Unterwegs als virtueller VBL-Chauffeur

So schräg wird die Stadt Luzern in Games gezeigt

Wer kennt sie nicht? Die berühmte Felsenkirche direkt neben dem Nölliturm und die geheime Holzbrücke direkt gegenüber? (Bild: Youtube-Screenshot NPlay/ TML-Studios)

Luzern als Schauplatz von Videogames? Das gibt's! Wir haben den PC und die Spielkonsole angeworfen, um uns anzuschauen, wie die Leuchtenstadt virtuell daherkommt. Eine Reise voller Zerstörung und Blechschaden – und gepflegter Langeweile.

Ich mag Videogames. Zwar spiele ich sie nicht mehr so oft wie in Teenagerjahren, aber auch heute noch erkunde ich gerne mit Lara Croft versunkene Ruinenstädte, bekämpfe in «Skyrim» feuerspeiende Drachen und grusle mich in den Strassen der nebelverhangenen Stadt «Silent Hill». Umso überraschter war ich, als ich im Playstation-Store plötzlich über den Begriff «Luzern» gestolpert bin. Tatsächlich, meine Heimatstadt hat ein virtuelles Pendant im Simulations-Game «Train World Sim 2» bekommen.

Die Schweiz und Videospiele führen keine besonders innige Beziehung – und das, obwohl vermehrt Entwickler aus hiesigen Gefilden grosse Leistungen vollbringen. So beispielsweise der Luzerner Michel Ziegler, der mit seinem folkloristischen Gruselspiel «Mundaun» international für Furore sorgte (zentralplus berichtete). Es hapert bei der Schweizer Förderung und damit auch beim Vertrauen in die Branche. Obwohl die internationale Videospielindustrie mittlerweile lukrativer geworden ist als die weltweite Filmindustrie (zentralplus berichtete).

Das Luzerner Schauerspiel «Mundaun» ist eines der wenigen Schweizer Games, die international Beachtung fanden. (Bild: Michel Ziegler / Hidden Fields)

Umso erstaunlicher ist es dann, wenn die Schweiz – und Luzern im Besonderen – plötzlich als Spielfläche in Games auftaucht. Für die ganz grosse Bühne hat es der Leuchtenstadt in der Gamewelt (noch) nicht gereicht, dafür präsentiert sich das Videospiel-Luzern in Kombination mit etwas Urschweizerischem: mit dem Verkehr.

In den vergangenen Jahren wurde Luzern Schauplatz von gleich drei Verkehrssimulationen. Ich habe sie genauer angeschaut. Dabei bin ich durch drei verschiedene Varianten von Luzern gereist – vom sehr genauen Ebenbild bis zur Fantasy-Stadt.

Unterwegs auf der Zugstrecke von Luzern nach Sursee

Die Schweiz hat unzählige Zugstrecken, die eine bombastische Aussicht garantieren. Der Abschnitt von Luzern nach Sursee gehört meiner Meinung nach nicht dazu. Trotzdem haben die Entwickler von Rivet Games aus dem schottischen Stirling genau diese Strecke für eine Erweiterung ihres «Train Sim World 2» ausgesucht.

«Wir haben viele Anfragen nach einer Zentralschweiz-Route bekommen.»

Colin Macdonald, Rivet Games

Also frage ich bei Rivet Games nach. Colin Macdonald, der Commercial Director, schreibt: «Die Schweiz ist ein wunderschöner Teil der Welt und für seine Zugstrecken bekannt.» Und weiter: «Wir haben viele Anfragen nach einer Zentralschweiz-Route bekommen.» Die Strecke von Luzern nach Sursee habe sich angeboten, weil sie eine schöne Umgebung und spannende Gameplay-Möglichkeiten bot. Ausserdem sei der RABe 523-Zug – also die S-Bahn – ein sehr beliebter Zug.

Verblüffende Details in der S-Bahn

Ich schmeisse meine PS5 an und bin überrascht. Die Grafik des Spiels wirkt zwar etwas steril, macht aber was her und der Detailgrad, sei es bei der S-Bahn oder bei der Umgebung, ist verblüffend. Die Sitzpolster und Plakatrahmen im Zug versprühen sofort Pendler-Feeling.

Der Luzerner Bahnhof präsentiert sich zwar etwas steril, dafür verblüffend detailliert.
Der Luzerner Bahnhof präsentiert sich zwar etwas steril, dafür verblüffend detailliert. (Bild: Screenshot / Rivet Games)

Am Luzerner Bahnhof kann man sich sogar in einem begrenzten Rahmen frei bewegen. Hier stimmt zwar nicht alles – es fehlen einige Geschäfte, die grosse Anzeigetafel, Ausgänge und jenseits des Torbogens blockieren zahlreiche Bäume den Blick auf den See. Aber diese kreative Freiheiten sind vertretbar. Vor allem, wenn man sie mit anderen Interpretationen vergleicht, wie sich später zeigen wird.

