Beizenfasnacht: In Luzern gibts Holdrio – oder Totenstille
In Luzern herrscht die Ruhe vor dem Fasnachtssturm. Während mancherorts die Vorbereitungen auf Hochtouren laufen, sind andere Beizer gelassen – weil ihre Betriebe über die Tage geschlossen bleiben. Mit zentralplus reden sie über die Gründe.
In Luzern steht mit der Fasnacht die «fünfte Jahreszeit» vor der Türe. Bis die Strassen und Gassen unter einer Schicht Konfetti, Bierdosen und Luftschlangen verschwinden, dauert es nur noch wenige Tage. Eine Branche profitiert von dem bunten Treiben besonders stark: die Gastronomie.
Zahlreiche Lokale blicken sehnsüchtig auf die zahlreichen potenziellen Gäste, die auf der Suche nach Speis, Trank und Wärme in die Beizen einkehren. Und für Stimmung – und Umsatz – sorgen. Bei einigen gehört die sogenannte Beizenfasnacht seit Jahrzehnten zum guten Ton.
Hochstimmung im «Stadtkeller»
Die Beizenfasnacht steht gemäss dem Lozärner Fasnachtskomitee (LFK) vor allem am «Komische Frytig», dem 9. Februar, im Zentrum. An besagtem Freitag findet zum vierten Mal die «Värsli-Brönzlete» statt, bei der verschiedene Gruppierungen von Sprücheklopfern und Witzeerzählerinnen von Beiz zu Beiz ziehen und ihre Verse zum Besten geben (zentralplus berichtete). Eines der Lokale, das beehrt wird, ist das Restaurant Stadtkeller in der Altstadt. Einem Ort, an dem die Fasnacht seit jeher einen grossen Stellenwert geniesst und der gemäss Website die «Galaxie der Beizenfasnacht» ist.
Darum planen Gastgeberin und Geschäftsführerin Andrea Gehrig und ihr Team die Fasnacht schon einige Zeit im Voraus. «Die intensive Planung beginnt rund einen Monat vor der Fasnacht», sagt Gehrig zu zentralplus. «Aber eigentlich beschäftigt uns die Fasnacht das ganze Jahr hindurch immer wieder.» Nach der Fasnacht sei schliesslich vor der Fasnacht. Das bunte Treiben bedeute für das Restaurant und Eventlokal zwar einen spürbaren Mehraufwand, nach all den Jahrzehnten sei man aber erprobt.
Die zahlreichen Gäste und Veranstaltungen wie stündliche Guuggen-Auftritte oder DJ-Konzerte sorgen zwar für guten Umsatz, allerdings seien auch die Aufwände grösser. Dekoration, Securitas-Angestellte und zusätzliches Personal, um die teils 20 Stunden langen Arbeitstage stemmen zu können – das sei nicht zu unterschätzen. Aber der Aufwand sei es wert, denn «einen Stadtkeller ohne Fasnacht kann ich mir nicht vorstellen», sagt Andrea Gehrig.
Das sehen auch die Gäste so. Obwohl der «Stadtkeller» während der Fasnachtstage teils von frühmorgens bis spät in die Nacht sehr gut besucht ist und innert Tagen Hunderte Gäste in unterschiedlichen Graden der Heiterkeit beherbergt, bleibt die Stimmung gemäss Gehrig stets friedlich. «Wir haben ein gesittetes Publikum. In dieser Hinsicht ist die Fasnacht sehr ruhig.» Zu Schäden käme es – abgesehen von ein paar kaputten Gläsern – nicht.
«Ich freue mich immer auf die Fasnacht – allerdings freue ich mich auch immer wieder, wenn sie vorbei ist», sagt Andrea Gehrig gut gelaunt. Aber eine grosse Verschnaufpause gibt es im «Stadtkeller» nach der Fasnacht nicht. Bereits am Freitag nach dem Aschermittwoch stehen wieder die ersten Konzerte an.
Beizenfasnacht hat in Luzern einen hohen Stellenwert
Auch an anderen Orten in der Stadt Luzern wird heftig gefeiert. So führt etwa das Restaurant Cara Mia – ehemals bekannt als «Nix» – am Reusssteg selbst nach einem Pächterwechsel die traditionelle «Holdrioschlacht» weiter. Dabei wird das Mobiliar aus dem Lokal geräumt und ein Barbetrieb geführt. Die Teebeutel der bestellten Holdrio landeten dann an der Decke – ein Neuanstrich nach der Fasnacht war in früheren Jahren unumgänglich (zentralplus berichtete).
