Gesichter der Gastronomie

Sie sorgen für einen Hauch Spanien in Luzerns Kleinstadt

Ruth Baillo-Kälin (links) wirtet seit 27 Jahren in der Bar León. Ihr zur Seite steht Barfrau Alicia. (Bild: zvg)

Die Bar León im Luzerner Kleinstadt-Quartier gehört zu den ältesten Bars in der Gegend. Wirtin Ruth Baillo-Kälin spricht über die Anfänge, investiertes Herzblut – und das bevorstehende Ende.

Die Luzerner Kleinstadt ist das Zuhause für viele Läden, Restaurants und Bars. Aber das Quartier ist im Umbruch. Einige der Häuser sind in die Jahre gekommen und werden in den kommenden Jahren saniert. Darunter auch langjährige Betriebe wie «Tschuppi’s Wonderbar» von Gastro-Urgestein Rolf «Tschuppi» Tschuppert (zentralplus berichtete). Auch das Haus «Burgertor» direkt gegenüber an der Burgerstrasse 22 ist betroffen. Hier sollen die Bagger im September 2026 auffahren (zentralplus berichtete).

Von dieser Sanierung ist auch ein Lokal betroffen, das im Quartier schon Inventarcharakter hat: die Bar León. Hier wirtet Ruth Baillo-Kälin. Und das schon weit länger als andere Gastronomen in der Umgebung. zentralplus trifft sie an einem frühen Mittwochnachmittag zum Gespräch.

Spanien in Luzern

In der kleinen Bar ist es noch ruhig, die ersten Gäste trudeln erst ab 16 Uhr rein. Die Hocker vor der aus Steinen gebauten Bartheke sind leer. Das gilt auch für den grossen Holztisch auf der rechten Seite. Klein und heimelig ist sie, die Bar, die optisch einer spanischen Bodega nachempfunden ist. Viel Stein, viel dunkles Holz, Pflanzendeko und ausgestellte Weinflaschen.

Obwohl die Bar León eine Raucherbar ist, ist der Geruch von Rauch kaum zu vernehmen. Gemessen an den Sitzflächen gibt es hier nicht viel Platz. Aber das täuscht. «Wir hatten hier schon gut fünfzig Leute aufs Mal», erzählt Ruth Baillo-Kälin gut gelaunt.

Vor der Bar waren die Haare

Durch eine versteckte Türe ist die Bar mit dem Coiffeursalon verbunden, der auf der Frontseite des Hauses zum Hirschengraben hin steht. Durch genau jene Türe betritt nun Ruth Baillo-Kälins Tochter Chantal das Lokal und gesellt sich zum Gespräch.

Der Tisch, der schon fast alles erlebt hat. (Bild: zvg / Bar León)

Besagter Coiffeursalon ist ein wichtiger Teil in der Geschichte der Familie Baillo. Denn damit hat 1981 alles angefangen, wie Ruth Baillo-Kälin erzählt. Damals haben sie und ihr Mann Luis Baillo hier am Hirschengraben 20 einen Herrensalon eröffnet. Nach ein paar Jahren erweiterten sie das Lokal und boten auch Plätze für Frauen an.

Im hinteren Teil des Hauses, wo heute die Bar steht, sei zu jener Zeit noch eine Druckerei eingemietet gewesen. Als diese auszog, hätten sie die Fläche übernommen, um Sportbekleidung zu verkaufen. Sport bedeutete den beiden viel. Luis Baillo war in Luzern unter anderem als Fussballer und Trainer aktiv und Ruth begeisterte sich für Fitness. Ausserdem: «Solche Geschäfte waren damals noch nicht so verbreitet», sagt Baillo-Kälin.

Später setzt das Ehepaar Baillo auf eine neue Idee: Weil es in Luis Baillos Heimat León in Spanien zahlreiche Bars gibt, in denen Wein und Tapas angeboten werden, wollen sie etwas Ähnliches in Luzern aufbauen.

Erst die Zweifel, dann der Erfolg

Als völlige Quereinsteiger bauen sie während fünf Monaten das ganze Lokal in Eigenregie um. An Arbeit mangelte es nicht. «Tagsüber waren wir im Coiffeursalon tätig, abends in der Bar», erzählt Ruth Baillo-Kälin. Zudem hatte das Paar bereits drei junge Kinder.

«Es gab Leute, die prophezeiten uns, in einem halben Jahr Konkurs zu gehen.»

Ruth Baillo-Kälin, Wirtin

Viel Vertrauen gab man dem Paar zu Beginn für ihre Bar nicht. «Es gab Leute, die prophezeiten uns, in einem halben Jahr Konkurs zu gehen.» Seit dieser düsteren Voraussage sind 27 Jahre vergangen. Und die Bar León ist noch immer fester Bestandteil in der Luzerner Barszene.