Wie realistisch die Simulation in Bezug auf Fahrverhalten und Streckentreue tatsächlich ist, kann ich nicht beurteilen. Liest man sich die Kommentare bei «Let's Play»-Videos durch, finden Hardcore-Zug-Fans und reale Lokführer zwar einige Kritikpunkte. Man scheint sich aber darüber einig zu sein, dass hier mit viel Aufwand an die Sache herangegangen wurde.

Die SBB mischen beim Game mit

Der hohe Detailgrad hatte für die Entwicklerinnen seinen Preis. Wie Colin Macdonald schreibt, analysiert das Team grundsätzlich jede Strecke vor Ort, besucht jede Haltestelle, macht Tausende von Fotos und Referenzbildern und holt sich weitere Informationen aus dem Internet. Damit die optischen und technischen Details der Züge stimmen, arbeiten sie eng mit den SBB zusammen. «Die SBB haben uns dabei geholfen, das Zugmodell und die Lackierung so genau wie möglich zu gestalten.»

So präsentiert sich Gleisfeld des Luzerner Bahnhofs im Spiel «Train World Sim 2». Links im Bild das Gebäude des Kino Capitol.
So präsentiert sich das Gleisfeld des Luzerner Bahnhofs im Spiel «Train World Sim 2». Links im Bild das Gebäude des Kino Capitol. (Bild: Rivet Games)

Denn nichts weniger wird von den Zugfans bei einer Simulation erwartet. Damit auch alles seine Richtigkeit hat, wird das virtuelle Modell noch einmal der SBB präsentiert. «Die SBB hat (…) das Gut zur Ausführung abgenommen», bestätigt Mediensprecherin Sabrina Schellenberg auf Anfrage.

Der Abschnitt zwischen Luzern und Sursee ist übrigens nicht die einzige Schweizer Strecke, die Spielerinnen in «Train Sim World 2» befahren können. Auch die Arosalinie zwischen Chur und Arosa hat es in das Game geschafft. Inklusive Schneegestöber.

Wenn du wissen willst, wie das Team von Rivet Games die Strecke Luzern-Sursee programmiert hat, findest du hier ein Video dazu.

Mit dem Flixbus nach Luzern

Den Schienen zu folgen, ist eine Sache. Ich suche aber nach etwas mehr Freiheit und wechsle darum auf die Strasse. Dafür werfen wir einen Blick auf die 2018 erschienene Erweiterung «Österreich & Schweiz» für das aus Deutschland stammende PC-Spiel «Fernbus Simulator».

Jüngst hat der deutsche Youtuber Paluten seinen rund 4,6 Millionen Followern gezeigt, wie man im «Fernbus Simulator» virtuell mit einem Flixbus von Freiburg im Breisgau nach Luzern kommt. Dass er dabei so ziemlich alle Verkehrsregeln bricht und gerne auch mal ins Grüne fährt und seine Passagierinnen beinahe zum Erbrechen bringt, lassen wir an dieser Stelle mal aussen vor.

An der Stadtgrenze – wo Paluten gleich das Ortsschild «Luzern» umfährt – lernen wir als Luzerner allerhand Neues über die Geografie unserer Stadt. Dass die Autobahn nach einem Waldstück direkt in die Stadt führt – und zwar zum Nölliturm – ist noch zu verkraften, man landet schliesslich dauernd auf der falschen Stadtseite. Oder? Dass aber eine Holzbrücke vom Nölliturm, der hier übrigens neben einer antiken Kirche steht, über die Reuss auf die andere Stadtseite führt, ist da schon fragwürdiger.

Wer kennt sie nicht? Die berühmte Felsenkirche direkt neben dem Nölliturm und die geheime Holzbrücke direkt gegenüber? (Bild: Youtube-Screenshot NPlay/ TML-Studios)

Die geografisch stark komprimierte Stadt verliert in den wenigen befahrbaren Strassen dann auch jeglichen Wiedererkennungswert – bis man das Bahnhofsgelände erreicht. Hier präsentiert sich der geneigten Luzernerin eine erkennbare, aber auch recht freie Interpretation des KKL und des Bahnhofs samt Bushaltestellen. Inklusive altem Torbogen. Und einem fiktiven, mehrstöckigen Reisebüro.

