Steuererhöhungen sollen in Luzern vors Volk

Führt SVP-Initiative zu Chaos?

Geht es nach der SVP, hier bei der Einreichung der Unterschriften, hat das Volk künftig bei Steuererhöhungen das letzte Wort. (Bild: PD/ Montage les)

Die SVP will dem Volk das letzte Wort bei Steuererhöhungen übertragen. Die Regierung fürchtet Planungsunsicherheit, die Initianten hingegen sprechen von einer Stärkung. Auf den ersten Blick erscheine das Anliegen nachvollziehbar, heisst es unisono. Doch reicht dies den anderen Parteien?

Die SVP des Kantons Luzern hat im April vergangenen Jahres 4571 gültige Unterschriften für die Volksinitiative «Steuererhöhungen vors Volk!» gesammelt. Sie verlangt, dass bei einer Erhöhung des Steuerfusses in jedem Fall eine Volksabstimmung durchgeführt wird. Die Initiative wurde im Zusammenhang mit der durch den Kantonsrat für den Voranschlag 2014 beschlossenen Erhöhung des Steuerfusses um einen Zehntel lanciert. Die SVP will das letzte Wort in dieser Frage dem Volk übertragen.

In ihrer Botschaft hat die Luzerner Regierung nun ihre Position zum Anliegen publik gemacht. Sie lehnt es ab. «Könnte das Parlament nur noch die kantonalen Leistungen bestimmen, nicht aber die zur Erfüllung notwendigen Mittel, drohten chaotische Zustände bei der Finanzplanung», sagt Finanzminister Marcel Schwerzmann. Mittels fakultativen Referendums bestünde zudem bereits heute die Möglichkeit, das Volk über Steuererhöhungen – ab dem aktuellen Steuerfuss von 1,6 Einheiten – entscheiden zu lassen. Ein solches Referendum wegen einer Steuererhöhung gab es etwa 2012 in der Stadt Luzern.

«Bei einer Annahme der Initiative würde eine sinnvolle Leistungs- und Finanzplanung erschwert bis verunmöglicht.»

Marcel Schwerzmann, Luzerner Finanzminister

In der Kantonsverfassung ist klar geregelt, wer über das Budget und den Steuerfuss bestimmt: der Kantonsrat. Gemäss Regierung sind die beiden Kompetenzen auch inhaltlich miteinander verknüpft. Auf der einen Seite – der Ausgabenseite – bestimmt der Kantonsrat über die öffentlichen Leistungen, auf der anderen – der Einnahmeseite – über den Steuerfuss. Nun will die SVP den zweiten Punkt dem Volk überlassen, falls der Kantonsrat eine Steuererhöhung aufgrund gesteigerten Mittelbedarfs vorschlägt. So geschehen beim Voranschlag 2014, als der Steuerfuss von 1,5 auf 1,6 Steuereinheiten erhöht wurde.

Initiative mit gravierenden Nachteilen?

Das Anliegen um mehr Mitsprache in Steuerfragen ist indes nicht neu. Und: «Auf den ersten Blick mag es denn auch als richtig erscheinen, dass den steuerzahlenden Bürgern ein direktes Mitspracherecht zugestanden wird, da dieser die Steuerbelastung direkt beeinflusst», so die Regierung in ihrer Botschaft. Der Ausbau der direktdemokratischen Mitwirkung vermöge aber die zahlreichen Nachteile der Initiative nicht zu kaschieren.

«Bei einer Annahme der Initiative würde eine sinnvolle Leistungs- und Finanzplanung erschwert bis verunmöglicht», so der Luzerner Finanzminister Marcel Schwerzmann. Dies ist natürlich insbesondere dann der Fall, wenn eine Steuererhöhung vom Volk abgelehnt würde. Rückschlüsse auf die Gründe und die folglich zu ergreifenden Massnahmen wären kaum möglich. Zudem hätte der Kanton in diesem Fall für ein paar Monate kein rechtskräftiges Budget. Um dies zu vermeiden, müsste der Prozess zum Aufgaben- und Finanzplan vorgezogen oder erheblich verkürzt werden.

