Viele Eltern überschätzen ihre Kinder

Ertrinken im Zugersee: Gut schwimmen können ist nicht genug

Offene Gewässer sind für viele Kinder, die im Hallenbad schwimmen gelernt haben, eine Herausforderung. (Bild: zvg)

Mit dem heissen Wetter häufen sich die Badeunfälle. Jährlich ertrinken rund 50 Menschen in den Schweizer Gewässern. Gut schwimmen können alleine hilft dabei noch nicht gegen Unfälle. Der Bademeister aus dem Strandbad Zug gibt Auskunft.

Sobald die Temperaturen ansteigen, locken die Gewässer mit einer Abkühlung. Und dieses Jahr war das Bedürfnis nach Abkühlung besonders früh da. Der warme Mai hat viele dazu gebracht, sorglos ins kühle Wasser zu springen. Aber spätestens seit dem tödlichen Unfall eines vierjährigen Mädchens im Freibad Baar sind Badeunfälle wieder ein Thema (zentralplus berichtete).

Doch was ist ausschlaggebend, um sich vor dem Ertrinken zu schützen? Und was heisst es, eine gute Schwimmerin zu sein? Die Schweizerische Lebensrettungs-Gesellschaft SLRG gibt an, dass sich die aktuelle Anzahl der Unfälle im durchschnittlichen Normbereich befindet. Allerdings verstärken die Hitze und die vielen Wasserratten die Gefahrenlage klar.

Das merkt man auch im Strandbad Zug. Dort hat Bademeister Alois Ulrich alle Hände voll zu tun. Vor allem nach Feierabend sei das Strandbad jeweils voll. «Es hat in diesen heissen Tagen sicherlich viel mehr Leute im Wasser als gewöhnlich. Die Wahrscheinlichkeit, dass etwas passiert, ist da natürlich grösser», sagt Ulrich.

Ambulanz war in einer Woche dreimal im Strandbad Zug

Im Durchschnitt wird die Ambulanz nur zwei- bis dreimal pro Jahr ins Strandbad Zug gerufen. Umso erstaunlicher ist es, dass sie letzte Woche gleich dreimal im Strandbad vorfuhr. Am Freitag und Sonntag kam es insgesamt zu drei Unfällen. Darunter war ein Mann, der im Wasser einen Schwächeanfall erlitt und ein Junge, der sich beim Sprung vom Sprungturm seine Schulter auskugelte.

Für den Bademeister Alois Ulrich sind das bekannte Unfallorte. Dass der Körper bei der Hitze rebelliere, was in einem Schwächeanfall enden kann, sei an sich nicht überraschend. Es kann dabei allerdings sehr schnell zu einer Notsituation kommen, wenn die Personen nicht rechtzeitig bemerkt werden. Ihnen droht dann gar das Ertrinken.

«Viele Kinder schwimmen sehr schlecht, zum Teil noch im Hundeschwumm.»

Alois Ulrich, Bademeister Strandbad Zug

Auch der Sprungturm ist eine klassische Gefahrenquelle. «Bei den Jungen sieht man oft, dass sie die Kunststücke der Freunde nachmachen wollen. Auch wenn sie nicht so gut schwimmen können oder sich im Wasser nicht so wohl fühlen», erklärt Ulrich. Das führe dann dazu, dass Kinder und Jugendliche sich überfordern.

Viele Eltern überschätzen die Fähigkeiten ihrer Kinder

Viele Vorfälle sind denn auch die Folge einer Überschätzung der Schwimmkenntnisse. «Viele Kinder schwimmen sehr schlecht, zum Teil noch im Hundeschwumm. Die Eltern haben aber das Gefühl, dass sie gut schwimmen können, weil sie im Schwimmkurs waren», sagt Ulrich. Dieses Problem sei besonders im letzten Jahr augenfällig geworden, weil viele Kurse wegen der Pandemie abgesagt wurden.

