Das grosse Galvanik-Streitgespräch

Frühe Wilde vs. heutige Profis

Drei Menschen aus der bewegten Geschichte der Galvanik: Die heutige Chefin Eila Bredehöft, der Mitgründer Ermin Trevisan, der Stammgast und Ex-Präsident Aldo Caviezel. (Bild: fam)

Es hat viel Pioniergeist gebraucht, um die Galvanik zu gründen. Und Mut. Vielleicht wollen die Gründer auch deshalb heute noch mitreden. Die Leidenschaft ist noch da. Die Sturheit auch. Ob das bei der heutigen Chefin gut ankommt? Wir haben zum Streitgespräch geladen. Die Säbel sind gewetzt. Viel Spass.

Was passiert, wenn man zwanzig Jahre Galvanik in einen Raum steckt? Wenn man den ersten Galvanik-Initiator und Mitgründer Ermin Trevisan und die heutige Galvanik-Chefin Eila Bredehoeft ungefiltert aufeinander loslässt? Gibt es dann ein Loch im Raum-Zeit-Kontinuum, das alles verschluckt? Stossen sich die beiden ab wie verkehrte Magnete? Knallen alle Korken an der Bar gleichzeitig?

Zum Glück haben wir als Ausgleich zum Gespräch auch noch den kantonalen Kulturbeauftragten und ehemaligen Galvanik-Vereinspräsidenten Aldo Caviezel eingeladen. Und das hilft. Kurz vor dem Gespräch sind die beiden Galvanik-Chefs aus verschiedenen Zeitaltern allerdings noch alleine, stehen im frisch renovierten Raucherbereich.«Hast du den schon gesehen?», fragt Bredehöft ihren Ur-Vorgänger. Sie ist sichtlich stolz aufs Upgrade: Holzbänke mit geschwungenen Lehnen stehen unter Bistrot-Lämpchen, Grosse Holzfässer fungieren als Stehtische. Auf dem grossen Transparent an der Gitterwand stehen alle Namen sämtlicher Bands, die jemals – während der letzten zwanzig Jahre – in der Galvanik gespielt haben. Was sagt der Galvanik-Gründer dazu? Trevisan meint lachend: «Hat das der Feuerschauer schon gesehen? Das ist doch die Feuerwehrzufahrt.»

Eine erste kleine Spitze – Feuer ist ein heikles Thema in der Galvanik, die 2008 wegen einer glühenden Zigarette im Staubsauger abfackelte. Bredehoeft winkt entspannt ab: «Klar, das geht in Ordnung. Ist ja alles beweglich.»

Damit ist das Vorgeplänkel durch, die Säbel liegen auf dem Tisch, die Handschuhe sind bereit für einleitende Ohrfeigen. Jetzt kommen wir zum Kern der Sache. Man trinkt zum Gespräch Galvanik-Bier, für den versöhnlichen Geist. Denn ein Stück der genialen Idee, des wilden Pioniergeistes muss all die zwanzig Jahre überlebt haben. Und ein bisschen der heutigen Professionalität muss auch damals schon geherrscht haben. Zwanzig Jahre lang hat die Galvanik allen kulturellen, finanziellen, pyrotechnischen, politischen und personellen Stürmen getrotzt. Sie ist eine Erfolgsgeschichte. Aber was hat die neue Galvanik mit der alten wirklich gemeinsam?

 

zentral+: Wir fangen bei Trevisan an. Was bedeutet das Haus heute für dich?

Ermin Trevisan: Die Galvanik ist und bleibt mein Baby. Darum gehe ich auch an jede Generalversammlung und gebe meinen Senf dazu, auch wenn das nicht immer gut ankommt (lacht, und Galvanikchefin Bredehöft nickt grinsend). Ich finde nicht alles gut, was da läuft, in Anbetracht der finanziellen Mittel und der Infrastruktur, die die Galvanik hat, müsste das Programm viel aufregender sein, und es müssten viel mehr Partnerveranstalter mitmachen. Auch als Steuerzahler finde ich, da muss mehr herausschauen, wenn wir so viel investieren. Wir haben das damals alles selber getragen, und trotzdem ging der Ruf der Galvanik weit über den Kanton hinaus.