SVP will Mitbestimmungsrecht erhöhen

SVP-Fraktionschef Guido Müller und Co-Präsident des Initiativ-Komitees ist von der Notwendigkeit der Initiative überzeugt. «Das Volk – direktbetroffen – muss zur wichtigen Frage betreffend Steuererhöhungen Stellung nehmen können.» Könnte es zwar mittels fakultativen Referendums schon heute, doch Müller interveniert: «Die Frist von drei Monaten für die 3000 Unterschriften ist relativ kurz.» Zudem sei die Budgetdebatte jeweils im Dezember und die Referendumsfrist falle genau in die Festtage.

«Der neue Modus bringt in der Tat mehr Planungssicherheit.»

Guido Müller, SVP-Fraktionschef

SVP-Fraktionschef Guido Müller

SVP-Fraktionschef Guido Müller

(Bild: zvg)

Über die Leistungen des Kantons könnten die Stimmbürger jedoch nicht direkt mitbestimmen. Dazu sagt Müller: «Doch, wenn ein Budget mit Steuererhöhungen vorliegt, kann das Volk sagen, ob es die Steuererhöhung aufgrund der budgetierten Leistungen goutiert oder nicht.» Bei einem Nein würde es dann am Kantonsrat liegen, Alternativen zu prüfen. «Und nicht immer würden die 120 Kantonsräte auch die Meinung der Bevölkerungsmehrheit vertreten», weiss er. Eine Volksabstimmung könnte die Legitimation für Steuererhöhungen erhöhen, meint Müller.

«Der AFP ist Makulatur»

Marcel Schwerzmann argumentiert, das würde die finanzpolitische Planung des Kantons erschweren. Dieses Argument ist für Müller überhaupt nicht stichhaltig. In der Tat hat sich die finanzpolitische Planung im Kanton Luzern zuletzt als schwierig erwiesen. «In den vergangenen drei Jahren wurde der Aufgaben- und Finanzplan der Regierung nie genehmigt. Er ist Makulatur.» Auch die Schwarzmalerei bezüglich eines entstehenden Zeitdrucks bei den Budgetberatungen lässt der SVP-Fraktionschef nicht gelten. «Man hat die Budgetdebatte in die Dezembersession verschoben, weil dadurch die Budgetgenauigkeit erhöht werden sollte.» Die Auswirkungen davon kann Müller noch nicht sehen. «Man könnte die Debatte wieder in den Herbst hineinverschieben und am eidgenössischen Abstimmungstermin im November das Volk darüber befinden lassen.»

«Im Falle eines Neins hätte der Kantonsrat in der Dezembersession dann die Möglichkeit, korrigierend einzuwirken», so Müller. Die Initiative würde entgegen der Meinung der Regierung sogar Klarheit in die Finanzplanung bringen, ist Müller überzeugt. «Der neue Modus bringt in der Tat mehr Planungssicherheit. Wird nämlich nach geltender Regelung das Referendum ergriffen und es kommt zu einer Volksabstimmung, könnte diese erst im März stattfinden. Das aktuelle Beispiel der Stadt Luzern zeigt diese unliebsame Situation klar auf», erklärt Müller.

Dass die Regierung das Begehren ablehnt, ist für Müller nicht überraschend. Auch in der Kommission und im Kantonsrat erwartet er einen schweren Stand für das Anliegen.

Mit diesem Sujet trat die SVP während des Unterschriftensammelns auf.

Mit diesem Sujet trat die SVP während des Unterschriftensammelns auf.

«Initiative ist unnötig»

Mit dieser Einschätzung liegt Müller ziemlich richtig, wie die Stellungnahmen der anderen Fraktionen zeigen.

«Die SVP will nur dem Kanton den Geldhahn zudrehen.»

