Reportage vom Zuger Plauder-Openair

Gefangen im Waldstock-Bermuda-Dreieck

Noch ist es hell am Waldstock in Steinhausen, noch ist es einfach, einander wieder zu finden.

Das Waldstock Openair ist in vollem Gange. Nicht ohne uns. Auch wenn wir nicht so recht wissen, was der Mann in der Unterhose auf der Bühne so tut. Aber die Bühne ist hier sowieso nur Beigemüse. Viel wichtiger sind die Plaudereien. Vor allem, weil man sich – hat man sich einmal verloren – wohl nie wieder trifft.

Ein klassischer Waldstock-Einstieg. Die Sonne steht tief, die Eingangs-Crew verteilt Festival-Bändeli im Akkord und bereits dröhnt Musik nach aussen. Die Wärme, man trägt in der Hitze lange Hosen weil man weiss, dass der Abend noch lang und kühl werden könnte, will mit einem kühlen Getränk gebändigt werden.

Einmal Cider bitte

In der Cuba Bar wird man, solange noch einige Sonnenstrahlen hinter den Hügeln hervorgucken, schnell bedient. Der Blick in die Runde zeigt, noch sind keine bekannten Gesichter da, und für die, die einem doch irgendwie vage vertraut sind, ist es noch zu früh. Auch für die noch etwas zu bunte Schlager-Band «Europa – Neue Leichtigkeit».

Ein Schluck Cider. Doch, doch. Es ist nett hier. Nett wie immer. Niedlich auch das Pferd auf dem Dach der Villa Kunterbunt. Aha. Da ein Bekannter. Man redet. Über dies und das. Sagt, bis später, wir sehen uns heut bestimmt wieder, und weiss, dass das nur begrenzt wahr ist. Und zieht dann von dannen. Der Platz füllt sich. Menschen strömen aufs Gelände, ausverkauft, munkelt man. Der Cider in unserer Hand neigt sich schnell dem Ende zu, das stimmt uns etwas traurig.

Je später der abend desto voller das Waldstock-Gelände.

Je später der abend desto voller das Waldstock-Gelände.

Eine Initiationsrunde um den Platz wird gedreht. Die bunte Band treibt auf der Bühne Schabernack, der Sänger steht in Unterhosen da. Warum, wundern wir uns. Wir haben wohl die Vorgeschichte verpasst und beschliessen, dass vielleicht ein Gin Tonic die Antwort parat hätte. Doch halt. Dafür braucht es etwas mehr Boden.

Ins Gallierdorf also. Umzäunt von Palisaden werden Crêpes gebacken und Hamburger gebraten. Nein, etwas richtiges muss her. Pouletgeschnetzeltes, Semmelknödel, ja was könnte bodenständiger sein? Und plötzlich sind sie da. Freunde, die man schrecklich gern hat, die man aber trotzdem seit dem letzten Waldstock nicht mehr gesehen hat. Wie konnte das nur passieren? Man fällt sich um den Hals, werweisst, und beschliesst, gemeinsam eine weitere Runde zu drehen.

Ich hätte gern einen Moscow Mule bitte.

In der grossen Kuckucksuhr werden wir schnell bedient. So schlicht, wie das sehr schweizerisch-perfekte Gebäude von aussen aussehen mag, so viel Schischi findet man drinnen. Handgemachte Papiergirlanden, Stoffviecher, Vogelkäfig. Der Drink ist lecker, ja, doch, auch hier gefällt’s uns. Wir plaudern, alte Zeiten kommen zurück in der neuen Kuckucksuhr. Uns wird warm ums Herz. Mittlerweile hat die Band aufgehört zu musizieren, ob die Unterhose bis zum Schluss an blieb, lässt sich nicht abschliessend klären.

Die Leuchtqualle umgarnt den Pilatus.

Die Leuchtqualle umgarnt den Pilatus.

Schon wieder bei der Cuba Bar und der Becher ist irgendwie auch schon wieder leer. Das Waldstock verfügt über eine natürliche Sicherheitsvorkehrung, die vor zu arger Trunkenheit schützt. Auf dem Weg zur Bar trifft man dermassen viele plauderwillige Menschen, dass man, bis man sich zur Bar vorgekämpft hat, schon beinah wieder nüchtern ist.

Das Gschpändli, das man zuvor so freudig wiedergesehen hat, ist mittlerweile wieder verschollen, «bis nachher» ruft man sich noch zu, und meint eigentlich: «Bis nächstes Jahr». Das Muster zieht sich durch den Abend. «Hast du den Dani gesehen? Ich suche ihn seit zwei Stunden», fragt eine weitere Freundin. Schon, aber vor geraumer Zeit, am anderen Ende des Areals. Noch sollte eine weitere Stunde verstreichen, bis sich das Paar wiederfindet. Das Waldstock – ein regelrechtes Bermuda-Dreieck.

Das Schöne hier: Kaum jemanden trifft man am Handy an, hier oben gibt’s keine Pokémon. Erhaltene SMSen werden häufig erst Stunden später entdeckt. Und das ist auch irgendwie egal. Dann plaudert man halt mit Hinz und Kunz. Mittlerweile hat es auch bereits zu dämmern begonnen, da tauen auch die Besucherherzen mehr und mehr auf.

Der Rummel nimmt temporär ab, die alten Hasen haben sich bereits einen Strohballen mit bester Leinwandsicht organisiert. Der Film geht los. Es ist ein anstrengender, bei dem es um die Einflüsse der weltweiten Textilindustrie geht. Interessant, zweifelslos, aber oh, im Bistro waren wir noch nicht.

Das «Raumschiff»-Bistro wurde mit Planeten bestückt. Nur, welcher ist schon wieder Uranus?

Das «Raumschiff»-Bistro wurde mit Planeten bestückt. Nur, welcher ist schon wieder Uranus?

Dürfte ich bitte einen Möhl-Most haben?

Es ist bereits halb zwölf, immer mehr fällt auf, wie durchmischt dieses Publikum ist. Da hat’s Grossväter dabei und Kleinkinder mit pinken Pamirs. Und die ganze Palette dazwischen. Die nächste Band spielt auf, Django 3000, tanzbar wäre sie jedenfalls. Doch auf dem Weg vor die Bühne trifft man erneut auf gute Menschen. Das ist wohl die Krux an diesem Festival. Man kommt einfach nicht vom Fleck. Unter dem Schein von bunten Lampen versinkt man Plaudereien über Dies und Das, lässt das Tanzbein ruhen und merkt erst wieder, dass man der Band lauschen wollte, als diese verstummt ist.

«Europa – Neue Leichtigkeit» spielt auf, das Volk hört zu und fühlt sich immer leichter.

«Europa – Neue Leichtigkeit» spielt auf, das Volk hört zu und fühlt sich immer leichter.

Ein weiser Mann sagte einst, dass das Waldstock selber die Headline ist (zentralplus berichtete). Das könnte davon kommen, dass man vor lauter Gespräche, Wieder- und Neubegegnungen sowieso alle Bands verpasst. Die nächste Band aber, die spielt kurz nach Mitternacht und muss ganz toll sein. Die wollen wir hören und machen uns auf den Weg zur Bühne. Doch kaum ist man zwei Meter gegangen, ein vage bekanntes Gesicht. Ja ist das denn die Möglichkeit? Du hier? Wie heisst du schon wieder? Komm, lass uns einen Mojito trinken.

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