Aldo Caviezel: Das war ein unglaubliches Risiko, das ihr damals getragen habt, das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Ihr wart die einzigen, die jemals ein Kulturzentrum auf eigene Rechnung geführt haben. Das ist heute gar nicht mehr möglich.

Trevisan: Ja, und das bei diesem gierigen Menschen von Vermieter, das ist wirklich ein Abzocker, der wollte ab 1995 7000 Franken Miete jeden Monat. 7000 Franken auf den Tisch, für eine Bruchbude, die er für 500’000 Franken plus 90’000 Franken Entsorgung ersteigert hatte und in die er nachher während 15 Jahren total 30’000 Franken investierte. Noch dazu musste ich anfangs zusammen mit dem damaligen Präsidenten des Vereins Durchzug, später allein, den Mietvertrag abschliessen und persönlich bürgen.

«Ich war mit meinem Anzug der Einzige, der einigermassen respektabel aussah. Also war ich der natürliche Verhandlungsführer.»

Ermin Trevisan, Galvanik-Mitgründer

zentral+: Wie bist du überhaupt dazu gekommen, die Galvanik zu gründen?

Trevisan: Ich war da gerade von Berlin zurückgekommen, direkt von der Arbeit. Hatte noch den Anzug an, da gab es diese illegale Party in der Galvanik, die damals ein Abbruchobjekt war, nachdem der Galvanisierbetrieb Konkurs gemacht hatte. Man muss sich vorstellen, damals gab es in Zug noch gar nichts, nur solche illegalen Partys, die waren dafür immer voll. Sonst gab es nur den Widder und das Topas. Da wurden wir entweder rausgeworfen oder wurden über den Tisch gezogen. Und dann, an dieser illegalen Party in der heutigen Galvanik, kam die Feuerpolizei. Und ich war mit meinem Anzug der Einzige, der einigermassen respektabel aussah. Also war ich der natürliche Verhandlungsführer. Daraus ist bei mir die Idee für ein Kulturzentrum Galvanik entstanden. Ich habe dann mit dem Verein Durchzug eine hochmotivierte Truppe gefunden, und zusammen mit der ganzen damaligen Jugendszene haben wir das Projekt gegen alle Widrigkeiten gestemmt.

zentral+: Wie steht es mit dir Aldo, was bedeutet die Galvanik für dich?

Caviezel: Damals war es ein Teil meiner Heimat. Ich war Stammgast hier, praktisch immer da. Wir haben auch viel selber hier gespielt mit der Band, hatten von sehr früh an einen Proberaum. Als die Galvanik als Kulturzentrum gegründet wurde, sind wir mit der Band eingezogen. Die Galvanik war mir so wichtig, dass ich, als der Verein Durchzug Konkurs ging, bei der Interessengemeinschaft Galvanik Zug (IGGZ) als Präsident mitmachte: Wir waren schockiert, das konnte doch nicht sein, dass die Galvanik dicht machen sollte. Deshalb habe ich mich für die erste Rettung der Galvanik engagiert. Die Galvanik ist für Zug ein Glücksfall.

zentral+: Und heute?

Caviezel: Heute hat die Galvanik eine enorm wichtige Rolle im Kanton. Sie ist ganz anders als früher, aber genauso wichtig für die hiesige Kulturszene. Sie deckt den Bereich an jungen Veranstaltern ab, die zu alt sind für die Industrie45, und bietet Zuger Künstlern nach wie vor eine grossartige Plattform. Sie ist für Band-Musiker immer noch die Nummer eins in Zug.

zentral+: Wie war denn das damals, weshalb ist der Verein Durchzug mit der Galvanik in Konkurs gegangen?

