Mille-feuilles statt Zigerkrapfen

Wie ein Franzose die Luzerner Küche revolutionierte

Als Luzern ein kleines Paris sein wollte: Postkartengrüsse aus dem «Café Anglais» an der »Rue des Alpes» in Luzern. (Bild: zvg)

Die Gastronomie in Luzern ist heute noch stark von der französischen Küche geprägt. Wegweisend dafür waren César Ritz und Auguste Escoffier.

Wie wohl keine andere Stadt hat Luzern bereits vor 150 Jahren die führende Rolle dafür übernommen, die Schweiz zu einem der ersten kulinarisch globalisierten Länder umzuwandeln. Hier wurde die Basis dafür geschaffen, dass die Hotelfachschulen unseres Landes zu den besten der Welt gehören, ebenso wie die Ausbildung der Köchinnen und Köche – auch sie gehören seit bald einem Jahrhundert zur weltweiten Elite. Damit hat die Stadt am Vierwaldstättersee dem Land aus ökonomischer und touristischer Sicht zwar einen grossen Gefallen getan. Allerdings mit dem Resultat, dass die Schweiz heute als eines der letzten Länder überhaupt erst wieder seine
eigenen kulinarischen Schätze und seine Ernährungsgeschichte zu entdecken beginnt.

Wegweisend war der begnadete Walliser Hotelier César Ritz, der nach einigen Jahren der Wanderschaft – noch keine dreissig Jahre alt – in die Schweiz zurückkehrte und die junge, doch aufstrebende Hotellerie auf der Rigi und später auch jene in Luzern revolutionierte (zentralplus berichtete). War er zunächst für das «Rigi Kulm» zuständig, so vertraute ihm dessen Besitzer, der Luzerner Maximilian Pfyffer, nämlich auch sein neu gebautes Hotel National in Luzern an.

Mann der Sauberkeit

Ritz zögerte nicht und engagierte für die Ausbildung der Köche den französischen Jahrhundertkoch Auguste Escoffier. Während Escoffier seine Köche auf eine französische und internationale Küche trimmte und alles Heimische aus der Küche verbannte, profilierte sich Ritz als Organisator und als Ausbildner für die künftigen Gastgeber. Er kümmerte sich um alles, was die Betreuung der Gäste betraf. Um die Innenausstattung, den persönlichen Stil, die Heizung und den Komfort.

Vor allem aber profilierte er sich als Vorreiter einer hochstehenden Hygiene, wie die Autoren des Standardwerkes «Schweizer Pioniere der Hotellerie» nachgezeichnet haben. Sie bezeichnen Ritz als «Mann der Badezimmer und der Sauberkeit». In der Tat stellte er alles auf den Kopf, was bisher in den Hotels für die Hygiene der Gäste geleistet oder eben nicht geleistet wurde.

Seine grösste Leistung aber dürfte dennoch das Engagement von Auguste Escoffier gewesen sein. Der kreative und sehr findige Kopf revolutionierte von Luzern aus die französische Küche. Vor allem aber war Auguste Escoffier die treibende Kraft hinter der Abschaffung des «service à la française», wie es der Kulinarikautor Rudolf Trefzer in seinem grossartigen Werk über die Klassiker der Kochkunst treffend beschrieben hat.

Statt der französischen Speisefolge mit zahlreichen Gerichten zu jedem Gang und einer kaum finanzierbaren Üppigkeit führte Escoffier im «National» in Luzern die A-la-carte-Menus ein: Sie konnten zu einem fixen Preis angeboten und relativ schnell serviert werden. Auch stellte er die bisherige Organisation in den Küchenbrigaden vollständig auf den Kopf und definierte die Arbeitsteilung völlig neu. 

Menukarten auf Französisch

Escoffiers Einfluss prägte nicht nur die Schweizer Gastronomie, sondern auch das Konditoreiwesen, obwohl er nur einige Jahre in Luzern wirkte. Zu seiner Zeit und in den Jahrzehnten danach stellten in der Deutschschweiz fast alle Gastronomen auf Speisekarten in französischer Sprache um, und Konditoreien verwandelten sich Schritt für Schritt in Patisserien und Confiserien, in denen Fastnachtskrapfen und Lebkuchen durch Mille-feuilles, Eclaires und Macarons ersetzt wurden.

Als Auguste Escoffier die Schweiz im Jahr 1888 gemeinsam mit César Ritz in Richtung Baden-Baden verliess und ihm dann nach London und schliesslich zurück nach Paris folgte, hatte Luzern unter seinem Einfluss schon komplett umgestellt. Nicht nur die Menukarten waren auf Französisch gedruckt, selbst die Ansichtskarten, die von den Gästen zu Zehntausenden verschickt wurden, warben mit einem französischen Ambiente und nahmen gar die Namen berühmter Pariser Vorbilder an, wie etwa das «Café Anglais», das sich am wohl berühmtesten Restaurant von Paris orientierte, in dem einst mehrere Kaiser diniert hatten.

Welche Berühmtheiten während ihrer Reisen durch die Schweiz die Luzerner Kopie besuchten, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Auch nicht, ob sie das Etablissement jeweils problemlos fanden, da in den Reiseführern und auf den Ansichtskarten mit der Adresse an der «Rue des Alpes» geworben wurde, die allerdings bis heute ausschliesslich auf Deutsch mit «Alpenstrasse» beschriftet ist.

Dass die Luzerner Gastronomie heute noch stark von der französischen Küche geprägt ist, zeigt, dass Escoffier auch 90 Jahre nach seinem Tod noch immer in Luzern präsent ist. Auch wenn die Kaffeehausliebhaber nun schlicht im «Restaurant Schwanen» verkehren – das allerdings noch immer mit dem Zusatz «Café de ville» kokettiert.

Dieser Artikel stammt von Dominik Flammer und erschien zuerst im Magazin «Echt», Ausgabe Januar

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