«Schnapsfahne» und «Schissigässli»: Rohit, der Wahlbaarer indischer Abstammung, lernt an seinem ersten SchmuDo ganz neue Ausdrücke.
Der Wecker klingelt unerhört früh. 3.50 Uhr, auf gehts, die Zuger Chesslete ruft. Damit die Sache etwas spassiger wird, kommt auch Rohit mit. Der Inder lebt seit wenigen Jahren im Kanton Zug. Es ist sein erstes Zuger Fasnachtserlebnis.
Als er zwölf Stunden zuvor gefragt wird, ob er mitkommen mag, hat er sogleich zugesagt. Vom Holdrio und der Feuerwehr-Verkleidung ahnte er da allerdings noch nichts.
Rein also in den Kulturschock. Um 4.20 Uhr des Schmutzigen Donnerstags sitzen wir frohen Mutes, offenen Geistes, mit Journi-Hut und Feuerwehrhelm mit einer Menge weiterer Fasnächtler im Bus Richtung Zuger Fasnachtsplausch. «Es ist beeindruckend zu sehen, dass so viele Leute so früh bereits aus allen Gemeinden nach Zug fahren für den Anlass», konstatiert der Wahlbaarer.
Der Landsgemeindeplatz wirkt bei unserer Ankunft, eine halbe Stunde vor Tagwache, noch ziemlich verschlafen. So lange, bis sich die Türe zu einem der Bar-Wagen öffnet, und lauter Schlager der stillen Nacht ein Ende setzt.
Der Bär steppt etwas gar früh
Auf den wenigen Quadratmetern im rauchverquollenen Wagen steppt der Bär. Rohit, der derzeit eifrig Deutsch lernt, lernt sogleich ein neues Wort: «Schnapsfahne». Für uns noch sehr nüchternen Frühaufsteher ist es dafür noch etwas zu früh, weshalb wir rechtsum kehrt machen und stattdessen einem Gratis-Kafi «ohni» und einem freundlicherweise gesponserten Gipfeli widmen. Auffällig gut gelaunt sind hier alle. Darunter auch Thomas I., der ehemalige Letzibutzäli-Prinz, der mit uns zu plaudern beginnt. Als er hört, dass Rohit hier gerade seine erste Zuger Fasnachtserfahrung macht, greift sich Thomas der I. in die Hutkrempe und wirft Konfetti in die Luft.
Der Platz füllt sich, Guggenmusiken bringen sich in Stellung, ältere Semester suchen sich eine Sitzgelegenheit nahe der Bühne. Rohit blickt um sich, und sagt: «Ich verstehe ja, warum man für diesen Anlass so früh aufsteht und sich verkleidet. Was ich jedoch nicht verstehe, sind die kunstvoll geschminkten Gesichter. So kann man doch nicht schlafen.»
Das Geheimrezept: Man schläft nicht
Wir verraten ihm das Geheimrezept eines jeden hartgesottenen Fasnächtlers: Man schläft nicht. Wer etwas auf sich hält, kommt direkt vom Fasi-Ball an die Tagwache. Womit auch das Rätsel um die frühmorgendliche Angesäuseltheit vieler Besucher geklärt wäre.
Punkt 5 Uhr, es geht los: Die Guggenmusigen läuten, respektive tröten den Tag ein, langsam tanzen sich die Fasnachtlerinnen warm. Es klingt, wie Fasnacht klingen muss. Ein wenig laut, ein wenig schräg, dafür voller Inbrunst. Dass sich die Musiker so wacker halten und den Rhythmus selbst nach durchzechter Nacht und in angeheitertem Zustand nicht verlieren, vermag Rohit zu beeindrucken.
Auf unserem Weg durch die Menge begegnen wir auch den ehrwürdigen Vertretern der Schissigässlizunft (zentralplus berichtete). Geduldig erklärt der Ex-Zunftvater Remo Rohit, was es mit dem Zuger Schissigässli auf sich hat, der «Gasse, die jedes Zuger Schulkind kennt und lustig findet». Natürlich ist neben dem Ex-Zunftvater auf das Zunftpaar – Laura I. die Einheizende und Peter I. der Energiesparende – auf Platz. «Schissigässli», ein weiteres wichtiges Wort in Rohits Deutsch-Wortschatz. Der Inder ist amüsiert.
Wir kommen nicht mehr länger drumherum: Zum ganzheitlichen Erlebnis gehört auch der Genuss eines Holdrios – also Hagenbuttentee mit Schnaps und Zucker. Rohit nippt daran, reisst die Augen auf. Begeisterung sähe anders aus. Deutlich begeisterter sind Journalistin und Feuerwehrmann vom Frühstück, das im Rathauskeller nach der Tagwache serviert wird. Warme Füsse, gutes Brot, leckere Confi. So ist sie ganz nett, diese Zuger Chesslete.
- Besuch der Zuger Chesslete