Giorgio Pardini, SP-Kantonsrat

SP-Kantonsrat und Finanzpolitiker Giorgio Pardini hält nichts von der Initiative. «Es ist einmal mehr ein populistisches Anliegen der SVP, mit welchem sie den Wählern verstärkte Mitsprache suggeriert», so Pardini. Dies sei aber nicht der Fall: «Steuern sind immer mit Leistungen verbunden, doch darum geht es der SVP nicht. Sie will nur dem Kanton den Geldhahn zudrehen», hält Pardini fest.

SP-Steuerinitiative kommt an die Urne

Die SVP ist nicht die einzige Partei, die sich mit einer Volksinitiative an das Thema Steuern wagt. Von linker Seite wurde die Initiative «Für faire Unternehmenssteuern» lanciert. Diese verlangt, die Halbierung der Unternehmensgewinnsteuern im Rahmen der Steuerstrategie des Kantons teilweise rückgängig zu machen. Der Regierungsrat und die Mehrheit des Kantonsrates lehnen die Initiative ab (zentral+ berichtete). Ein möglicher Termin für diese Volksabstimmung wäre der 25. September 2016.

Es ist ja kein Geheimnis, dass die SP der aktuellen Tiefsteuerstrategie sehr kritisch gegenübersteht. «Der Kanton muss finanzpolitisch wieder ein klares Ziel verfolgen.» Dazu brauche es eine ideologische Debatte. «Die SVP agiert in dieser Frage blindlings», so Pardini, und begebe sich mit der Initiative erneut auf einen Nebenschauplatz. «Die Initiative ist zudem unnötig, weil bereits heute die Möglichkeit eines fakultativen Referendums besteht.» Dieses zu ergreifen, sei auch völlig legitim, meint er. «Es ist aber der falsche Ansatz, die Stimmbevölkerung per se darüber entscheiden zu lassen.»

«Für etwas gibt es ja noch ein Parlament»

Die CVP-Fraktion hat ihre Haltung zur Initiative noch nicht gefasst. Der Vorsitzende Ludwig Peyer gibt dennoch eine Einschätzung aus persönlicher Sicht ab: «Die CVP-Fraktion wird wohl an der bewährten Kompetenzordnung zwischen Volk und Kantonsrat festhalten.» Das heisst, sie wird die Initiative eher ablehnen. «Der Kantonsrat ist bekanntlich zuständig für das Budget und muss daher auch den Steuerfuss festlegen können.» Egal ob er nun hinauf- oder heruntergehe, der Steuerfuss sei ein integraler Bestandteil eines Budgets. «Wenn schon müsste man über ein allgemeines Budgetreferendum reden. Aber das ist für einen Kanton einerseits unpraktikabel und anderseits gibt es für etwas ja noch ein Parlament», so Peyer. Was die Initianten mit dem Anliegen genau bezwecken wollen, ist ihm schleierhaft. «In den letzten Jahren kam es zu vielen Steuersenkungen und nur einmal zu einer Steuererhöhung.»

«Budgetprozess ist schon schwierig genug»

Ähnlich tönt es bei der FDP. Sie hat das Geschäft noch nicht beraten, wie Fraktionschef Andreas Moser sagt. «Ich persönlich werde die Initiative ablehnen.» Und er geht davon aus, dass die Mehrheit der Fraktion dies auch so sieht. Die Praxis des fakultativen Referendums habe sich bis heute bewährt. «Das Parlament hat die Kompetenz für das Budget, sprich die Leistungen, und die Festsetzung des Steuerfusses. Der Budgetprozess ist so schon schwierig genug und das Parlament braucht einen gewissen Spielraum in diesem Prozess», so Moser.

«Ein obligatorisches Referendum stärkt die Volksrechte.»

Michèle Graber, GLP-Fraktionschefin

Weiter kritisiert er, dass die Initiative zu mehr Bürokratie führen würde. Und das sei gar nicht notwendig, denn: «Der Kanton verfügt mit der gesetzlich vorgegebenen Schuldenbremse und dem Präventivcharakter des gesetzlich verankerten Steuerfussreferendums über gute Steuerungsmöglichkeiten in der Finanzpolitik.»

«Keine Diskussion über Leistungen»

Die Grünliberalen können das Anliegen der SVP grundsätzlich nachvollziehen, wie Fraktionschefin Michèle Graber auf Anfrage sagt: «Ein obligatorisches Referendum stärkt die Volksrechte.» Trotzdem stünden sie der Initiative zurückhaltend gegenüber. «Sie betrachtet nur die Einnahmenseite, nicht aber die Ausgabenseite des Budgets. Eine – aus unserer Sicht wünschbare – Diskussion über die Leistungen würde dadurch nicht zustande kommen», so Graber. Sie empfindet die Initiative wie die anderen Parteien als unnötig: «Ich glaube, dass das Referendum bei einer Steuerfusserhöhung sowieso ergriffen würde und auch zustande käme.»

«Desavouierung des Parlaments»

Auch die Fraktion der Grünen ist gegen die Initiative, wie Fraktionschefin Monique Frey sagt. «Einerseits aus formellen Gründen: Dieses obligatorische Referendum hat nichts im Steuergesetz verloren, bisher sind alle obligatorischen Referenden in der Verfassung geregelt. Andererseits ist es die Aufgabe des Parlaments, das Budget mit dem Steuerprozent festzulegen. Es bleibt ja weiterhin das fakultative Referendum möglich.» Es käme zu Ablehnungen des Budgets, die kaum noch begründbar wären, so die Befürchtung der Kantonsrätin der Grünen.

Frey wird deutlich: «Diese Initiative zielt voll auf das nach SVP-Meinung unfähige, politische Establishment ab und will ihm die entscheidenden Beschlüsse wegnehmen.» Dies sei eine Desavouierung des Parlamentes, natürlich auch der SVP-Mitglieder.

Volksabstimmung nicht mehr dieses Jahr

Die Botschaft der Regierung liegt nun vor. Wie es darin heisst, gilt diese als Entwurf eines Kantonsratsbeschlusses, mit dem die Initiative «Steuererhöhungen vors Volk!» abgelehnt werden soll. Als Nächstes befasst sich nun die zuständige Kommission mit dem Thema, anschliessend der Kantonsrat. Wird die Initiative erwartungsgemäss abgelehnt, entscheidet das Luzerner Stimmvolk darüber. Eine allfällige Volksabstimmung findet wohl erst 2017 statt.

Das Thema «Steuern» und insbesondere die Tiefsteuerstrategie des Kantons Luzern sind ein heiss diskutiertes Thema. zentral+ berichtete immer wieder ausführlich darüber:

  • Das zentral+-Streitgespräch zwischen SP und SVP: Ist die Tiefsteuerstrategie am Ende? Der Druck auf die Luzerner Kantonsfinanzen steigt enorm, die ewige Sparerei sorgt für heftigen Widerstand. Darf man die Fachklasse Grafik streichen? Schulgelder erhöhen? Muss Otto Normalbürger für die verfehlte Tiefsteuerstrategie des Kantons bluten? Die Kantonsräte und Finanzexperten Armin Hartmann (SVP) und Beat Züsli (SP) schenken sich in unserem Streitgespräch nichts.
  • Luzerner Regierung verteidigt Strategie: «Nicht sexy, aber ehrlich» Die Luzerner Regierung präsentierte das wichtigste Dokument für ihre Arbeit: das neue Legislaturprogramm. Es zeigt, wo bei knappen Finanzen die Schwerpunkte gesetzt werden sollen. Viel Neues zeigt es nicht. Da macht die Regierung keinen Hehl draus. Die SP lässt dennoch kein gutes Haar an den Plänen.

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