Vom syrischen Aleppo ins Luzerner Bruchquartier

Wie Rashid Abdo zum Luzerner Gastronomen wurde

Rashid Abdo im Falkens, wo er einst angestellt war und seit Oktober wirtet. (Bild: jdi)

Nach seiner Flucht vor dem Bürgerkrieg in Syrien begann Rashid Abdo in Luzern ein neues Leben. Sein Traum vom Job als Dentalassistent in Aleppo war geplatzt. Stattdessen fasst er als Wirt des «Falkens» in der Gastronomie Fuss.

Rashid Abdo winkt lächelnd durch die breite Glasfront des «Falkens» hindurch, während er Tagliatelle ai Funghi auf seine Gabel wickelt. Die Musik hat er ausgemacht, die Adventsbeleuchtung bleibt aber während der Zimmerstunde an. Im Oktober hat der 25-Jährige den Laden an der Bruchstrasse 46 übernommen.

Kommt eine Dönerbestellung rein, lässt Abdo seine Mitarbeiter die Fladenbrote füllen. Er hingegen brenne für die Pizza. Mit hausgemachtem Teig und echtem Mozzarella statt billigem Schmelzkäse. Das habe seinen Preis. Dafür stimme die Qualität.

Die Döner-Gretchenfrage beantwortet der Luzerner Gastronom mit syrischen Wurzeln gegenüber zentralplus trotzdem: «Weder Joghurt- noch Cocktailsauce – in meinen Döner kommt nur Chilisauce rein.»

Eine Heimat auf Zeit

Seit 2017 lebt Rashid Abdo in Luzern. Über seine Flucht aus seiner syrischen Heimatstadt Aleppo möchte er nicht sprechen. «Das war keine schöne Erfahrung», sagt er nur. In Luzern angekommen, musste er sich erst an die neue Heimat gewöhnen. Eine Heimat auf Zeit.

Vor dem Bürgerkrieg in Aleppo flüchtete Rashid Abdo nach Luzern. (Bild: Adobe Stock)

Auf den F-Ausweis, also auf die «vorläufige Aufnahme» in der Schweiz, musste er fast drei Jahre lang warten. Weil er hart arbeitete und ohne Sozialhilfe auskam, erhielt er nach fünf Jahren schliesslich den B-Ausweis. Die damit verknüpfte Aufenthaltsbewilligung überprüft das kantonale Amt für Migration jährlich, bevor es sie um weitere 12 Monate verlängert – oder eben nicht.

Traum vom Dentalassistent geplatzt

Nachdem er die Matura in Syrien gemacht hatte, wollte sich Rashid Abdo zum Dentalassistenten ausbilden lassen. Doch der 2011 ausgebrochene Bürgerkrieg bereitete seinen Karriereplänen ein jähes Ende. Heute sieht Abdo seine Zukunft in der Gastronomie. Und er träumt von einer besseren Zukunft, wie er sagt.

«Ich wollte den Laden von Anfang an übernehmen. Eines Tages machte ich meinem damaligen Chef ein Angebot.»

Rashid Abdo, Wirt des «Falkens»

Irgendwann möchte der 25-Jährige ein schönes Lokal an einem schönen Standort eröffnen. Um das blosse Anhäufen von Geld gehe es ihm dabei nicht – «Denn Geld kommt und geht.»

Vom Paketschlepper zum Selbstständigen

Selbstständig wurde Abdo in einer ganz anderen Branche, als Paketlieferant für die DHL. Sein Vertrag beinhaltete Prämien pro Paket, aber keinen Fixlohn. Er gründete eine Firma, schaffte zwei Busse an und stellte zwei Mitarbeiter ein. Bis heute betreibt er dieses Geschäft – inzwischen nebenbei.

Zuvor stand er hinter der Theke eines Dönerladens in der Luzerner Altstadt – und schliesslich im «Falkens». «Ich wollte den Laden von Anfang an übernehmen», erinnert er sich. «Eines Tages machte ich meinem damaligen Chef ein Angebot.»

«Der Weg bis hierher war schwierig.»

Rashid Abdo

Seit Oktober gehört Abdo das Lokal. Zu seinen zwei DHL-Mitarbeitern sind im «Falkens» fünf weitere Angestellte dazugekommen.

«Falkens» soll bunt leuchten

Doch Rashid Abdo schaut bereits in die Zukunft: «Das Logo, das Interieur – da wird sich einiges ändern.» Irgendwann wolle er das Lokal vergrössern. «Aber das ist administrativ sehr mühsam», weiss Abdo. Das gilt auch für die animierte LED-Anzeige, die er plant. Sie soll in die Bruchstrasse hinaus leuchten.

«Entweder hatte ich stets Glück oder es sind alle nett hier.»

Rashid Abdo

Stolz sei seine Familie in Syrien auf das, was er sich in der Schweiz aufgebaut hat. Stolz sei auch er selbst. Er habe sich über die Jahre an vieles gewöhnen müssen, was anders ist als in seiner damaligen Heimat. «Der Weg bis hierher war schwierig.»

Am Interieur will Rashid Abdo noch Anpassungen vornehmen. Zudem soll eine LED-Anzeige Gäste ins Lokal locken. (Bild: jdi)

Doch Menschen hätten ihm auch immer wieder geholfen und Mut zugesprochen. «Edwin Suter kommt fast täglich vorbei, um mit mir zu plaudern», richtet Abdo Grüsse an den Betreiber des kultigen «Kiosk Edwin» aus, der sich ebenfalls im Bruchquartier befindet (zentralplus berichtete).

Keine Probleme mit Rassismus

Vor schlechten Erfahrungen mit Rassismus blieb Rashid Abdo verschont. In Deutschland sei das Problem viel präsenter, findet er. «Entweder hatte ich stets Glück oder es sind alle nett hier», meint Abdo lachend. Zwar gebe es manchmal Menschen, die wütend ins Lokal kämen und Streit anfingen. Doch als das zuletzt passiert sei, habe sich der Kunde am nächsten Tag persönlich bei ihm entschuldigt.

«Manchmal wollen wir weg von hier – aber nach einer Woche Ferien vermissen wir die Schweiz meist wieder.»

Rashid Abdo

Um Abstand zu gewinnen, fährt Abdo gerne in die Ferien. Über Weihnachten ging es nach Norwegen, wo er mit seiner Frau deren Familie besuchte. Kennengelernt haben sich die beiden als junge Erwachsene in Syrien, geheiratet haben sie aber erst vor drei Jahren in der Schweiz.

Wie sehr sich Abdo hierzulande zu Hause fühlt, beschreibt der Gastronom so: «Manchmal wollen wir weg von hier – aber nach einer Woche Ferien vermissen wir die Schweiz meist wieder.» Er liebe die Reuss, den Vierwaldstättersee. Die Berge interessierten ihn aber nicht.

Irgendwann an den FCL-Match

Der Fussball dafür umso mehr. Sein Lieblingsteam: der FC Barcelona. Dessen Spiele verfolgt er regelmässig am Fernseher.

In der Swissporarena war Abdo hingegen noch nie. «Rund um die Heimspiele des FC Luzern wird zu viel geprügelt», meint er. Dennoch werde er irgendwann ins Stadion auf der Allmend gehen. Wahrscheinlich mit der Gastronomenbrille und mit einem Augenmerk auf dem Catering (zentralplus berichtete).

Verwendete Quellen
  • Persönliches Treffen mit Abdo Rashid, Wirt des «Falkens»
  • Website des «Falkens»
1 Kommentar
Aktuelle Artikel
Apple Store IconGoogle Play Store Icon