Wildpinkler-Alarm und TV-Verbot für Polizei

Fussball-EM: Wenn sich Fan-Freude oder -Frust entlädt

WM 2014: Euphorie pur beim Public Viewing.

(Bild: Severin Ettlin)

Das Fussballfieber erfasst in diesen Tagen weite Teile der Bevölkerung. In den Public Viewings sind Freud und Leid dabei nah beisammen und die Stimmung kann innert Sekunden kippen. So wie 2012, als es zu einer Strassenschlacht kam. Wie will die Polizei so etwas verhindern?

Diesen Freitag beginnt die Fussball-Europameisterschaft in Frankreich. Auch in Luzern gibt’s diverse Public Viewings (zentralplus berichtete), bei welchen man sich die Spiele gemeinsam anschauen kann. An solchen Fussballfesten werden Frieden und Toleranz hochgepriesen. Dennoch will jeder gewinnen. Bei einer Abwehrschlacht wehren sich Verteidiger bis aufs Blut gegen Tore, heroische Krieger grätschen im Mittelfeld alles weg und Stürmer wollen eiskalte Treffer erzielen und so Stiche ins Herz des Gegners setzen. «Fussball ist wie Krieg. Man muss den Gegner kaputtmachen», lautet ein berühmtes Zitat eines holländischen Fussballlehrers.

2012 artete es aus

Während solche Formulierungen eher der Motivation der eigenen Spieler dienen, verstehen das gewisse Fangruppen als klaren Auftrag. Leidenschaftliche Unterstützung fürs eigene Team kann in Gewalt gegen Fans des Gegners umschlagen. So geschehen bei der letzten EM im Public Viewing vor dem KKL. Es war die letzten Vorrundenspiele zwischen Kroatien – Spanien und Italien – Irland. Spanien und Italien qualifizierten sich für die nächste Runde, Kroatien schied aus. Nach Spielschluss kam es zwischen enttäuschten Kroaten und jubelnden Italienern und Spaniern zu einer regelrechten Strassenschlacht.

Die Polizei war mit Ordnungsdienstkräften vor Ort und trennte die beiden Fanlager. Nachdem die etwa 500 Kroaten nicht zu den anderen Fangruppen gelangen konnten, wurde die Polizei zum Zielobjekt. Mobiliar, Velos und Metallkupplungen von einem Baugerüst wurden gegen die Ordnungskräfte geworfen. Es kam zu Sachbeschädigungen. Die Polizei musste die Angreifer mit Wasserwerfer und Gummischrott zurückdrängen. Im Nachzug stellte die Polizei 12 Kroaten an den Internetpranger.

Diese beiden Bilder publizierte die Luzerner Polizei nach den Ausschreitungen 2012. Sie geriet unter heftigen Beschuss.

Diese beiden Bilder publizierte die Luzerner Polizei nach den Ausschreitungen 2012. Sie geriet unter heftigen Beschuss.

Die Polizei hat einen Plan

Und dieses Jahr: Wäre die Polizei gegen allfällige Scharmützel gewappnet? Polizeisprecher Urs Wigger sagt: «Wie üblich gibt die Luzerner Polizei im Vorfeld zu solchen Veranstaltungen keine Auskünfte über Details zum Einsatzkonzept und zu den aufgebotenen Einsatzkräften.» Für die Luzerner Polizei sei die Euro 2016 ein Anlass wie vergangene Fussball-Grossveranstaltungen auch. «Wir machen laufend eine Lagebeurteilung und bereiten uns dementsprechend vor», so Wigger. Heisst im Klartext: Bei der Polizei hat man sich Gedanken gemacht, will diese aber aus polizeitaktischen Gründen nicht kommunizieren. Deshalb lässt Wigger auch die Frage unbeantwortet, ob die Polizei Hochrisikospiele definiert hat.

Doch was braucht es, damit eine Bombenstimmung bei einem Fussballspiel herrscht? Genau, angefressene Fangruppierungen. Und was eignet sich da besser als ein Blick auf die Bevölkerungsgruppen im Kanton Luzern, um herauszufinden, welche Nationen wohl die meiste Unterstützung geniessen dürfen? Gemäss Lustat zählte Ende 2014 die ausländische Wohnbevölkerung im Kanton Luzern 72’607 Personen. Menschen mit Schweizer Pass und Migrationshintergrund sind nicht einberechnet. Folgende Grafik zeigt die bevölkerungsreichsten Ausländergruppen, deren Herkunftsländer tatsächlich an der EM dabei sind.

