Nationalrat stellt sich heissen Fragen

Für Atomkraft, Bauern und Tabakindustrie

FDP-Nationalrat Bruno Pezzatti am Sitz des Schweizer Obstverbandes in Zug, den er 14 Jahre lang leitete.

(Bild: mbe.)

Bruno Pezzatti vertritt in Bern offen die Interessen der Wirtschaft und speziell der Obstbauern. Der bisherige Nationalrat und Ex-Verbandsdirektor ist der Spitzenkandidat der FDP Zug für die eidgenössischen Wahlen. Er politisiere am rechten Rand seiner Partei, sagt er selbst. zentral+ sprach Pezzatti auf seine teilweise umstrittenen Mandate an.

Bruno Pezzatti empfängt freundlich, im neuen Hochhaus des Schweizer Obstverbands, an der Baarerstrasse 88 in Zug. Bis 2013 war er Direktor dieser Branchenorganisation, 14 Jahre lang. Heute ist er noch im Vorstand. Sein aktuell grösster Erfolg hat mit Politik nichts zu tun: Stolz weist Pezzatti darauf hin, dass er den Bau des Minergie-Hochhauses des Obstverbandes mit Büros und Mietwohnungen persönlich initiert und von A bis Z als verantwortlicher Bauherrenvertreter begleitet hat. Das Haus wird bis zu 70 Prozent mit Energie aus dem Grundwasser geheizt. Dazu kommt eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach für die Warmwasserversorgung. Dann kommt aber doch noch ein politisches Statement: «Ich bin politisch kein Grüner, habe aber einen Leistungsausweis für sinnvolles ökologisches und umweltfreundliches Verhalten.»

Weiter mit Atomkraft

Dass er mit der Energiepolitik des Bunderats nichts am Hut hat, wird rasch klar, wenn man ihn auf sein Verwaltungsratsmandat beim Kernkraftwerk Gösgen anspricht. «Es ist wichtig, dass dort auch Leute im Verwaltungsrat sitzen, die nicht aus der Branche stammen. Im Verwaltungsrat geht es vor allem um weitsichtige Investitionen in die Sicherheit des Werkes», sagt Pezzatti dazu. «Ich stehe dazu, dass ich für Atomkraft bin und gegen den Ausstieg.» Er sei ein Gegner der Energiestrategie 2050 und wolle, dass dieser Beschluss «der Mittelinks-Parlamentsmehrheit» dem Volk vorgelegt werde, erklärt Pezzatti. Einerseits wegen den «millionenschweren Subventionen» für die Förderung von, gemäss Pezzatti, «zum Teil nicht wirtschaftlich erneuerbaren Energien». Dazu zählt er Windenergieanlagen. Für diese gebe es in der Schweiz sowieso zu wenig Platz. Andere Gründe: «Die Annahmen zum künftigen Stromverbrauch sind unrealistisch. Mit dieser unsäglichen Energiestrategie wird unsere sichere und kostengünstige Energieversorgung gefährdet», fügt er hinzu.

Direktzahlungen keine Subventionen

Für andere Subventionen hat Pezzatti ein offeneres Ohr. Dann, wenn es um die Bauern geht. «In meiner politischen Tätigkeit vertrete ich vor allem Wirtschafts- und Arbeitsplatzinteressen, einschliesslich diejenige der Obstwirtschaft», sagt er. Landwirtschaft sei ein Wirtschaftszweig wie jeder andere. «Direktzahlungen sind eine Entschädigung für zusätzliche ökologische und tierfreundliche Leistungen, welche über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehen. Es sind also nicht einfach Subventionen», so Bruno Pezzatti. Dass seine Partei für das Herunterfahren der Entschädigungen ist, bestreitet er nicht. Doch: «Ich bin nicht der Einzige in der Fraktion. Zusammen mit anderen FDP-lern bin ich der Auffassung, dass die Landwirtschaft nicht zu den Kostentreibern des Staatshaushaltes gerechnet werden darf.»

«Die Landwirtschaft darf nicht zu den Kostentreibern des Staatshaushalts gerechnet werden»,

FDP-Nationalrat Bruno Pezzatti

Pezzatti setzt sich ebenfalls für die Tabakindustrie ein und bekämpft «übertriebene» Präventionskampagnen des Bundes. Warum? Er sei ein Gegner von zusätzlichen Verboten und unnötigen Regulierungen. Er sei selbst leidenschaftlicher Zigarrenraucher. Mit der Tabakindustrie verbandelt ist er aber nicht. «Doch diese Verbots-Unkultur in unserem Land muss gestoppt werden», so der Politiker.

«Aus der Presse davon erfahren»

Auf sein brisantestes Mandat angesprochen, reagiert der FDP-Politiker leicht gereizt. Pezzatti sitzt im Beirat des Walliser Krankenversicherers Groupe Mutuel. Die Krankenkasse wurde von der Finanzmarkt-Aufsichtsbehörde Finma im Juli gerügt, in schwerer Weise das Aufsichtsrecht verletzt zu haben. Die Geschäftstätigkeiten von Tochtergesellschaften seien ungenügend kontrolliert worden, dies führte dazu, dass bei den Zusatzversicherungen zu hohe oder zu tiefe Prämien verrechnet wurden. Die Finma hat aufgrund ihrer Untersuchung Sanktionen verhängt.

Pezzatti bleibt im Beirat

«Ich habe über diese Vorkomnisse im Beirat ebenfalls aus der Presse erfahren», sagt der Zuger. Es handle sich um Fehler, die nicht im Bereich der obligatorischen Krankenversicherung, sondern bei den Zusatzversicherungen vorgekommen seien. «Die Fehler hat vor allem das frühere Management zu verantworten. Die betreffenden Verwaltungsrats- und Geschäftsleitungsmitglieder sind vor einem Jahr zurück getreten», sagt Pezzatti.