Trevisan: Wir haben die Galvanik sechs Jahre lang als privates Kulturzentrum geführt. Konkurs sind wir gegangen, weil die Stadt der IGGZ das Geld nicht zur Verfügung gestellt hat, um die Infrastruktur zu bezahlen, die wir hinterlassen hatten. Das Argument war damals: Die brauchen das Geld ja nur, um ihre Schulden zu zahlen. Das war tatsächlich ihre Argumentation. Wenn wir mit der Kohle nach Bahamas abgehauen wären, das wäre wohl okay gewesen. Aber Schulden zahlen, das ging gar nicht. Also zahlten sie nicht für unser Mobiliar. Den Schaden hatten dann unsere Lieferanten, die bei unserem Konkurs leer ausgingen – die haben so unfreiwillig massive Kulturförderung für die Stadt betrieben (lacht).

zentral+: Eila, wie geht es dir, wenn du das hörst? Hat das mit deiner Galvanik noch etwas zu tun?

Eila Bredehöft: Ich wollte gerade sagen, ich bin froh, dass ich nicht persönlich für die Miete haften muss, wie Trevi das getan hat. Wir haben ganz normale Arbeitsverträge und einen Leistungsauftrag der Stadt und des Kantons: Wir müssen die junge Kulturszene fördern. Das machen wir, indem wir jungen Veranstaltern dabei helfen, hier ihre Partys und Konzerte durchzuführen. Und Zuger Musikern eine Bühne bieten. Das ist eigentlich dasselbe, das Trevi damals gemacht hat.

Trevisan: Das stimmt, nur dass wir uns den Leistungsauftrag selber gegeben haben.

Caviezel: Dadurch wart ihr auch viel freier, als es die Galvanik heute ist. Sie ist eine Institution geworden, das musste sie schliesslich auch, sonst gäbe es sie nicht mehr.

«Weshalb will ein Jugendlicher Partys veranstalten? Erstens wegen des Geldes, und zweitens wegen dem Sex.»

Ermin Trevisan, Galvanik-Mitgründer

zentral+: Es hat sich ja eigentlich umgekehrt: Früher trugen junge Veranstalter das ganze Risiko selber und schmissen den Laden auf eigene Faust – heute hilft die Galvanik jungen Veranstaltern, indem sie ihr Risiko teilweise übernimmt, zum Beispiel mit Defizitgarantien. Da muss die Jugend bei etwas unterstützt werden, was sie früher aus Mangel an Alternativen selber gemacht hat.

Caviezel: Das stimmt, es hat sich umgekehrt. So wie früher wäre das aber heute gar nicht mehr möglich. Dazu fehlen einfach in Zug die Leute – es kommen viel weniger junge Zuger in die Galvanik in den Ausgang, einfach weil Zürich und Luzern so viel näher gerückt sind.

Trevisan: Die Modelle sind gleich. Das Modell der Partnerschaft, das haben wir damals erfunden. Wir waren die Ersten, die das konsequent gemacht haben.

Bredehöft: Klar hätten wir auch gerne jedes Wochenende ein volles Haus, wie Trevi dies hatte. Aber die Zeiten sind einfach anders, heute: Die Jugendlichen gehen viel nach Luzern oder Zürich in den Ausgang, sogar wenn hier dieselbe Band spielt wie in Zürich, gehen sie lieber in die Stadt.

Caviezel: Für die ist dieses Areal hier mit dem öffentlichen Verkehr schwerer zu erreichen als Zürich: Du bist in der Nacht schneller von Zürich am Bahnhof Zug als von diesem Areal aus. Das ist ein Problem.

Trevisan: Nur um das klarzustellen, wir hatten auch nicht jedes Wochenende brechend voll, einfach viel öfter. Das Problem ist, dass während der Umbauphase nichts gemacht wurde und dass nach dem Neuanfang viel zu konservativ programmiert wurde. Deshalb müsst ihr jetzt Partnerveranstalter mühsam aufbauen. Ihr solltet mehr externe Veranstalter haben. Das läuft ja so, ist auch damals schon so gelaufen: Weshalb will ein Jugendlicher Partys veranstalten? Erstens wegen des Geldes und zweitens wegen dem Sex. Damit er vor der Band auf die Bühne stehen kann und alle Mädchen ihn dabei sehen. Es ist so. Und das müsstet ihr mehr ermöglichen.

zentral+: Was sagst du dazu, Eila?

