ältesten Videos auf seinem Kanal. Damals generierten seine Videos kaum 100 Klicks. Heute schauen und hören ihm täglich bis zu 10’000 Interessierte beim Analysieren zu – auch ohne Clickbaiting.
«Die goldenen Anfangszeiten sind vorbei.»
Jerome Jutzeler
Die Tausenden Abos und Millionen Klicks, die Jutzeler auf Youtube generiert, spülen etwas mehr als 1000 Franken pro Monat rein – was nicht mal die Studiomiete deckt. Das grosse Geld machen er und seine Mitarbeiter stattdessen über Tradings, Coachings und Finanzberatungen. Pro Jahr resultiert bei einem Umsatz von 800’000 Franken und Ausgaben von 600’000 Franken ein Gewinn von knapp 200’000 Franken.
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Doch Jutzelers Faszination für digitale Währungen scheint über Gewinne hinauszugehen. «Der Bitcoin verbindet Menschen weltweit», sagt er und klingt dabei fast schon pathetisch. Bei aller Kryptoromantik kennt Jutzeler aber auch die Schattenseiten der Branche. Angesprochen auf den schlechten Ruf der Kryptoexperten, die sich im Netz tummeln, gibt er zu: «80 Prozent der Vorurteile sind leider wahr. Hobbyanalysten machen mit Provisionen viel Geld.» Dabei hätten die meisten keine Ahnung vom Geschäft.
Szenenkenner bürgt für Jerome Jutzeler
«Ich kenne ihn zwar nicht persönlich, habe ihn aber auch schon an Events getroffen», sagt ein Szenenkenner*, der selbst als Kryptoinvestor und -berater arbeitet, über Jutzeler. Er sei ziemlich gut informiert und belesen, in der Schweiz relativ bekannt – und «sicherlich kein Scammer».
«Manchen können wir helfen, anderen nur noch zum Verkauf der verbleibenden Anlagen raten.»
Jerome Jutzeler
zentralplus hat auch HSLU-Wirtschaftsprofessor Dietrich um eine Einschätzung gebeten. Doch Dietrich kennt Jutzeler nicht – und verzichtet darum auf eine Stellungnahme. Auch die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) äussere sich grundsätzlich nicht zu Einzelfällen, heisst es auf Anfrage.
So bleibt Jutzelers Abonnentinnen auf Youtube vor allem das Vertrauen in seinen Titel als «Certified Crypto Finance Expert SAQ». SAQ steht für die Swiss Association for Quality und akkreditiert gemäss «NZZ» im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) auch Kundenberaterinnen der UBS oder der Kantonalbanken.
«Goldene Anfangszeiten sind vorbei»
Wer trotz der Warnungen des HSLU-Wirtschaftsprofessors Dietrich ins Geschäft mit den digitalen Währungen einsteigen möchte, ist gut beraten, sich ein gewisses Grundwissen anzueignen – und den Traum vom schnellen Geld aufzugeben. «Die goldenen Anfangszeiten sind vorbei», sagt Jutzeler.
Wie Dietrich betont auch Jutzeler, dass beim Traden nur Geld investiert werden sollte, das man bereit ist zu verlieren. Auch berichtet er von Spekulanten, die ihn um Hilfe gebeten hätten, nachdem sie viel Geld in Kryptowährungen gesteckt haben und dann finanziell in Not geraten sind. «Manchen können wir helfen», sagt Jutzeler, «anderen nur noch zum Verkauf der verbleibenden Anlagen raten.»
*Name der Redaktion bekannt
- Persönliches Treffen mit Jerome Jutzeler aka Swiss Crypto Jay
- Schriftlicher Austausch mit HSLU-Wirtschaftsprofessor Andreas Dietrich
- Schriftlicher Austausch mit Szenenkenner und Kryptoinvestor
- Schriftlicher Austausch mit Eidgenössischer Finanzmarktaufsicht (Finma)
- Artikel in der «NZZ» 17. Dezember 2015