Ein beklemmender Rundgang durch Zug

Bei diesen Rohstofffirmen hat Putin seine Finger im Spiel

Maria Greco erklärt den Anwesenden, was es mit Nord Stream auf sich hat. (Bild: wia)

In Zug fand am Donnerstagabend ein etwas anderer Stadtrundgang statt. Das Komitee «Haltung zeigen» führte rund 120 Zugerinnen von Firmenstandort zu Firmenstandort. Ihnen allen gemein: Jedes Unternehmen weist eine grosse Nähe zu Russland und damit zu Wladimir Putin auf.

«Auf der linken Seite sieht man nun den Zytturm. Er stammt aus dem 13. Jahrhundert und ...» – nein. An der Stadtführung, die am Donnerstagabend in Zug stattfindet, werden keine pittoresken Bauten, keine steinernen Denkmäler, keine trägen Geschichtsfakten vorgetragen.

Am Stadtrundgang, den «Haltung zeigen», ein überparteiliches Komitee «für ein verantwortungsvolles Zug», organisiert hat, geht es um Rohstofffirmen. Und ganz konkret um russische, die ihren Sitz in der Stadt Zug haben.

Rund 120 Menschen folgen der Einladung, viele bringen ihre teils vergilbten «Peace»-Fahnen mit, Transparente, auch ein paar ukrainische Flaggen sind zu sehen. Mit von der Partie sind auch der ehemalige grüne Nationalrat Jo Lang sowie sein Parteikollege, der ehemalige Regierungsrat Hanspeter Uster.

Auch der ehemalige Zuger Nationalrat Jo Lang ist mit dabei. (Bild: wia)

Als einziger Vertreter der bürgerlichen Zuger Kantonsräte mit dabei: Der Mitte-Politiker Markus Simmen. «Ich kenne selber Leute in der Ukraine. Die Bevölkerung, die keine Schuld trifft, wird schlichtweg überwälzt von russischen Truppen. Das Land hat keine Chance», erklärt er seine Präsenz. «Das geht mir nahe.»

«Meine Eltern sind noch in der Ukraine, genauer gesagt in Kiew. Es ist ihnen nicht gelungen, rechtzeitig zu flüchten.»

Eine anwesende Ukrainerin

Mit dabei sind beim Rundgang auch zwei Ukrainerinnen, die in der Schweiz leben. Eine von ihnen erzählt: «Meine Eltern sind noch in der Ukraine, genauer gesagt in Kiew. Es ist ihnen nicht gelungen, rechtzeitig zu flüchten. Auch meine Schwester ist mit ihren Kindern noch in der Ukraine. Sie ist Ärztin. Fliehen war keine Option.» Sie erzählt weiter: «Die letzten Tage waren für mich eine emotionale Achterbahnfahrt.»

Eine Stadtführung wird recycelt

Der Initiant des Anlasses, der grün-alternative Kantonsrat Luzian Franzini, sagt gegenüber zentralplus: «Wir haben uns gefragt, wie man in der aktuellen Situation den Fokus auf den russischen Rohstoffhandel in Zug legen kann.» Eine schnelle Lösung bot sich an. Dies, indem man die Rohstoff-Stadttour übernahm, die vor Jahren von der ALG ins Leben gerufen wurde. Kurzum adaptierte das Komitee den Rundgang auf russische Unternehmen.

Übrig blieben auch einige grosse Firmen. Darunter solche, die unter Putins direktem Einfluss stehen. Die Menschentraube setzt sich vom Metalli zunächst in Bewegung in Richtung Industriestrasse. Dort, einigermassen prominent, leuchtet über einer Türe die Firma «Nord Stream» auf.

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Gazprom, Nord Stream, Metal Trade Overseas AG: Wie sehr Putin seine Finger auch in Zug im Spiel hat, zeigte der Rundgang von «Haltung zeigen» am Donnerstag klar. (Bild: wia)

Eine explosive Mischung

So verfügt der russische Energieriese «Gazprom» über zwei Gas-Unternehmen, die gerade im Fokus der Weltöffentlichkeit stehen, nämlich Nord Stream und Nord Stream 2.

Das Unternehmen Nord Stream gehört zu 51 Prozent der russischen Firma Gazprom. Nord Stream 2 gar zu 100 Prozent. Und Gazprom wiederum ist ein mehrheitlich vom Staat geführter russischer Konzern.