Bredehöft: (lacht) Ich wollte grad widersprechen. Das zieht heute schlicht nicht mehr. Die Veranstalter von Partys sind nicht mehr angesagt: Es ist nicht mehr hip, etwas zu unternehmen. Es geht heute vor allem um den Konsum. Deshalb können wir das Haus nicht so betreiben, wie ihr das damals gemacht habt.

«Wir sind alle mit Herzblut dabei, und mit Vollgas. Wir leben ein Stück weit für die Galvanik, arbeiten viel und hart.»

Eila Bredehöft, Galvanik-Leiterin

zentral+: Sag mal, Trevi, du hast vorher gesagt, du fühlest dich als Vater der Galvanik. Muss man da das Feld nicht einmal der jungen Generation überlassen und sich nicht mehr einmischen?

Trevisan: Das stimmt, aber ich fühle mich nunmal ein bisschen als Papi der Galvanik. Und da sage ich auch, wenn mir etwas nicht passt. Ich kann schon loslassen, darum geht es nicht. Und es ist ja nicht nur Eilas Schuld, dass die Galvanik nicht mehr so ist, wie sie war. Da ist noch ganz anderes passiert. Eigentlich ist alles, was ich will, dass die Galvanik am Wochenende wieder voll ist. Egal mit was für Musik. Das ist das einzige, was wichtig ist.

zentral+: Wie ist es denn mit dem Galvanik-Spirit: Ist noch was da von den jungen und wilden Zeiten?

Bredehöft: Wir sind alle mit Herzblut dabei, und mit Vollgas. Wir leben ein Stück weit für die Galvanik, arbeiten viel und hart. Ich habe zum Glück die ganze Vorgeschichte der Galvanik nicht miterlebt, deshalb konnte ich unbelastet dazustossen. Und hier etwas Neues aufbauen.

Trevisan: Das war sicher ein Vorteil, aber auch ein Nachteil. Denn es ging viel Know-how verloren, als ein Teil des Vorstands der Galvanik rausgeworfen wurde, kurz vor dem Brand, inklusive mir. Dann kam die lange Umbaupause ohne Übergangslösung und das risikoarme Programm, und das ist der Grund, warum ihr weniger Leute habt.

Bredehöft: Die Pause hat sicher einen Anteil daran, da ist eine neue Generation, die wir erst wieder für die Galvanik begeistern müssen. Wir müssen wieder aufbauen. Aber dieses Jahr ist sehr gut gelaufen, und wir sind sehr zuversichtlich. Und wir freuen uns riesig auf das Jubiläum und auf die Feiern.

Trevisan: Aber das ist ja auch so etwas: Wieso zum Teufel habt ihr die Delinquent Habits eingeladen? Wir hatten sie exklusiv in der Schweiz auf ihrer ersten Europatournee, sie waren mittlerweile schon dreimal hier, die sind doch schlicht abgelutscht.

Bredehöft: (schmunzelt) Das war als Hommage an eure damaligen Silvesterpartys gedacht. Man kann darüber streiten, ob das cool ist oder nicht. Wir haben aber eine ganze Reihe von Highlights, CJ-Ramone kommt, Stiller Haas, die «Zuger Szene geht fremd». Aber der wahre Star der Jubiläumsfeier sind überraschenderweise die «Vengaboys». Grottenschlechte Band, aber der Star in den 90ern – und die ganze Stadt spricht heute darüber.

 

Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit dem Magazin «Zug Kultur» entstanden. Er erscheint gleichzeitig hier auf zentral+ und im Monatsmagazin «Zug Kultur» in der Dezemberausgabe.

Themen
Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon