Besuch beim Luzerner Familienbetrieb Schärer-Linder

Für den perfekten BH reisen Kundinnen auch aus Genf an

Patrick Kuster ist der einzige Mann, der je für Schärer-Linder gearbeitet hat. (Bild: wia)

Seit fast einem Jahrhundert behauptet sich der Luzerner Unterwäscheladen Schärer-Linder erfolgreich gegen seine Konkurrenz. Auch gegen die Riesen, die sich in der Kleiderbranche tummeln. Wir haben das Familienunternehmen besucht und den einzigen Mann getroffen, der je für das Geschäft tätig war.

Er ist schon fast ein Stück Luzerner Geschichte, der Unterwäscheladen Schärer-Linder an der Zentralstrasse. Seit über 90 Jahren gibt es das Geschäft in der Nähe des Bahnhofs. Die Zeichen stehen gut, dass der Laden das 100-Jährige locker schafft. Und dies, obwohl er sich in einer ziemlich schwierigen Branche bewegt.

Wie es der kleine Familienbetrieb schafft, unbeschadet durchs Zalando-Zeitalter zu kommen, wird klar, als wir den Laden betreten. Gerade berät eine Mitarbeiterin ein Kundin, die extra von Basel hergekommen ist, um hier Unterwäsche zu kaufen.

«Das ist überhaupt keine Ausnahme», erklärt Geschäftsführer Patrick Kuster, nachdem er uns herzlich begrüsst. Die meisten Kunden kämen zwar aus der Zentralschweiz, doch auch aus St. Gallen, Graubünden oder gar Genf würden Leute anreisen, um hier einzukaufen.

Kuster ist der Urenkel von Lina Schärer-Linder, also der Frau, die das Geschäft 1926 am gleichen Standort gegründet hat. Während er uns durch den hellen, aufgeräumten Laden führt, erzählt er: «Meine Urgrossmutter hatte bereits Kinder, als sie ein Darlehen aufnahm, um dieses Geschäft zu gründen. Für die damalige Zeit war das also durchaus ungewöhnlich.» Zumal Lina Schärer-Linder verheiratet war, und nicht in finanziellen Nöten gesteckt habe. «Sie musste nicht arbeiten. Sie wollte!»

Und das tat sie mit Eifer. «Tagsüber stand sie im Ladengeschäft, abends hat sie genäht», erzählt Kuster.

Raus aus dem Korsett! Rein in die bunten Badehosen

Anfangs wurden hier insbesondere Korsetts verkauft, welche naturgemäss eine stützende Funktion aufwiesen. «Erst später hat man gemerkt, dass dies nicht nur Vorteile hat und etwa die Muskeln auf Dauer schwächt.»

Die Zeiten der Atemnot durch eng geschnürte Mieder ist definitiv vorbei. «Die alten Korsetts haben wir dem Theater gespendet», sagt Kuster lachend.

Gerade werden zwei Damen bedient, die extra aus Basel angereist sind. (Bild: wia)

Vielmehr findet man auf den 200 Quadratmetern Ladenfläche zeitgemässe Lingerie. Auch Pyjamas, Bademode und sogenannte Homeware im Mittel- bis Hochpreissegment werden verkauft. Kuster betont jedoch, dass in seinem Geschäft bei weitem nicht nur Wohlhabende einkaufen.

Wir schlendern an Bikinis vorbei, an Strickware, in einer Ecke hängt Männermode. Auffällig bunte, gemusterte Badehosen. «Die laufen super.» Daneben flauschige Bademäntel, Pullover, Unterwäsche.

Zu Spitzenzeiten arbeiteten zwölf Schneiderinnen hier

Männliche Kunden sind hier jedoch deutlich in der Unterzahl. «90 Prozent unserer Kundschaft machen die Frauen aus. Sie schätzen zum einen, dass sie hier gut beraten werden und wir ein grosses Sortiment führen. Zum anderen bieten wir Marken an, die sonst nur schwer zu finden sind», sagt Kuster.

Anfangs wurde bei Schärer-Linder das ganze Sortiment selber hergestellt, zu Spitzenzeiten arbeiteten zwölf Schneiderinnen beim Unternehmen. Heute ist es noch eine, die insbesondere Änderungen vornimmt.

«Ich sage immer, ich bin der Quotenmann.»

Patrick Kuster, Geschäftsführer Schärer-Linder

«Es wäre natürlich schön, Lingerie lokal herzustellen, dies ist jedoch heute kaum mehr realisierbar», so Kuster. «Wir versuchen aber wenn möglich, mit Marken zu arbeiten, die in der Schweiz oder im nahen Ausland produzieren. Das geht jedoch nicht immer», sagt der Geschäftsführer.

Auch wenn sie dekorativ wirken: Alle historischen Geräte werden noch verwendet. (Bild: wia)

Patrick Kuster ist nach 90 Jahren der erste Mann, der bei Schärer-Linder arbeitet. «Ich sage immer, ich sei der Quotenmann», sagt der 45-Jährige scherzhaft. «De facto ist es jedoch so, dass meine Mutter nur Söhne hatte.» So stieg der studierte Molekularbiologe ein, um das Familienunternehmen in die 4. Generation zu tragen.

Von der Biologie zum Unterwäschehandel

Dass er aus einer ganz anderen Berufssparte kommt, sieht Kuster nicht als Nachteil. Im Gegenteil: «Ich will meinen Einfluss zwar nicht überschätzen, glaube aber, dass es gut fürs Geschäft ist, dass ich eine Aussensicht mitbringe.» Dadurch, dass er im täglichen operativen Geschehen kaum involviert sei, habe er genügend Distanz, um zu sehen, wie man das Geschäft weiterentwickeln könne.

Patrick Kuster gehört der 4. Generation an, die für Schärer-Linder arbeitet.

Wie etwa 2016, als man beschloss, den bestehenden Laden zu renovieren und gar zu vergrössern. Dies in einer Zeit, in der – insbesondere auf der anderen Reussseite – kleine Geschäfte nach und nach das Handtuch werfen müssen. Das klingt nach einer verwegenen Idee. Hat es sich gelohnt? Patrick Kuster lacht. Überlegt. Sagt: «Ja. Das ist zwar eine schwierige Rechnung, da wir nicht wissen, wie sich die Zahlen ohne Umbau entwickelt hätten. Doch haben wir vor diesem Entscheid begonnen, die Anzahl der Neukunden zu erfassen. Es waren überraschend viele.»

«Mit der Renovation des Ladens haben wir ein Zeichen gesetzt, dass es weitergeht.»

Dieses Potenzial sei denn auch ausschlaggebend gewesen für den Entscheid, umzubauen. «Indem wir unsere physische Lokalität zeitgemässer gestaltet haben, haben wir auch ein Zeichen gesetzt, dass es weitergeht», sagt Kuster.

Dass Schärer-Linder alles richtig macht, glauben offenbar auch andere. Solche, die es wissen müssen. So wurde das Unternehmen 2019 vom Branchenmagazin «Sous» mit dem «Oscar der Wäsche» ausgezeichnet; einem internationalen Preis, den Geschäfte für ein besonderes Verkaufslokal, hochstehenden Service oder ein exklusives Angebot erhalten.

Hinweis: Dieser Artikel erscheint im Rahmen unserer Serie, in der wir Luzerner Traditionsgeschäfte und deren Erfolgsstrategie vorstellen.

Als Audrey Hepburn ihren Sohn Sean im St.-Anna-Spital gebar, sandte Schärer-Linder ihr ein Stofftaschentuch. Sie bedankte sich per Brief. (Bild: wia)
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