 

Hier geht’s zur Sache

Jetzt fehlt nur noch ein Blick auf den Spielplan, um die heissesten Begegnungen zu eruieren. zentralplus hat eine Auswahl getroffen:

Datum

Begegnung

11. Juni, 15 UhrSchweiz 🇨🇭vs.Albanien 🇦🇱
12. Juni, 15 UhrTürkei 🇹🇷vs.Kroatien 🇭🇷
16. Juni, 21 UhrDeutschland 🇩🇪vs.Polen 🇵🇱
17. Juni, 21 UhrSpanien 🇪🇸vs.Türkei 🇹🇷
18. Juni, 21 UhrPortugal 🇵🇹vs.Österreich 🇦🇹
21. Juni, 21 UhrKroatien 🇭🇷vs.Spanien 🇪🇸

Was ist mit Feierbiestern?

Bei diesen Spielen wird die Luzerner Polizei bestimmt ein Auge auf das Verhalten der Fans werfen. Und bei Spielern der Schweizer Nati wohl auch, nur schon wegen des grossen Menschenaufmarsches. Was bei den KO-Spielen folgt, steht noch in den Sternen. Eine mögliche Begegnung Deutschland gegen die Schweiz würde natürlich am meisten Luzerner in den Bann ziehen. In einem hoffentlichen Endspiel sowieso.

«Die gesetzlichen Vorschriften haben auch während der Euro 2016 Gültigkeit.»

Urs Wigger, Sprecher Luzerner Polizei

Mit diesem Spielplan der umkämpften und hochemotionalen Spiele soll allerdings keineswegs suggeriert werden, dass bei diesen Spielen nur das Gefahrenpotential hoch ist. Ebenso könnten bei diesen Partien auch die grössten Partys steigen. Wie geht die Polizei damit um, wenn die Fans ihrer Freude freien Lauf lassen? Was sagt sie zu Fan-Gesängen, Autokorsos inklusive Hupkonzerten oder Fahnen am Auto – und was ist mit Littering oder Wildpinklern?

Urs Wigger sagt: «Grundsätzlich will die Luzerner Polizei Freudenkundgebungen nicht verbieten. Trotzdem sehen wir uns nicht vom Auftrag entbunden, Ordnung und Sicherheit auch bei Freude oder Enttäuschung aufrechtzuerhalten.» Er hält ganz klar fest: «Die gesetzlichen Vorschriften haben auch während der Euro 2016 Gültigkeit.» Intervenieren würde die Polizei bei konkreter Gefährdung oder groben Verkehrsregelverletzungen, so Wigger.

So sah es während der WM 2014 in Schweizer Städten aus:

 

EM-Fieber bei Polizisten wird unterdrückt

Zu den Autokorsos sagt Wigger: «Diese werden nach dem Verhältnismässigkeitsprinzip in der Regel toleriert.» Nicht toleriert würden Korsos und Hupkonzerte in der Nähe von Örtlichkeiten mit Erholungscharakter (Spitäler, Kliniken, Altersheime). Wigger erklärt: «Autokorsos finden in der Stadt Luzern in der Regel auf der Achse Bahnhofplatz – Schweizerhofquai – Luzerner Hof statt.» Diesbezüglich bestehe, wie bei anderen Europa- und Weltmeisterschaften auch, ein Verkehrskonzept. Dieses basiere auf mehreren Phasen mit Verkehrslenkungsmassnahmen. «Die Massnahmen haben zum Ziel, dass die Hauptverkehrsachsen möglichst für den gesamten Verkehr, jedoch hauptsächlich für den öffentlichen Verkehr befahrbar bleiben», erklärt Wigger.

Ganz abschliessend appelliert er an die Fussballverrückten: «Wir rufen die Feiernden zu Toleranz und zur Vorsicht auf, um Unfälle oder Gefährdungen zu vermeiden.» Schliesslich liege es im Interesse aller, dass der Gross-Event in Luzern möglichst ohne Probleme über die Bühne geht. So friedlich, dass gar die Polizisten im Dienst dazu kommen, die Spiele zu geniessen? Wigger stellt klar: «Polizisten im Dienst können weder die Schweizer Spiele noch andere Matches am Fernsehen mitverfolgen.» Dennoch lässt Wigger ein Türchen für die Gesetzeshüter offen: «Es besteht jedoch die Möglichkeit, auf Einsatzpatrouille das Autoradio anzumachen und so zu den entsprechenden Infos zu kommen.» Aber ganz ehrlich: Wer würde es den Polizisten verübeln, wenn sie ihr Smartphone zücken?

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