SVP Zug verlangt Austritt aus OECD

«Freistaat Zug» als Retter der Schweiz?

Wird der Kanton Zug – wie Bayern in Deutschland – bald ein Freistaat im Herzen der Eidgenossenschaft? (Bild: Fotalia / Montage zentralplus.ch)

Der Kanton Zug soll eine Standesinitiative beim Bund einreichen, fordert die SVP. Das Ziel: Der rasche Austritt der Eidgenossenschaft aus der OECD. Und die Schaffung eines «demokratischen Freistaates Zug» zur Rettung der Schweiz.

Man beachte die Wortwahl: «Der Kanton Zug als demokratischer Freistaat im Herzen der Schweizerischen Eidgenossenschaft kann dazu berufen sein, der Schweiz zu helfen, aus dem selbst gewählten Gängelband der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hinauszufinden», schreibt die SVP-Fraktion in ihrer neusten Motion.

Mit einem «zunehmenden Herrschaftsanspruch» würden die OECD-Funktionäre aus Paris in die Schweizer Rechtsordnung hineinreden. Und die zuständigen Personen in der Schweiz würden früher oder später als «gelehrige, unterwürfige und gehorsame Vasallen» genau das tun, was die OECD wolle, schreibt die Zuger SVP.

«Totalitarismus»

Die Unternehmenssteuerreform III sei eines der Beispiele, welche die Souveränität der Kantone beschneide und den Kanton Zug zu schwächen drohe. «Der mit totalitärer Perfektion vorangetriebene internationale Datenaustausch in Steuerfragen ist für die Volkspartei ein weiteres Beispiel», so die Partei, die sich zur Untermauerung auch noch auf den früheren Papst Joseph Ratzinger beruft. Ein Dorn im Auge ist der SVP auch die neuste Kritik der OECD an den Direktzahlungen.

Der Grund für die Kritik an der Landwirtschaftspolitik: Die Schweizer Bauern spürten zu wenig, was der Markt verlange, argumentieren die OECD-Experten, bezahlen müssten das die Konsumenten und die Steuerzahler.

Deshalb gibt es für die SVP Zug nur eines: Die Schweiz müsse auf den schnellstmöglichen Termin austreten aus dieser Organisation, und der Kanton Zug soll dies mit einer Standesinitative anregen.

Schweiz wird oft kritisiert

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ist eine Internationale Organisation mit 34 Mitgliedstaaten, zumeist Industriestaaten, die sich der Demokratie und der Marktwirtschaft verpflichtet fühlen. Die OECD kann zwar lediglich Empfehlungen abgeben, ihre Kritik wird aber ernst genommen. In den letzten Monaten wurde die Schweiz wegen ihrer Landwirtschaftspolitik, Steuerfragen, wegen der vergleichweise tiefen Beteiligung der Frauen am Arbeitsmarkt und den schlechteren Chancen auf höhere Bildung von Kindern aus armen Verhältnissen oder mit Migrationshintergrund kritisiert. (mbe)

Die Motion kommt nächste Woche ins Zuger Kantonsparlament. Dieses entscheidet, ob der Vorstoss an die Regierung überwiesen wird. Wenn Ja, muss die Regierung eine Antwort ausarbeiten. Wenn eine Zweidrittelmehrheit Nein sagt, ist die Sache vom Tisch. Das könnte durchaus passieren: Der Idee aus der SVP weht bereits jetzt ein rauer Wind entgegen, wie eine Umfrage bei den Parteien zeigt.

SP: «Absurd»

«Die SVP versucht mit allen Mitteln, die Instrumente der Völkerverbindung und Völkerabsprachen zu sprengen. Selbstverständlich könnte die Schweiz aus diesen Vereinbarungen aussteigen», sagt SP-Kantonsrat Hubert Schuler auf Anfrage. Die Konsequenzen wären gravierend, findet er. «Ich bin mir auch nicht sicher, ob es der SVP wirklich um die Sache geht oder ob sie einfach ein Thema besetzen will», so Schuler. Er bezeichnet die Idee einer Standesinitiative als «absurd» und hofft auf die Vernunft der Ratsmehrheit.

FDP-Vertreter spricht sich dagegen aus

«Aufgrund meiner beruflichen Tätigkeit bei Swissmem finde ich die Idee ein absolutes No-go. Damit schaden wir der Schweizer Wirtschaft und schaffen weitere Unsicherheit», sagt FDP-Kantonsrat Daniel Burch. Das sei seine persönliche Meinung. Er sei auch nicht mit allem einverstanden, was die OECD mache und verlange. Als Beispiel nennt er die Unternehmenssteuerreform III, welche die Kantone betrifft. «Manchmal sollte die Schweiz ihren Freiraum mehr nutzen», findet Burch.

Die grünliberale Fraktion hat beschlossen, einen Nichtüberweisungsantrag zu stellen oder einen solchen zu unterstützen, teilt GLP-Kantonsrat Daniel Stadlin mit.

Alternative-die Grünen: «Substanzlos und reaktionär»

Stefan Gisler, Kantonsrat Alternative-die Grünen, stimmt mit den Liberalen insofern überein, dass der Austritt aus der OECD der Schweizer Wirtschaft schaden würde. Aber ebenso der Gesellschaft. Die OECD habe freien Waren- und Kapitalverkehr als Kernziel; ergänzt würden die Kernziele mit Leitsätzen zu Korruption, Geldwäsche, Steuerflucht, Sozial- und Bildungsstandards.

Die OECD sei primär eine Austauschplattform. «Deren Beschlüsse sind für Mitgliedsstaaten nicht zwingend», so Gisler. Die Schweiz würde ihrer Stimme beraubt, würde sie austreten. «Wessen Argumente nicht gehört werden, dessen Bedürfnisse werden missachtet», sagt der alternative Kantonsrat. Es sei klar, warum die SVP mit ihrem «substanzlosen und vor reaktionärer Ideologie triefenden Vorstoss» den OECD-Austritt fordere: «Inhaltlich will die SVP primär die neoliberale und deregulierte Finanzwirtschaft sowie ausländische Steuerflüchtlinge in der Schweiz schützen – und natürlich die Pfründe von deren Handlangern – wenige Anwälte, Treuhänder, Banker.»

Was halten Sie von der SVP-Idee eines Freistaats Zugs, der die Schweiz vor dem Totalitarismus rettet? Schreiben Sie uns mit der Kommentarfunktion.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Politikerli
    Politikerli, 27.04.2015, 14:32 Uhr

    Also ich fordere gleich eine Freie Republik Wilägeri. Dann können wir wie zu guten alten Zeiten von den Zugern und Chamern, die aus dem Nebel auf den Raten fahren oder den Oberägerern, Alösler und Morgärtler, die zur Arbeit müssen, Wegzölle verlangen und damit den Umfahrungstunnel Unterägeri spielend finanzieren, oder?

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