Herbert Bamert ist Friedhofaufseher in Steinhausen

Für ihn sind Leben, Natur und Tod eine Einheit

Als Friedhofaufseher in Steinhausen bereitet Herbert Bamert gerade ein neues Urnengrab vor.

(Bild: woz)

Für viele sind Friedhöfe ein bedrückender Ort. Ein Platz, wo Tod und Trauer herrschen. In Steinhausen auf dem Friedhof Erli, wo Herbert Bamert als Friedhofswart arbeitet, spürt man das Leben.

Die Abendsonne blitzt durch die grossen Eichen. Die Grabsteine werfen lange Schatten. Einzelne Personen stehen gebückt vor den Gräbern und gedenken der Toten. Doch wer den Blick über das Areal des Steinhauser Friedhofs Erli schweifen lässt, den umfängt sofort eine ruhige Lebendigkeit. Eine Art Frische.

Wie ein stimmungsvoller Park

Satte, grüne Wiesen umgrenzen das Gräberfeld. Wiesenblumen kolorieren die Friedhofsszenerie mit vielen Farbtupfern. Eigentlich ist dieser Friedhof nicht nur Friedhof, sondern vielmehr ein gepflegter, stimmungsvoller Park, in dem Tote bestattet werden. Man ist fast versucht zu sagen, dass dies der schönste Platz in Steinhausen ist.

«Der Friedhof ist eine wichtige Visitenkarte von Steinhausen.»

Herbert Bamert, Friedhofaufseher

Vor allem ist der Friedhof Erli, den es seit 1972 gibt, sein Reich. Das Reich von Herbert Bamert nämlich, dem 59-jährigen Friedhofaufseher der Gemeinde. Seit 15 Jahren arbeitet er hier im Prinzip ganz alleine. Kümmert sich um die Bestattung der Toten und um die Pflege der Anlage.

Wie ein schöner, natürlicher Park wirkt der Friedhof Erli in Steinhausen.

Wie ein schöner, natürlicher Park wirkt der Friedhof Erli in Steinhausen.

(Bild: woz)

«Der Friedhof ist eine wichtige Visitenkarte von Steinhausen – weil es viele Direktbetroffene gibt», meint Bamert, der ursprünglich von einem Bauernhof am Oberen Zürichsee stammt. Eigentlich ist er gelernter Automechaniker. Durch einen Burn-out und Beziehungen habe er dann die Stelle im Friedhof Erli bekommen. «Das war Glück und purer Zufall», freut er sich im Nachhinein. Er wirkt unglaublich zufrieden und in sich ruhend.

«Der Tod gehört zum Leben.»

Herbert Bamert

Nein, der Tod mache ihn nicht traurig. «Der Tod gehört zum Leben und bildet für mich eine Einheit mit dem Leben und der Natur», sagt der zweifache Vater und Grossvater. Der Tod sei Bestandteil des natürlichen, normalen Prozesses des Lebens. Wobei aus seiner Sicht eben gerade die Natur den Trauernden helfen könne, loszulassen. Loszulassen vom Schicksalsschlag des menschlichen Verlustes. Das tönt schon fast philosophisch.

In diesen kühlbaren Schrank kommt der Sarg mit dem Verstorbenen im Aufbahrungszimmer – damit sich die Angehörigen vom Toten verabscheiden können.

In diesen kühlbaren Schrank kommt der Sarg mit dem Verstorbenen im Aufbahrungszimmer – damit sich die Angehörigen vom Toten verabscheiden können.

(Bild: woz)

«Es goht immer wiiter», sagt Bamert es auf andere Weise in seinen eigenen Worten. Deshalb misst er dem Naturambiente im Friedhof Erli soviel Bedeutung zu. Achtet darauf, dass sich die Friedhofsbesucher hier wohl fühlen. Im Prinzip könnte man hierher kommen, um auf einer Bank entspannt ein Buch lesen – so wenig grauenhaft wirkt dieses Gräberfeld.

1150 Personen sind hier bestattet

«Nur wenn Kinder und junge Menschen sterben, nimmt mich der Tod sehr mit.» Die drei, vier Kindergräber in einer Ecke des Friedhofs, auf denen zum Teil Spielzeuge stehen, bezeugen diese furchtbaren Schicksale.

1150 Personen sind auf dem Friedhof Erli bestattet. Die meisten davon inzwischen in Urnengräbern in der Erde oder in der Urnenwand. Gerade bereitet Bamert eine neue Grabnische vor. Ein neuer Toter ist ihm vom Bestatter gemeldet worden. Das passiere ein bis zweimal die Woche. Bamert nennt den Toten sofort beim Namen, nachdem er die Traueranzeige in der Bestattungshalle affichiert hat. Als ob er ihn persönlich kennen würde.

