Der 28-jährige Timo Engel leitet die «Nürburgring eSports»-Bar in Kriens. Hier sollen Gäste sich in virtuellen Rennen messen können. (Bild: mik)
In Kriens hat in der Nähe des Mattenhofs eine in Luzern einzigartige Bar eröffnet. «Nürburgring eSports» will virtuelle Rennen mit einer Sportbar verbinden – und damit nicht nur Autofans ansprechen.
Früher wurden im Laden im Erdgeschoss der Sternmatt 6 in Kriens Haare geschnitten und Kaffee getrunken. Kaffee gibts zwar noch immer. Nur sausen nicht mehr Scheren durch die Mähnen der Kundinnen, sondern Boliden über die Rennstrecke. Denn Mitte Dezember hat «Nürburgring eSports» seine neueste Lounge in der Luzerner Agglomeration eröffnet. Noch müssten die Leute den Ort erst entdecken, wie Filialleiter Timo Engel bei einem Besuch sagt.
Die Bar ist etwas versteckt. Zwar prangt am Gewerbegebäude ein grosses Schild, doch im Innern würde man glatt daran vorbeilaufen, wenn nicht die offene Tür den Blick auf einen riesigen Bildschirm mit Bestzeiten verschiedener Kunden freigibt. Noch gebe es einiges zu tun, räumt der 28-Jährige ein. Trotzdem hätten sich bereits einige Gäste in Rennen gemessen.
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Herzstück der Lounge sind die acht Simulatoren, die für den Laien wie eine Art Achterbahnsitz aussehen – wären da nicht die drei Bildschirme und das Steuerrad davor. Jeder einzelne von ihnen kostet rund 55’000 Franken.
Ein stolzer Preis, doch das Unternehmen wolle auf dem neuesten Stand der Technik bleiben. Die Simulatoren sollten das Fahrerlebnis möglichst gut nachbilden. «Wenn der Fahrer aggressiv in eine Kurve fährt und die Hinterräder die Haftung verlieren, spürt er sie wegrutschen. Und wenn er irgendwo reinbrettert, schüttelt es ihn ordentlich durch», beschreibt Engel.
Durchgeschüttelt wie im 4D-Kino
Gesagt, getestet. Und tatsächlich: Während ich mit Kopfhörer über den Ohren im Stuhl sitze, fühle ich mich auf einer Rennstrecke. Drücke ich auf das Gaspedal, dröhnt in den Ohren der Motor, und ich spüre eine Vorwärtsbewegung. Touchiert der virtuelle Wagen die rot-weiss gestreiften Curbs, rumpelts unter dem Po. Und ja, braust man zu schnell in die Kurve und landet in der Streckenbegrenzung, schüttelt der Stuhl wie auf einer kurvigen Achterbahn oder der Kampfszene in einem 4D-Film.
Während ein fremder Mann – wohl das virtuelle Boxenteam – unverständliche Anweisungen über Funk gibt, versuche ich, den Wagen aus dem Sand zu manövrieren. Zu meinem Unglück ist dessen Physik ebenfalls realistisch simuliert: Ich gebe zu viel Gas, die Räder drehen durch, das Steuerrad gleitet mir aus den Händen, und das ganze Auto dreht sich.
Bei den nächsten Kurven bin ich schon geübter, doch je nach Tempo kostet Bremsen und Lenken ordentlich Kraft. Auf dem Bildschirm leuchten verschieden Balken und Zahlen, die ich kaum wahrnehme. Später wird mir erklärt, dass diese etwa die Reifentemperatur oder die durchschnittliche Rundenzeit angeben. Nach einigen Runden steige ich aus, im ersten Moment schwankt der Boden noch etwas. Fazit: Grafisch lässt die Simulation zwar zu wünschen übrig – das macht jedoch das Fahrgefühl wett.
Wie eine Fahrt im Sitz aussieht, demonstriert Filialleiter Timo Engel:
«Nürburgring eSports» – der Name ist Programm
Am Ende der Fahrt erscheinen auf den Bildschirmen verschiedene Rundenzeiten und eine Punktzahl, die je nach Fahrt dem eigenen Profil hinzu- oder abgerechnet werden. Dadurch bekommen die verschiedenen Fahrer einen Rang, damit sie sich gegenseitig vergleichen können, auch wenn sie nicht direkt gegeneinander fahren, so Engel.