Verzichtet er aufgrund der Vorkommnisse jetzt auf diesen Sitz bei der Groupe Mutuel? «Nein. Ich bleibe Mitglied dieses rein informellen Beirats. Wenn ich im Verwaltungsrat sässe, wäre das etwas anderes. Aber ich trage keine Verantwortung für Groupe Mutuel, auch keine moralische», sagt er bestimmt.

«Ich trage keine Verantwortung für die Groupe Mutuel, auch keine moralische.»

Als Beirat werde man nicht über die Geschäftstätigkeit informiert. Es gehe beispielsweise dort um Informationen über Tarifverhandlungen. Er erhalte hier regelmässig wertvolle Praxisinformationen über die Kosten und Strukturen der Krankenkassen und generell über das Gesundheitswesen. Pezzatti weist darauf hin, dass auch Linke und Gewerkschafter stark mit dem Gesundheitswesen verbandelt seien. Das kritisiere aber niemand.

Mit bisherigen NFA-Vorstössen gescheitert

Ein wichtiges Thema für den Geberkanton Zug ist der Nationale Finanzausgleich (NFA). «Ich setze mich entschieden für die Interessen der Zuger Bevölkerung ein und will, dass der NFA korrekt und fairer ausgestaltet wird», sagt der Nationalrat. Drei Motionen habe er in der letzten Legislatur eingereicht, zwei sind mit Zweidrittelsmehrheiten abgelehnt worden.

Eine ist noch hängig, erklärt der FDP-Politiker. Den selben Vorstoss hat auch sein Parteikollege und Ständerat Joachim Eder im Ständerat eingereicht. «Dass die Wünsche der Geberkantone übergangen wurden und wir als Minderheit immer an die Wand gedrückt wurden, ist eine meiner grössten Enttäuschungen im Parlament», sagt Pezzatti rückblickend. Er finde das staatspolitisch bedenklich. Der Kanton Zug stehe zur Solidarität. «Aber es sollte auch eine umgekehrte Solidarität von den Nehmern zu den Gebern existieren.»

Die hängige Motion von Pezzatti verlangt vom Bundesrat, dem Parlament eine Änderung des NFA-Gesetzes zu beantragen. Der von einem Kanton für den Ressourcenausgleich einzubezahlende Betrag soll danach maximal 15 Prozent der im Vorjahr bei ihm generierten Bundessteuereinnahmen betragen. Dem Vorschlag werden wenig Chancen attestiert, der Bundesrat lehnt das Anliegen ab. Mitunterschrieben haben den Vorstoss 29 Nationalräte, darunter die anderen Zuger Nationalräte Gerhard Pfister und Thomas Aeschi sowie weitere SVP-, FDP und CVP-Parlamentarier.

26 Vorstösse in seiner ersten Legislatur

Zur Bilanz seiner ersten Legislatur in Bern weist Pezzatti auf seine 26 eingereichten Vorstösse hin. Er sei zwar nicht so bekannt wie beispielsweise Gerhard Pfister, aber auch kein Hinterbänkler, der zu allem Ja und Amen sage. Der 64-jährige Pezzatti hofft, im Herbst vom Zuger Wahlvolk für weitere vier Jahre gewählt zu werden. «Dann ist aber Schluss, das habe ich bereits kommuniziert.»

Eigentlich wollte er schon früher aufhören mit der Politik, die er als Hobby bezeichnet. Doch dann habe ihn die FDP 2011 angefragt, ob er nicht für den Nationalrat kandidieren wolle. Mit Bruno Pezzatti gelang es der FDP Zug, ihren 2003 an Jo Lang verlorenen Sitz nach acht Jahren zurückzuerobern. Der Coup gelang dank der erstmaligen Listenverbindung mit der CVP, und der Wahlmüdigkeit der Zuger Linken bei den letzten eidgenössischen Wahlen.

Nach seinem erhofften zweiten Mandat, will sich Bruno Pezzatti mehr Zeit für seine Hobbys und seine Familie nehmen. Seine grosse Leidenschaft, verrät er uns, ist das Pilzsammeln in der Nähe seines Lieblingsplatzes: dem Zuger Alpli auf dem Zugerberg.

Zur Person

Der 64-jährige Bruno Pezzatti sitzt seit 2011 für den Kanton Zug im Nationalrat. Der FDP-Politiker aus Edlibach ist Mitglied der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit, wo er sich für langfristig gesicherte Renten einsetzt. In seinem Profil auf Smartvote sind Pezzattis Schwerpunkte «Liberale Wirtschaftspolitik» und «Law & Order», gefolgt von einer restriktiven Migrationspolitik und einer restriktiven Finanzpolitik. Von 1999 bis 2010 war Pezzatti im Zuger Kantonsparlament und Kantonsratspräsident 2009/2010.

Der Diplomingenieur Agronom ETH leitete lange den Schweizer Obstverband in Zug. Seit 2013 ist er noch im Vorstand und widmet seine restliche Zeit der Politik und seinen ausserberuflichen Aktivitäten. Bei seinen Interessenbindungen auf der Parlamentsseite gibt er die Mitgliedschaft in zehn Vereinen an. Privat ist Bruno Pezzatti Präsident der Raiffeisenbank Menzingen-Neuheim sowie Präsident der branchenübergreifenden AHV/IV-Ausgleichskasse VEROM. Ausserberuflich engagiert er sich als OK-Präsident der Schweizer Leichtathletik-Meisterschaften, die im August in Zug stattfinden werden, und der Gewerbeausstellung Menzingen 2016.

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