Der Sitz beider Unternehmen ist in Zug. Nord Stream 2 hat zwar noch nicht Konkurs angemeldet, wie verschiedene Medien, gestützt auf Volkswirtschaftsdirektorin Silvia Thalmann-Gut, berichtet haben, doch scheint das Unternehmen zahlungsunfähig zu sein. Das Unternehmen dementierte zuletzt seine kolportierte Insolvenz gegenüber zentralplus. (zentralplus berichtete). Interessanter Fakt: CEO der Firma Nord Stream 2 AG ist Matthias Warnig, ein einstiger Stasi-Mayor. Er gilt als enger Vertrauter von Putin.

«404 Not Found»

Die Website von Nord Stream 2 ist derzeit nicht erreichbar. «404 Not Found» heisst es nur noch. Sogenannte DDoS-Attacken überlasten die Server der Website.

Nachdem die Baarerin Maria Greco über die Geschäfte von Nord Stream erzählt hat, spaziert die Menge weiter. Von Gas zu Nickel: Ziemlich verborgen, im Metalli, befindet sich der Sitz der Firma «Metal Trade Overseas AG», einer Tochterfirma von «Nornickel». Ein sibirischer Bergbaukonzern, der auch schon mit Umweltkatastrophen Aufsehen erregte.

Der Oligarch steht auf der US-Sanktionsliste

Doch für Aufmerksamkeit sorgt das Unternehmen bei der Stadtführung aus einem anderen Grund. Der Verwaltungsratspräsident von Nornickel heisst Vladimir Potanin und ist einer der reichsten Männer Russlands.

Seit einigen Jahren steht der russische Oligarch auf der Russland-Sanktionsliste der USA. Auf dieser Liste sind rund hundert russische Oligarchen, welche insbesondere unter Vladimir Putins Herrschaft erfolgreich wurden und ihm nahestehen. Unter Präsident Boris Jelzin agierte Potanin für kurze Zeit als Vizepremier Russlands.

«Putin bestimmt, was wie funktioniert und wer in den Verwaltungsrat kommt.»

Luzian Franzini, Zuger ALG-Kantonsrat

Fun Fact: Wegen dieses Rundgangs habe Metal Trade Overseas seine Mitarbeiter an diesem Donnerstag bereits um 15 Uhr nach Hause geschickt, sagt Julia Küng von den Jungen Grünen vor dem Publikum.

Tochterfirma der grössten russischen Bank

Langsam dunkelt es ein, die Menschenmenge spaziert in Richtung Bundesplatz-Parkplatz, wo wir einem weiteren unauffälligen Firmensitz gegenüberstehen. Bei der Kreuzung Gotthard-/Alpenstrasse befindet sich die «Sber Trading Swiss AG». Es handelt sich um eine Tochterfirma der «Sberbank», der grössten Bank Russlands.

Gemäss eigenen Angaben betreibt die Bank 14'200 Filialen. «Sie gehört zu 50 Prozent dem Finanzministerium der Russischen Föderation», erzählt Franzini. «Das heisst: Putin bestimmt, was wie funktioniert und wer in den Verwaltungsrat kommt.»

Der Mitte-Kantonsrat Markus Simmen und die SP-Kantonsrätin Isabel Liniger haben bei ihrer Kleidung eine bewusste Farbwahl getroffen. (Bild: wia)

Gerade erst wurde beschlossen, dass die Sberbank Europe ihren Betrieb schliessen muss. Nicht betroffen seien die Geschäftstätigkeiten in der Schweiz, verkündete die «Frankfurter Allgemeine» am Mittwoch.

Auch zwei Handelsgesellschaften der zweitgrössten russischen Bank «VTB Group» haben ihren Sitz im Kanton Zug. «Diese wiederum ist zu fast 61 Prozent in Staatsbesitz der Russischen Föderation. Beide russischen Firmen, sowohl die Sber Trading Swiss AG als auch die beiden Handelsunternehmen der VTB handeln mit russischen Rohstoffen», erklärt Luzian Franzini. Und diese wiederum würden 50 Prozent der Staatseinnahmen ausmachen. Rund 80 Prozent des russischen Rohstoffhandels sollen über Zug abgewickelt werden, heisst es.

Gazprom ganz unscheinbar

Dem idyllischen Zugersee entlang wandert die Gruppe weiter zur letzten Station der Tour. Auf dem Postplatz, auf dem Blumen, Ukrainewappen und Kerzen liegen, bildet die Gruppe einen Kreis. Gleich hinter dem ehemaligen Postgebäude haben sowohl die Gazprom Marketing & Trading Switzerland AG als auch die Gazprom Schweiz AG ihren Sitz. Hier also schliesst sich der Kreis zu Nord Stream, bei dessen Mutterkonzern.

«Wir fordern, dass der Zuger Regierungsrat Putin-nahe Unternehmen verurteilt.»

Luzian Franzini

Alle Firmen, bei denen der Stadtrundgang einen Halt einlegte, haben eines gemein: Eine nicht zu beschönigende Nähe zum russischen Präsidenten. Wirtschaften sie gut, fliesst Geld nach Russland. Und dieses wiederum fliesst in die Finanzierung des Kriegs in der Ukraine. Luzian Franzini vom Komitee «Haltung zeigen» fordert von der Zuger Exekutive genau das: «Wir wollen, dass der Regierungsrat eine klare Haltung zu solchen Firmen äussert. Wir fordern, dass er Putin-nahe Unternehmen verurteilt.»

Vor der alten Post: ein klares Pro-Ukraine-Statement. Hinter der Post: der Firmensitz von Gazprom Schweiz. (Bild: wia)
Verwendete Quellen
  • Putin-Rohstoff-Rundgang von «Haltung zeigen»
  • «Welt»- und «NZZ»-Artikel über Matthias Warnig
  • «Spiegel»-Bericht zu Nornickel
  • «CNN» zur Putin-Sanktionsliste
  • Website der «Sberbank»
  • «FAZ» zur Sberbank
  • Handelsregister
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5 Kommentare
  • Profilfoto von Norbert Schleiss
    Norbert Schleiss, 04.03.2022, 17:05 Uhr

    Hohle Phrase des Tages, geäussert von Regierungschef Martin Pfister: «Der Kanton Zug trägt die Sanktionen des Bundes mit». Als ob er eine Wahl hätte…

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  • Profilfoto von Lucerna
    Lucerna, 04.03.2022, 15:43 Uhr

    Solche Geschäfte ausländischer Firmen in der Schweiz erreichen Höchstinteresse bei einem Konflikt. Was wird in 3 oder 5 Jahren sein?, Geschäft ist Geschäft. Die schlimmsten Befürchtungen könnten sich bewahrheiten, wenn an die ukrainische Bevölkerung gedacht wird. Tausende Morde, das Land kaputtgebombt und der Aufbau des Landes geht nur schleppend voran. Noch schlimmer, die Russen besetzen bis auf weiteres das Land.

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    martin.vonrotz, 04.03.2022, 09:06 Uhr

    Ich verurteile den Ukraine Krieg auch, aber das ist Heuchelei. Diese Firmen sind schon lange im Kanton Zug und praktisch Niemand hat sich darüber echauffiert. Jetzt melden sich plötzlich viele zu Wort und versuchen Ihr Gewissen zu beruhigen. Momentan sind wir abhängig von Energielieferungen aus Russland. Wenn das nicht mehr gewollt ist, dann treibt die Abkehr von den fossilen Brennstoffen voran. Alles andere führt nicht ans Ziel.

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    • Profilfoto von Alois Iten
      Alois Iten, 04.03.2022, 10:40 Uhr

      Das ist sicher so. Nur finanzieren diese Firmen jetzt einen brutalen Angriffskrieg. Das ist ganz andere Ausgangslage, und als Zuger finde ich das störend.

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    • Profilfoto von Hans Peter Roth
      Hans Peter Roth, 04.03.2022, 15:28 Uhr

      Sie sind schlecht informiert. Seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts gab es immer wieder politische Aktionen gegen internationale Rohstofffirmen im Kanton Zug, einige davon mit russischen Wurzeln. Beispiel: Nach der Ölkatastrophe 2003 in Galizien, verursacht durch die russisch dominierte «Crown Resources», gab es eine grosse Solidaritätskundgebung in Zug. Unter den 600 Teilnehmer war auch der damalige Regierungsrat Hanspeter Uster, der auch am gestrigen Rundgang wieder dabei war. Er wurde in der Folge von bürgerlichen PolitikerInnen übelst angegangen mit der Begründung, dass ein Regierungsrat zu schweigen habe, wenn eine im Kanton angesiedelte Firma irgendwo auf der Welt eine Katastrophe angerichtet habe. Angesichts des aktuellen Krieges in der Ukraine und der ungezählten Menschenrechtsverletzungen der russischen Armee, mitfinanziert von Zuger Firmen, schweigen diese PolitikerInnen in Bezug auf die unrühmliche Rolle des Kantons. Somit ist klar, wo die HeuchlerInnen zu finden sind. Der nächste Reputationsschaden könnte dem Kanton dann drohen, wenn festgestellt wird, dass Russland die internationalen Sanktionen mit Hilfe des Crypto-Valleys Zug (Blockchain-Technologie) zu umgehen versucht.

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