Sie ist ein «gemütlicher und unkomplizierter» Ort, wo sich ganz Luzern zu einem Glas Wein, Gambas al Ajillo oder Patatas Bravas trifft, erzählen Mutter und Tochter. Vom Büezer über Politikerinnen bis zu renommierten Hoteldirektoren, die auch mal am DJ-Pult stehen. Ruth streichelt über den Holztisch. «Wenn dieser Tisch sprechen könnte, hätte er unendlich viel zu erzählen.»

Die Bar León ist auch ein «Wartesaal»

Und natürlich kommen auch die Raucher. Die Bar León gehört zu den wenigen Bars in der Stadt, in denen noch geraucht werden darf. Zwar seien sie und ihre Barmaid Nichtraucherinnen, aber die Gäste schätzen diese Freiheit. «Und Raucher sind oft Geniesser», sagt Chantal Baillo. Ausserdem sei die Bar bei Frauen beliebt. «Es gibt nicht mehr viele Bars, wo Frauen alleine hingehen.»

Wie zum Beweis betritt wenig später eine Frau die Bar, begrüsst alle herzlich und setzt sich an den Tresen. Man kennt sich. Chantal Baillo hilft zwar gelegentlich noch in der Bar aus, ihr Hauptgeschäft ist allerdings der Coiffeursalon, den sie mit ihrem Team führt. Aber die Grenzen sind fliessend. «Für manche Stammkunden, die zum Haareschneiden kommen, ist die Bar der Wartesaal, wo man sich erst noch ein Glas genehmigt», erzählt sie.

Auf der Speisekarte (und in der Auslage) stehen spanische Tapas-Spezialitäten. (Bild: cbu)

Mutter Ruth selbst hat sich aus dem Geschäft mit dem Haareschneiden zurückgezogen, um sich vollends der Bar zu widmen. Besonders, seit ihr Mann Luis vor sechs Jahren gestorben ist. Ihr zur Hand geht heute Barfrau Alicia.

Die goldenen Zeiten sind vorbei

Dem bevorstehenden Ende des Lokals schaut Ruth Baillo-Kälin mit gemischten Gefühlen entgegen. «Ich bin zwar langsam etwas müde, aber ich mag noch gar nicht daran denken, aufzuhören», sagt die Gastronomin. Obwohl die Arbeit nicht leichter geworden ist. Seit Corona hat sich das Geschäft nie mehr ganz erholt. «Die goldenen Zeiten sind vorbei», sagt die Wirtin wehmütig.

Wie viel ihr die Bar dennoch bedeutet, wird besonders schnell klar, als sie eine kleine Führung durch das Lokal gibt. Im Untergeschoss zeigt sie den Weinkeller – die meisten Flaschen hat Ruth Baillo-Kälin vorsorglich bereits verkauft –, das Männer-WC, eine kleine Küche und das Büro. «Das alles haben wir im Laufe der Jahre selbst eingebaut. Wände, Türen, Regale. Hier steckt viel Herzblut drin.» Sie zeigt auf eine Tür neben der Treppe. Darauf steht: «Rittersaal». Die Wirtin schmunzelt. «Es gibt kein Sääli. Hinter dieser Türe ist nur ein Putzräumchen», gesteht sie. «Mein Mann mochte solche Spässchen.»

«Es wird ein neuer Lebensabschnitt», sagt auch Tochter Chantal zur Schliessung. Nicht nur, weil auch ihr Coiffeursalon von der Sanierung betroffen ist, sondern weil sie im September 2026 einen Teil ihres Zuhauses verliert. «Wir Kinder sind hier aufgewachsen. Das Büro im unteren Stock war unser Spielzimmer.» Heute sind es die Enkelkinder von Ruth Baillo-Kälin, die hier herumtollen.

Es wird ruhiger in der Luzerner Kleinstadt

Im September 2026 geht zweifellos eine Ära zu Ende. Mit dem Wegfall der Bars in der Umgebung dürfte es in der Kleinstadt einiges ruhiger werden. Aber vielleicht nicht für lange. Das Haus hat im Sommer der bekannte Unternehmer und zentralplus-Kolumnist Ueli Breitschmid gekauft.

Was in dem teilweise denkmalgeschützten Haus des Luzerner Architekten Armin Meili dereinst passiert, steht noch in den Sternen. Wie auch die Frage, was Ruth Baillo-Kälin nach dem Aus der Bar León machen wird. Klar ist: Die Füsse hochlegen wird sie wohl nicht.

Verwendete Quellen
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