Unsere Carfahrt endet geografisch korrekt hinter der Uni – hier die «Bücherei Hirtenfeller» gennant – auf den Carplätzen beim Inseli, wo wir aussteigen und die wunderbare Bergwelt bestaunen können, die sich im virtuellen Luzern drohend um die ganze Stadt erhebt, als wäre sie in einen riesigen Vulkankrater geworfen worden. Na, das wäre mal ein spannendes Setting! Wie es übrigens zu der freien Interpretation der Leuchtenstadt gekommen ist, bleibt vorerst ein Geheimnis. Eine Anfrage an das Entwicklerstudio TML-Studios blieb bisher unbeantwortet.

Die amüsante Irrfahrt des Youtubers «Paluten» siehst du hier in seinem Video. Luzern erreicht er ab Minute 9:

«Hochspannung» auf der Buslinie 24 nach Meggen

Wem eine halsbrecherische Fahrt über deutsche Autobahnen zu stressig ist, der kann sich sonst auch in einem Add-on des Games «OMSI 2» (steht für «Omnibus Simulator») als Busfahrerin der VBL versuchen. Und zwar auf der Linie 24 von Luzern nach Meggen. Wie schon der Fernbussimulator stammt auch «OMSI 2» aus Deutschland.

Trotz schwächerer Grafik wirkt Luzern in «OMSI 2» ziemlich realistisch.
Trotz schwächerer Grafik wirkt Luzern in «OMSI 2» ziemlich realistisch. (Bild: Youtube-Screenshot NPlay/ SimGames / Aerosoft)

Die Grafik ist angestaubt – das Spiel kam 2017 auf den Markt und hatte definitiv kein millionenschweres Budget – aber die Dimensionen und die Detailtreue der Gebäude überraschen. Hier haben sich die Entwickler einige Mühe gegeben. Das, was wir hier von Luzern sehen, stimmt. Einzig das Haltestellen-Icon ist auf den deutschen Markt zugeschnitten. Auch mit der Rechteabklärung haben es die Entwickler nicht ganz so genau genommen.

Denn auf die Frage, inwiefern die VBL in den Entwicklungsprozess des Spiels involviert war, sagt Mediensprecher Sämi Deubelbeiss kurz und knapp: «Gar nicht.» Auf das Game seien sie trotzdem vor einiger Zeit gestossen – und haben Gnade walten lassen. Die VBL habe «nie eine Rechnung für Lizenzen oder sonstiges verrechnet».

Beinaheerfolg für Luzern als Rennspielkulisse

Vor einigen Jahren stand Luzern kurz vor einem internationalen Durchbruch in der Game-Welt. Als 2010 ein Trailer zum Rennspiel-Blockbuster «Gran Turismo 5» erschien, war die Vorfreude gross. Darin ist neben Bern und zahlreichen internationalen Städten auch Luzern mit diversen Sehenswürdigkeiten zu sehen. Chefentwickler Kazunori Yamauchi gilt nachweislich als Fan der Stadt Luzern.

Schnell keimte die Hoffnung auf, das renommierte japanische Entwicklerstudio Polyphony Digital würde die Stadt als spielbare Rennstrecke einbauen. Nach dem Release des Spiels kam dann die Ernüchterung: Keine der fahrbaren Strecken führte durch die Leuchtenstadt. Immerhin aber konnte man seine Rennautos vor einer penibel nachgebauten Kulisse Luzerns (und Berns) im Spiel ablichten.

Etwas Ruhe darf sein

Atemlose Spannung bietet keines der drei Simulationsspiele. Das ist bei diesem Genre ja auch nicht der Sinn der Übung. Der ganz grosse Fan bin ich zwar nicht geworden, aber einen gewissen Unterhaltungswert und entfachten Entdeckungsdrang kann ich den Spielen definitiv nicht absprechen.

Denn zwischen all den Erkundungstrips mit Lara Croft, dem Niedermähen von Zombies und der ewigen Hüpferei eines Super Marios tut es manchmal auch einfach gut, gemütlich durch die hiesige Landschaft zu tuckern und virtuell seinen eigenen Arbeitsweg abzufahren.

Verwendete Quellen
  • Schriftlicher Austausch mit Colin Macdonald, Rivet Games
  • Schriftlicher Austausch mit Sabrina Schellenberg, SBB
  • Eigene Spielerfahrungen
  • Schriftlicher Austausch mit Sämi Deubelbeiss, VBL
  • Youtube-Video von Paluten
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1 Kommentar
  • Profilfoto von Hanspeter Flueckiger
    Hanspeter Flueckiger, 29.09.2022, 08:41 Uhr

    Das Gebäude des Kino Capitol nennt man übrigens Cervelat-Palast. Dann weiss auch die hinterste und letzte Bratwurst, welches Gebäude gemeint ist.

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