Impression aus dem Geräteschuppen des Friedhofs: Holzkreuze und Schaufeln.

Impression aus dem Geräteschuppen des Friedhofs: Holzkreuze und Schaufeln.

(Bild: woz)

«Der Leichnam des Toten wird jetzt vor seiner Verbrennung erst einmal in einem der vier Aufbahrungszimmer aufgestellt», Sagts und öffnet einen dieser Räume, wo sich Angehörige bis zu zehn Tage lang von ihrem Verstorbenen verabschieden können.

«Das ist im Prinzip wie ein grosser Kühlschrank.»

Friedhofaufseher

Das etwa zwölf Quadratmeter grosse Zimmer wirkt schllcht und freundlich durch die roten Backsteine, die grosse Kerze auf dem Ständer und dem Metallkreuz an der Wand. Zentrum des Raums ist ein wuchtiger Schrank.

«Hierdrin wird der geöffnete Sarg auf einem Wagen platziert, und von aussen kann man den Toten dann durch dieses Schiebefenster am Kopfende betrachten», sagt Bamert und steckt die Hand ein kreisrundes Loch, um das matte Fenster zu öffnen. «Das ist im Prinzip wie ein grosser Kühlschrank», erklärt der Friedhofswart. Denn der Sarkophag könne bis auf ein Grad heruntergekühlt werden.

Erdbestattung kostet 1800 Franken

Klassische Erdbestattungen werden aus Platz- und Kostengründen dabei immer weniger – im Erli gibt es nur noch ein einziges Erdbestattungsfeld. «Um ein Grab auszuheben, müssen zwei Männer zwei Tage lang arbeiten», sagt Bamert. Für so ein Grab zahlt man unterm Strich als Nichteinheimischer insgesamt 1’600 Franken: Platzgebühren plus Bestattungskosten. «Einheimische sind Gratis», so der Friedhofaufseher. Ein Urnengrab ist nur halb so teuer. Übrigens werden nur Holzurnen aus Umweltschutzgründen in der Erde begraben.

Besonders tragisch ist es, wenn Kinder sterben: Die Kindergräber auf dem Friedhof Erli.

Besonders tragisch ist es, wenn Kinder sterben: Die Kindergräber auf dem Friedhof Erli.

(Bild: woz)

Auf dem Friedhof muss man sich aber nicht nur um die rund 60 Toten pro Jahr kümmern. Sondern vor allem um den Friedhof selbst. Dass dies mit einer Menge Arbeit verbunden ist, sieht man, wenn man einen Blick in den Geräteschuppen von Herbert Bamert wirft. Hier ist alles picobello aufgeräumt, hängt geordnet an Haken oder ist auf Reihe geparkt. Die Vielzahl an Geräten – Mäher, Bohrer, Häcksler, und und und – mutet schon wie ein kleine Landmaschinenschau an.

In die Grube mit dem Grabsenkungswagen oder mit Seilen

In einer Ecke steht auch der aus vier metallenen Rohren gefasste Grabsenkungswagen – von dem der Sarg schliesslich maschinell in die Grabgrube befördert wird. «Wer will kann das auch wie früher noch mit Seilen machen lassen», sagt Bamert und deutet auf die zusammengerollten Stricke in einem Regal.

An der «Tankstelle» im Geräteschuppen hängen zwei Flaggen – eine italienische und ein Schweizerkreuz. «Die italienische steht für meine Frau Sylvia, die andere für mich«, verrät Bamert und lächelt. In einem anderen Eck hängen Standardkreuze mit einem versilberten Corpus Christi drauf. Diese werden solange ins Grab gesteckt, bis der Grabstein aufgestellt wird. «Das hier ist das neue Modell», sagt Bamert und zeigt auf etwas breitere und hellere Holzkreuze.

«Ah, da ist ja der Bestatter und bringt den Verstorbenen.»

Herbert Bamert

Man hat längst gemerkt: Alles hier auf dem Friedhof Erli ist wie aus einem Guss. Eine Art Gesamtkunstwerk. Für das Leben. Die Natur. Und nicht zu vergessen – für den Tod.

Dieses Blumenfeld war einmal ein Erdbestattungsfeld. Die Gräber wurden geräumt, die Leichname und ihre Überreste sind noch im Boden.

Dieses Blumenfeld war einmal ein Erdbestattungsfeld. Die Gräber wurden geräumt, die Leichname und ihre Überreste sind noch im Boden.

(Bild: woz)

«Ah, da ist ja der Bestatter und bringt den Verstorbenen», sagt Herbert Bamert und zeigt auf den silbernen Lieferwagen, der gerade in die Parklücke vor dem Friedhofsgebäude eingebogen ist. «Man sieht sich vielleicht mal wieder», sagt er freundlich zum Abschied. Der Kreislauf geht weiter. Der Tod gehört zum Leben.

 

 

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