Aber auch Kinder, die den Schwimmkurs besuchen, seien in offenen Gewässern schnell überfordert. «Viele Kinder schwimmen im Hallenbad gut. Dort können sie den Boden sehen und sich schnell am Rand festhalten. Im See ist das aber nicht so gut möglich», führt Ulrich aus. Einige Eltern könnten es dann kaum glauben, wenn ihre Kinder aus dem Wasser geholt oder zurückgepfiffen würden.

«Wenn ich Personen mit Alkohol sehe, gehe ich jeweils vorbei und sage ihnen, dass es für sie kein Baden mehr gibt.»

Hinzu komme die Ausdauer. Gerade Kindern würde die Kondition fehlen, um länger zu schwimmen. Als Bademeister pfeift Ulrich darum alle Personen vom tiefen Wasser zurück, die sich nicht ans Wasser gewöhnen können. Konkret heisst das, wenn zum Beispiel jemand Angst zeigt, den Kopf unter Wasser zu halten, nervös wird oder unsicher wirkt.

Gewisse Vorteile hat die Hitze aber doch

Hitze hin oder her, gewisse Vorteile habe das warme Wetter. «Gewöhnlich sind besonders Streckenschwimmer gefährdet. Wenn sie zu lange im Wasser sind, können sie sich unterkühlen», sagt Ulrich. Das sei derzeit aber kein Problem, da das Wasser so warm sei.

Auch Erwachsene seien weniger betroffen. Nur wenige würden auf den Sprungturm und die meisten würden nicht ins tiefe Wasser gehen, wenn sie nicht so gut schwimmen könnten. Und auch der Umgang mit Alkohol sei vernünftig im Strandbad. «Wenn ich Personen mit Alkohol sehe, gehe ich jeweils vorbei und sage ihnen, dass es für sie kein Baden mehr gibt», sagt Ulrich. «Das komme aber eher selten vor. Nur wenige gehen alkoholisiert ins Wasser», ergänzt er.

Verwendete Quellen
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3 Kommentare
  • Profilfoto von Hegard
    Hegard, 22.07.2022, 20:20 Uhr

    Wenn Eltern meinen,die Verantwortung den Bademeistern zu überlassen, find ich das Verantwortungslos Kinder sind unberechenbar,es ist auch schon ein Kleinkind in einem 30 cm tiefen Teich ertrunken.
    Auch der beste schwimner kann ein Krampf oder sonst Gesundheitliche leiden während des Schwimmens bekommen. Darum habe ich nachgedacht,ob auch beim Flusschwimmen eine Schwimmboe
    nützlich sein könnte.

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  • Profilfoto von Karl-Heinz Rubin
    Karl-Heinz Rubin, 21.07.2022, 04:31 Uhr

    *Bitte dies nicht anzuwenden.*
    Schwimmen ist Erfahrung und gelerntes.
    Alles andere ist Selbstüberschätzung von Eltern und Kindern.
    Kinder gehören beobachtet..
    Handy gehört weggelegt.
    Und der Bademeister ist nicht verantwortlich ob Ihre Kinder schwimmen können oder nicht.
    Auch Schwimmkurse sind kein Freipass…
    Schwimmen muss geübt werden.
    Scheinbar braucht es evtl. einen Kurs für Eltern » wie passe ich auf meine Kinder auf».
    Und bitte liest die Verhaltensregeln beim Schwimmen.
    Kopf hoch und Ruhe bewahren ist definitiv lebensbedrohlich.

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  • Profilfoto von Hegard
    Hegard, 20.07.2022, 19:40 Uhr

    Viele kommen Inn Panik und paddeln wie verückt und werden dadurch schnell Müde.
    Man muss den Kindern die Angst nehmen ,indem man Sie trainiert, mit langsamen Bewegungen den Kopf Obererhalb des Wasser zu halten und damit die Angst vor Ertrinken vergisst.
    So können Sie einen See überqueren.

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