Über die Luzerner Analog-Electro-Konstante

Gaias wabernde Schwere faszinierte die Schüür

Die Luzerner Band Gaia holt elektronische Klänge aus mehrheitlich analogen Instrumenten heraus. Gaia habe Ballast abgeworfen und sich seit der Plattentaufe entwickelt, sagt unser Rezensent.

Gaias Performance war kraftvoll und von der ersten Sekunde an aus einem Guss. Die Luzerner Electro-Band spielte in der Schüür rhythmische Formen mit grosser Präzision. Drive wurde mit subtiler Perkussion dekoriert, mit sähmigen Synthesizern aufgegossen und darüber schwebten schnelle Sequencer-Melodien.

Das Set von Gaia steigerte sich bis zum Schluss kontinuierlich. Kleine Groove-Exkurse mit mitreissenden Punk-Färbungen oder breite, hochfrequentige Trance-Synthies hörte man von Gaia zum ersten Mal. Und es steht ihnen gut. Besser als die leicht mystifizierenden Synthie-Pop-Balladen ihrer EP. Gaia ist direkt. Daran kann und soll man nicht rütteln. Und das haben sie seit der Plattentaufe im Südpol wohl selber gemerkt und gestern bewiesen. Mit einem Set in alter Manier, aber mit neuer Spritzigkeit.

 

Die wenigen Stücke von Howl waren härter und reduzierter

Die Einflüsse der EP Howl auf eben diesen alten Sound sind aber doch spürbar und bereichernd. Der Ballast von Howl wurde über Bord geworfen, zurück bleibt die alte, wippende und wabernde Schwere, die mir einst in der Gewerbehalle kurz vor Sonnenaufgang zum ersten Mal in Ohren, Gewebe und Knochen drang und mich heute noch begeistert. Die wenigen Stücke von Howl, die gestern gespielt wurden, waren härter und reduzierter als noch an der Plattentaufe im Südpol.

Als Support: Augustines Suspenders. Deren Harmonik und Melodik erinnern noch an alte Zeiten der Band, doch sind die Grooves heute reduzierter, die Synthies flächiger. Die Songs wirken eingängiger – recht solider Synthie-Pop. Extravagante Rhythmisierungen einiger Stücke werteten das kurze Set der Band stark auf und liessen aufhorchen. Sebastian Meyers Stimme brillierte vor allem in höheren Oktavlagen und war ein willkommener Kontrast im sonst eher monochromen Soundbild ihres Sets. Die Band überzeugte durch sehr präzises Zusammenspiel und eine gute Bühnenpräsenz.

«Jede Zelle unterwarf sich dem Puls der Bassdrum.»

Von den Augustines vorgeheizt, glühte die Stimmung unter Gaia während einer guten Stunde und verpflichtete zum Tanz. Jede Zelle unterwarf sich dem Puls der Bassdrum. Persönlich gefällt mir Gaia nach wie vor besser in kleineren Locations mit noch mehr Nähe zum Publikum, aber das hat vielleicht auch einfach mit meiner romantisch verklärten Erinnerung an jene durchgetanzte Nacht in der Gewerbehalle zu tun.

Gaia geht von der Bühne. Mädchen kreischen. Noch minutenlang wird geklatscht und gerufen, wird nach einer Zugabe verlangt. Afterglow in den erwartungsvoll wartenden Augen des Publikums, welches weiterklatscht und kreischt, aber sie kommen nicht mehr auf die Bühne. Ganz langsam leert sich der Raum. Ich spüre noch immer den Puls in den Beinen.

Der gestrige Abend war richtungsweisend für die weitere Entwicklung von Gaia. Der Umgang mit Einflüssen aus verschiedenen Stilrichtungen war sehr gelungen und öffnet bestimmt viele Türen für weitere Experimente.

Christian Löffel

Dieser Beitrag ist in Kooperation mit Kulturteil.ch entstanden und kann auch hier gelesen werden.

 

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