Häusliche Gewalt in Zug

Manchen Frauen hat die Corona-Krise geholfen, die Scham zu überwinden

Zu Zeiten von Corona und Lockdown können sich Streitereien und Gewalt in den eigenen vier Wänden zuspitzen. (Symbolbild: Adobe Stock) (Bild: Adobe Stock)

Zu Beginn der Corona-Krise warnten Expertinnen vor einer Zunahme von häuslicher Gewalt. Auch in Zug wappnete man sich auf einen Ansturm. In der Herberge für Frauen verzeichnete man einen Anstieg. Doch viele Opfer werden es während der Krise nicht geschafft haben, sich Hilfe zu holen.

In den eigenen vier Wänden beschimpft, erniedrigt, bedroht und geschlagen: Häusliche Gewalt ist in der Schweiz ein Problem. Auch im Kanton Zug muss die Polizei fast täglich deswegen ausrücken.

Gerade zu Zeiten von Corona, Homeoffice und Homeschooling befürchteten Expertinnen, dass sich die Lage für viele Frauen zuspitzen könnte.

Im Frauenhaus des Kantons Zug haben in diesem Jahr mehr Frauen Zuflucht gesucht als im Vorjahr. Konkrete Zahlen will die Geschäftsleiterin Cornelia Manuzzi jedoch nicht nennen – da man in diesem Bereich immer von einer hohen Dunkelziffer ausgeht. Diese Zahlen würden auch nichts darüber aussagen, wie viele Frauen tatsächlich von häuslicher Gewalt betroffen sind. Nicht alle suchen den Schutz der Herberge, andere finden selber einen privaten Zufluchtsort. Aus einer Gewaltsituation auszusteigen, sei aus verschiedenen Gründen nicht einfach, betont Manuzzi.

Ob der Anstieg bei der Herberge für Frauen auf die Corona-Krise zurückzuführen ist, kann sie nicht sagen.

Frauen wollten zuvor wissen, ob sie Zuflucht finden

Auffallend sei jedoch, dass zu Beginn der Krise mehr Frauen oder involvierte Stellen nachfragten, ob die Herberge für Frauen auf Grund des Lockdowns überhaupt gewaltbetroffene Frauen aufnehmen könnte, sagt Manuzzi. «Das zeigt, dass sich Frauen bezüglich einer möglichen weiteren Eskalation oder Notlage einer Strategie oder einer Notlösung gewiss sein wollten.»

Bei der Opferhilfe und -beratung des Kantons Zug hat man hingegen «keine eklatante Veränderung von Anfragen» im Kontext von sexualisierter und häuslicher Gewalt festgestellt, wie es auf Anfrage heisst.

Hier findest du Hilfe

Opfer von sexueller und häuslicher Gewalt finden Hilfe und Unterstützung bei der Opferberatungsstelle von Eff-Zett. Erreichbar sind sie übers Telefon unter 041 725 26 50.

Wer von häuslicher Gewalt bedroht oder betroffen ist, findet rund um die Uhr Unterstützung bei der Zuger Herberge für Frauen. Sie sind erreichbar über 041 727 76 86.

Weltweit «erschreckender» Anstieg häuslicher Gewalt

Expertinnen haben kurz nach dem Lockdown erwartet, dass häusliche Gewalt zunehmen wird. Die Task Force des Bundes gegen häusliche Gewalt kam in der jüngsten Lagebeurteilung zum Schluss, dass in den meisten Kantonen die gemeldeten Fälle im Vergleich zum Vorjahr stabil sind. Anders jedoch in Zürich. Nach dem Lockdown haben sich doppelt so viele Frauen wegen sexueller Gewalt an eine Zürcher Beratungsstelle gewandt als noch in den Monaten vor Corona. Das berichtete «watson».

In Zürich spricht man von «so etwas wie einem Dammbruch», der stattgefunden hat. Da die Leute wieder in den Ausgang konnten, sei man «vielleicht sehr risikobereit» gewesen, berichtete «SRF». Frauen hätten vielleicht unvorsichtiger als sonst gehandelt, Männer vermehrt das Gefühl gehabt, «sich etwas zu nehmen, was ihnen vermeintlich zusteht».

Weltweit sieht die Lage prekär aus. Der Uno-Generalsekretär meldete einen «erschreckenden» globalen Anstieg häuslicher Gewalt. Auch in Italien hat sich familiäre Gewalt während der Ausgangssperre verschärft.

Längst nicht jedes Opfer konnte sich bei einer Beratungsstelle melden

Cornelia Manuzzi von der Herberge für Frauen glaubt, dass sich längst nicht alle Frauen während der Corona-Krise Hilfe suchen konnten. Gerade weil die gewaltausübende Person immer präsent war. So sei es für gewaltbetroffene Frauen schwierig gewesen, sich telefonisch Hilfe zu organisieren oder den Weggang – gerade mit Kindern – zu organisieren.

«Bei anderen hat die Corona-Krise vielleicht geholfen, die Scham zu überwinden, weil überall davon gesprochen wurde.» Die vielen Kampagnen hätten aufgezeigt, dass häusliche Gewalt ein weitverbreitetes Problem ist und die Opfer keine Schuld tragen. Und dass gewaltbetroffene Frauen Schutz brauchen und es diesen auch gibt.

Auf den Ansturm gewappnet

Doch auch in Zug hat man sich zu Beginn der Corona-Krise auf einen Ansturm vorbereitet.

Manuzzi erklärt, dass sich die zuständigen Institutionen im Kanton vernetzt und regelmässig ausgetauscht haben. Es haben sich auch verschiedene Personen und Firmen bei der Herberge für Frauen gemeldet, um Zimmer oder Wohnungen zur Verfügung zu stellen. Die Herberge für Frauen konnte eine Notwohnung und zwei Zimmer für die Quarantäne oder Isolation freihalten.

«Zum Glück war es uns bisher immer möglich, alle Frauen bei uns aufzunehmen», sagt Cornelia Manuzzi.

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