Denn «Nürburgring eSports» will eine kompetitive Gemeinschaft ansprechen und aufbauen. Dafür organisiert das Unternehmen regelmässig interne Wettkämpfe, für die sich Fahrerinnen anmelden können. Alle drei bis vier Wochen treten die Teilnehmer in gleichzeitig stattfindenden Rennen an ihrem lokalen Standort an. Sprich: Die Krienser Fahrer messen sich mit Fahrerinnen in Zürich, Roche, im deutschen Koblenz und mit jenen direkt am Nürburgring.
Letzteres ist kein Zufall: Ursprünglich startete das Unternehmen als Lounge direkt neben der Rennstrecke in Deutschland. Damit Besucher dort ihren Tag ausklingen oder virtuell noch eine Runde über die Nordschlaufe drehen können. Von dort expandierte «Nürburgring eSports» weiter. «Nicht jeder hat die Zeit oder die Möglichkeit, diese legendäre Rennstrecke vor Ort zu sehen. So bringen wir die Strecke zu den Leuten», erklärt Engel.
Die Verbindung zur Strecke zeigt sich auch in den lokalen Ablegern: Gewinnen können die Wettkampfteilnehmer etwa Merchandise wie Pullis, als Hauptpreise winkten auch schon eine Fahrt auf dem echten Nürburgring oder VIP-Tickets für ein 24-Stunden-Rennen.
Unternehmen hat grosse Pläne
Dementsprechend hart umkämpft seien die vorderen Ränge bei den Wettkämpfen, so Engel. «Wir haben Fahrer, die sind praktisch an allen Rennen dabei. An den einzelnen Standorten bilden sich richtige Communitys.» Gleiches erhofft er sich auch für Kriens.
Den Standort hat Geschäftsführer Ferdinando D’Apice nicht per Zufall ausgewählt, wie dieser auf Anfrage ausführt: Die Sternmatt in Kriens sei zentral gelegen, gut mit dem Verkehr angebunden und biete eine Zielgruppe, die sich für «innovative Freizeitangebote» interessiere. Kostenpunkt für das Vergnügen: 25 Franken für eine zehnminütige Testfahrt, 85 Franken für einstündige Rennen.
Das Angebot scheint anzukommen, gemäss D’Apice ist das Unternehmen auf Expansionskurs. In der Schweiz seien Standorte in Lugano, Basel und Genf in den Startlöchern, in Deutschland in Saarbrücken. Bis Ende 2025 soll es mehr als zehn Standorte von «Nürburgring eSports» geben.
Nicht nur Rennfans sollen auf ihre Kosten kommen
Dabei wolle die Bar nicht nur Gaming- oder Motorsportenthusiasten ansprechen – obwohl die Lounges vor allem junge Männer anziehen würden, wie Engels und D’Apice einräumen. Unter ihrer Kundschaft befänden sich auch Autofans, die im Winter nicht mit ihren eigenen Autos herumkurven könnten, Familien, die mit ihren Kindern kämen, Freundesgruppen, die gemeinsam einen Freizeitausflug machten oder ältere Autohändler, die etwas Neues ausprobieren wollten.
Selbst Timo Engel war kein F1-Fan oder Barbetreiber, sondern gelernter Chemielaborant, der in seiner Freizeit gerne Flugsimulatoren spielte. Aber auch Gamingmuffel oder weniger schwindelfreie Personen sollen in der Lounge auf ihre Kosten kommen. Nebst den Simulatoren und den Events will das Unternehmen auch eine Sportbar und ein lokaler Treffpunkt sein. Tische und Sofas laden zum Verweilen ein, an einer Bar gibts Softgetränke sowie Bier, Wein und Cocktails. Künftig will Engel zudem kleinere Snacks wie Pizza oder Nachos anbieten.
Dazu will er regelmässig verschiedene Sportevents zeigen. Nebst Formel-1- oder Gran-Tourismo-Rennen beispielsweise auch Fussball oder Skirennen. Für die kommende Frauenfussball-Europameisterschaft könnte er sich etwa vorstellen, ein Public Viewing zu organisieren. Aber das ist Zukunftsmusik. Zuerst sollen sich die Krienser Startplätze für die nächste Championship füllen.
Schreibt über alles, was Luzern und Zug aktuell beschäftigt. Im ländlichen Luzern aufgewachsen, hat sie beim «Entlebucher Anzeiger» ihre Begeisterung für Lokaljournalismus entdeckt. Nach einem Studium in Medienwissenschaften und Englisch ist sie seit September 2021 bei zentralplus. Nebenbei absolviert sie derzeit die Diplomausbildung Journalismus am MAZ.