Auch das «Bistro du Théatre» an der Theaterstrasse gehört seit der Eröffnung zu den Hauptschlagadern der Beizenfasnacht. Mit «grosser Leidenschaft und pompösem Aufwand» werde hier die Luzerner Fasnacht jeweils zelebriert. Und statt auf Techno setzt die «Jazzkantine» in der Grabenstrasse heuer ebenfalls auf reguläre Beizenfasnacht (zentralplus berichtete).
Grundsätzlich sei die Fasnacht für die Stadtluzerner Gastronomie eine anstrengende, aber spannende Zeit, sagt Patrick Grinschgl, Co-Verbandspräsident von Gastro Luzern. «Die Fasnacht bringt viele logistische Herausforderungen mit sich.» So kommen gewisse Betriebe nicht darum herum, zusätzliches Personal einzustellen, um die zahlreichen Gästen bedienen zu können. «Wohl kein Gastronom arbeitet während der Fasnacht nur acht Stunden. Es sind intensive, aber auch schöne Tage.»
Grinschgl, der früher selbst während 30 Jahren an der Fasnacht gearbeitet hat, wird auch heuer wieder in den Gassen Luzerns anzutreffen sein. «Ich mag die Fasnacht.» Aspirant für den Posten als Zunftmeister werde er jedoch nie, sagt er lachend. «Da gibt es bessere Bewerber.»
Nicht alle Beizen machen mit
Aber nicht alle Restaurants folgen der Narretei. Oder nicht gänzlich. «Die Fasnacht passt nicht ganz ins Konzept unseres Restaurants», sagt der Spitzenkoch Pietro Catalano, der im November zusammen mit seiner Schwester Stefania das Restaurant CAAA an der Haldenstrasse eröffnete. Gänzlich lassen sie die Fasnacht allerdings nicht vorbeiziehen. So plant das Geschwister-Duo während der Umzugstage vor dem Lokal Sandwiches oder Suppen und einen passenden Drink, wie beispielsweise einen Holdrio, anzubieten. Ansonsten bleibt das Restaurant, das gehobene Gastronomie mit Mixology verbindet, über die Fasnachtstage geschlossen.
Kalt bleibt der Herd auch im Tapas-Restaurant Volver an der Bleicherstrasse. Zumindest am Schmudo, Güdismontag und Güdisdienstag. In den ersten beiden Jahren nach der Eröffnung hätten sie über alle Fasnachstage normal offen gehabt, schreiben Chris und Patricia Oswald-Martinez auf Anfrage. Aber weil in der oberen Neustadt – quasi eine fasnachtsfreie Zone – über die Haupttage «wirklich gar nichts» läuft, nutzen sie die Tage anderweitig.
«Wir gehen mit dem ganzen Team am Donnerstag an die Fasnacht», schreibt das Inhaber-Duo. Sie möchten nämlich den Mitarbeitenden, die alle aus Spanien stammen, die Luzerner Fasnachtskultur näherbringen. Am Fasnachtswochenende ist das «Volver»-Team dann wieder am Herd, weil: «Am Wochenende besuchen uns dann jeweils noch diejenigen, welche nicht an die Fasnacht gehen oder nicht ganz geflüchtet sind aus der Stadt.»
Auch Bars ausserhalb des fasnächtlichen Epizentrums schliessen die Türe während dieser Tage. Darunter etwa die Bar Capitol. Beim Lokal am Bundesplatz ist es seit Jahren fast schon Tradition, über die Fasnachtstage geschlossen zu haben. Dafür nutzte das Team um Geschäftsführer Tim Michel in der Vergangenheit die Zeit, um die Bar umzugestalten oder Umbauarbeiten vorzunehmen (zentralplus berichtete).
- Telefongespräch mit Patrick Grinschgl, Präsident Gastro Luzern Stadt
- Persönliches Gespräch mit Andrea Gehrig, Gastgeberin «Stadtkeller»
- Website und Facebook-Seite «Stadtkeller»
- Persönliches Gespräch mit Stefania und Pietro Catalano, Restaurant CAAA
- Website «Bistro du Théatre»
- Schriftlicher Austausch mit Chris und Patricia Oswald-Martinez, «Volver»
- Website «Volver»
- Website LFK
- Facebook-Seite «Cara Mia»