Gegen alle Klischees: Ricardo, Luzerner Tenor

Für die Heimweh-Sänger regnet’s Rosen statt BHs und Slips

Wäre in der Fussballnati vermutlich der lauteste Sänger: der Luzerner Ricardo Sanz.

(Bild: zvg)

Der Heimweh-Chor ist eine der jüngsten Mundarterfolgsgeschichten: Musikpreise, Platinalben und ausverkaufte Tourneen nach dem altbewährten Boy-Band-Rezept. Einer der elf Büezer, die in Kuttelis über Heimat und Liebe singen, ist der Luzerner Ricardo Sanz. Passt der Secondo denn zu den Klischees des poppigen Jodelschlagers?

«Heimweh», das sind elf kräftige Männer, die auf Pressebildern vor stotzigen Gipfeln wie Cowboys strammstehen: breitbeinig, hemdsärmelig und tatenlustig. Der Traum jeder Frau? «Wer weiss», lacht Ricardo Sanz (50) und trinkt einen Schluck Rivella. Steht er dann auf der Bühne und singt, fliegen dem Tenorsänger jeweils scharenweise die Herzen zu.

Fliegen bei den «Heimweh»-Konzerten denn auch die Slips und BHs auf die Bühne, so wie beim schottischen Sänger Tom Jones? «Das gab’s bislang noch nicht, aber Rosen oder auch Kuchen bekommen wir immer wieder gereicht», erzählt Ricardo Sanz.

Und der spanische Secondo aus dem kleinen Dorf Roble Gordo, 60 Kilometer ausserhalb Madrids, gibt probehalber einen Juchzer zum Besten. Denn das dritte Album – auf «Heimweh» folgte «Blueme» und jetzt «Vom Gipfel is Tal» – ist gerade fertig und steht seit kurzem in den Läden. Voller Fieber sagt der Sänger: «Jetzt wollen wir die Lieder endlich auch live testen!»

Träumt vom Heimweh-Auftritt im Luzerner KKL: der Tenor Ricardo Sanz.

Träumt vom Heimweh-Auftritt im Luzerner KKL: der Tenor Ricardo Sanz.

(Bild: hae)

«Heimweh» ist eine zwei Jahre alte Konzeptband des Produzenten Georg Schlunegger (38), der mit Roman Camenzind (Ex-Subzonic) und Fred Hermann das Zürcher Hitmill-Studio betreibt. «Heimweh» wurde zusammengewürfelt wie einst die Boy- und Girl-Bands Take That, Backstreet Boys oder Spice Girls, die Millionen scheffelten.

Wie Schwiizergoofe und Härz

Es ist eine weitere Erfolgsgeschichte von Schlunegger, der schon zwei ähnliche Projekte zum Fliegen gebracht hat: Schwiizergoofe und die Frauenband Härz. Diese Bands beliefern Zielgruppen, die noch Tonträger kaufen und Musik nicht gratis herunterladen wie die junge Dancemusic- und Rap-Gemeinde.

Und das leicht abgeänderte Konzept ging im Falle von «Heimweh» so: Elf chüstige vollbrüstige Männer müsst ihr sein. Man nehme also flotte Burschen im rüstigen Alter zwischen 40 und 50 aus allen Deutschschweizer Regionen und setze mit ihnen auf die populäre «Zurück zur Scholle»-Welle.

Klar, grosse Stimme war bei der Rekrutierung auch Voraussetzung. Wundergar, dass «Made in Switzerland» gerade in ist, und wo allerorten Mauern an den Ländergrenzen hochgezogen werden, ist es wieder besonders schön kuschelig in der Heimat. Hier setzt der Elferchor «Heimweh» musikalisch an. Jeder kann bei Wurst und Brot mitsingen.

Im Video «Rosemarie» singt Ricardo Sanz solo:

Doch elf erwachsene Männer in Kuhkutteli, die coole Bärte und hippe Tattoos tragen – kann das gutgehen? Machen die da nicht vorwiegend den Clown fürs angeheiterte Publikum? Nicht unbedingt: Sie singen ganz ordentlich und sehr eingängig von ihren persönlichen Höhen und Tiefen. Die Lieder sind rührige Geschichten, die das Elferchörli im Alltag als Bauer, Handwerker oder Beizer erlebt hat. Über Sehnsucht, Hoffnung und Träume; über Liebe, Heimat und Familie.

«Heimweh» ganz nah

Mehr Infos zu «Heimweh» gibt es hier. In unserer Region singt das Männerchörli an folgenden Daten: 18. November, Aula Cher Sarnen; 25. November, Das Zelt in Luzern; 14 März 2019, Braui Hochdorf.

23’000 Zuschauer begeistert

Ricardo Sanz und die zehn Männer waren damit mehrfach auf Platz 1 der Schweizer Hitparade, haben zwei «Swiss Music Awards» gewonnen, fast 100’000 Alben verkauft und sind ein Garant für ausverkaufte Konzerthallen. Erst kürzlich haben «Heimweh» im St. Galler Kybunpark 23’000 Zuschauer begeistert. Mit Liedern, wie sie das Leben schreibt, unterlegt mit poppiger Schlagermusik, einem Schuss Jodel und ein bisschen Country-Anleihen.

Wobei, früher konnte Ricardo Sanz mit solcher Musik «aber auch grad gar nichts anfangen», wie er gesteht. «Doch als ich den ersten Demo-Song ‹Edelweiss› hörte, ist mir der enorm eingefahren. Und ich war sofort beim Projekt dabei.» Sanz, der einst bei DJ Bobo oder auch Bligg mitsang und heute vorwiegend als Musikproduzent abseits der Bühnen arbeitet, freut sich auf die anstehende Tour.

Zuvor ist Ricardo Sanz noch nach Venedig zu den Filmfestspielen eingeladen: Er hat den Kurzfilm «La festa piu bellissima» von Hedy Krissane mit Sound untermalt und ist für einen Preis nominiert. Die Arbeit geht ihm nicht aus: «Gerade bin ich am Vertonen eines Actionfilms von Krissane.»

«Ich bin schon sehr gerne in der Natur, das passt doch bestens zu ‹Heimweh›.»

Ricardo Sanz, «Heimweh»-Tenor

Wie hat es Ricardo Sanz denn mit den Klischees, die sein «Heimweh»-Chorgesang transportiert? Auch wenn er gerne für die Promofotos in den Rosenlaui-Bergen posiert, ist Sanz im Privaten doch nicht der Klischee-Bergler. Aber fischen tut er gerne in Bergseen, etwa bei der Frutt.

Elf stramme Männer mit kräftigen Stimmen: Heimweh mit Sanz (Zweiter von rechts).

Elf stramme Männer mit kräftigen Stimmen: Heimweh mit Sanz (Zweiter von rechts).

(Bild: zvg)

«Ich bin schon sehr gerne in der Natur, das passt doch bestens zu ‹Heimweh›.» Überhaupt ist er glücklich in der Schweiz, wo er sich stets wie in den Ferien fühle. Luzern sei mit Abstand die schönste Stadt, sagt Ricardo, der mit Mutter Sanz und Schwester in der Neustadt wohnt.

Laut die Nationalhymne am TV

Als Secondo nervt er sich an den Nationalfussballern, die zur Nationalhymne nicht mal die Lippen bewegen. «Dürfte ich mitspielen, ich wär wohl der Lauteste von allen!»

«Bei Fussballspielen der Schweiz gegen Spanien schlägt mein Doppelherz wie wild, ich bin emotional hin- und hergerissen.»

Doch Sanz schaut beim Fussball lieber zu: etwa bei Spielen des FCL mit seinem Bruder, der Goalie bei den Luzerner OG-Senioren ist. «Bei Matches der Schweiz gegen Spanien schlägt mein Doppelherz wie wild, ich bin emotional hin- und hergerissen. Das kam bei der WM 2010 voll auf seine Kosten: Fernández schoss das Tor zum Schweizer 1:0-Sieg in der Vorrunde, und schliesslich wurde Spanien Weltmeister.» Ricardo Sanz konnte damals zweimal jubeln, welcher Luxus. Er schaut zufrieden drein und sagt: «Im Sport soll der Bessere gewinnen, finde ich.»

Wie in der Musik auch. Und wenn er jetzt dann auf den Bühnen wieder Rosen geschenkt bekommt, was sagt jeweils seine Partnerin dazu? Ricardo Sanz schmunzelt: «Gar nichts. Ich nehme die noch so gerne an! Bin ja schliesslich Single …»

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