Film aus Sursee startet im Kino

Frau liebt Sans-Papier: Luzerner Regisseur dreht Drama über verbotene Liebe

Rachel Braunschweig wurde für ihre Performance im Film für den Schweizer Filmpreis nominiert. (Bild: Frenetic Films)

Eine Lehrerin verliebt sich in den Vater einer Schülerin – einen Sans-Papier – und stürzt sich damit ins Unglück. Der Luzerner Regisseur Christian Johannes Koch hat sich für seinen ersten Spielfilm «Spagat» an heikle Themen gewagt. zentralplus hat ihm über die Dreharbeiten und die Herausforderungen einer internationalen Besetzung gesprochen.

Marina (gespielt von Rachel Braunschweig) führt ein ruhiges, eingespieltes Leben: Sie hat einen erfüllenden Beruf als Lehrerin, einen liebevollen Mann und eine rebellische Tochter im Teenageralter. Doch erst die Affäre mit Artem (Alexey Serebryakov), dem Vater ihrer Schülerin Ulyana (Masha Demiri), beschwingt ihren Alltag. Artem und seine Tochter leben aber ohne Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz. Als das Mädchen bei einem Diebstahl erwischt wird, droht die Maskerade aufzufliegen und das Leben aller Beteiligten auf den Kopf zu stellen.

Es ist ein unaufgeregter Film, den der Luzerner Christian Johannes Koch gedreht hat. Aber einer, der nachhallt. Mit seinem Erstlingswerk «Spagat» gelang dem 35-Jährigen der Sprung an renommierte Festivals wie San Sebastian, Mostra São Paulo und dem Zürich Film Festival. Rachel Braunschweig und die Newcomerin Masha Demiri waren für ihre Performances gar für den Schweizer Filmpreis 2021 nominiert.

zentralplus: Herr Koch, Sie haben bisher Kurzfilme realisiert. «Spagat» war Ihr erster Langspielfilm. Was waren die besonderen Herausforderungen dabei?

Christian Johannes Koch: Bei einem Langspielfilm ist nicht nur der Film selbst länger, sondern auch der ganze Entwicklungsprozess, also die Erstellung des Drehbuchs, die Finanzierung, der Dreh und die Postproduktion. Für mich persönlich war auch die Tatsache spannend, dass ich einen Langfilm im Gegensatz zu einem Kurzfilm nicht komplett im Kopf denken kann. Man muss sich Notizen machen, den Film auf Papier bringen und ganz anders planen. Dafür bietet ein Langfilm ganz andere Möglichkeiten, um eine Geschichte zu erzählen. Bei einem Kurzfilm fokussiert man sich meistens auf eine Idee. Hier konnte ich eine ganze Welt erschaffen, Figuren ausarbeiten und ihre Geschichten erzählen. Darauf habe ich mich sehr gefreut.

zentralplus: Im Film verweben Sie mehrere Themen, darunter Sans-Papiers, Ehebruch und Erwachsenwerden. Kein leichter Stoff. Was hat Sie daran gereizt?

Koch: Für mich war klar, dass ich eine Geschichte erzählen wollte, die in der Schweiz spielt. Interessiert hat mich unter anderem die soziale Ungerechtigkeit in einem solch reichen Land. Ich wollte eine Alltagsgeschichte erzählen, die uns allen in der einen oder anderen Form bekannt ist. Die anderen Themen kamen dann schleichend dazu.

Christian Johannes Koch studierte Filmregie an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf.

zentralplus: Grosse Teile des Filmes wurden in Sursee gedreht. Was war an der Location besonders?

Koch: Ich komme ursprünglich aus Neuenkirch und bin da aufgewachsen. Mit 20 bin ich dann ins Ausland und habe meine Filmausbildung absolviert. Mir war aber klar, dass ich mein Debüt in meiner Heimat drehen wollte, an einem Ort, an dem ich mich gut auskenne und der mir vertraut ist. Vertrautheit gibt Sicherheit. Beim Schreiben des Drehbuchs hatte ich konkrete Motive und Locations schon im Hinterkopf. Manches davon hat es in den Film geschafft und manches nicht.

zentralplus: Der Film bewegt sich im Genre Drama. Wie war die Stimmung am Set?

Koch: Die Stimmung war mega gut. Es war schön zu sehen, wie sich die Darsteller in ihre Figuren hineingegeben haben und wie ihre Ideen die Geschichte mitgeprägt haben. Das war für mich eine schöne Erfahrung. Während den rund 34 Drehtagen habe ich einen tollen Zusammenhalt erlebt.

zentralplus: Mit Alexey Serebryakov haben Sie einen bekannten russischen Schauspieler im Cast. Wie kam es dazu?

Koch: Ich bin auf ihn gestossen, als die Arbeit an meinem Film in einer frühen Phase war. Und zwar habe ich «Leviathan» im Kino gesehen, wo Serebryakov mitgespielt hat, ich fand ihn faszinierend. Der Mann hat eine unglaubliche Präsenz und er machte mir sogar ein wenig Angst. Als «Spagat» dann konkret wurde, fiel er mir wieder ein. Schliesslich bin ich nach Toronto geflogen, um ihn zu besuchen und ihn zu überzeugen, in die Schweiz zu kommen und mitzuspielen – was dann auch geklappt hat.

zentralplus: Im Film spricht Serebryakov gebrochenes Schweizerdeutsch. Beherrscht er die Sprache?

Koch: Er spricht eigentlich nur russisch. Das Drehbuch haben wir dann übersetzt und am Set mit einem Dolmetscher gearbeitet. Seinen Text hat er phonetisch einstudiert. Das war auch eine Herausforderung für die restliche Besetzung, weil ausser Masha Demiri, die seine Tochter spielt, niemand Russisch spricht oder versteht.

«Mir war es auch wichtig, dass die jungen Darsteller nebst mir noch eine andere betreuende Bezugsperson am Set hatten.»

Christian Johannes Koch, Regisseur

zentralplus: Man sagt immer, mit Tieren und Kindern in der Besetzung wird ein Filmdreh besonders herausfordernd. Sie haben gleich mehrere Teenager vor der Kamera gehabt. Wie gingen Sie mit dem jugendlichen Cast um?

Koch: Ich habe früh einen Schauspielchoach ins Boot geholt, der die Kids auf die Rolle und den Film vorbereitet hat. Dafür hat man nämlich beim Dreh selbst keine Zeit mehr. Der Coach hat ihnen «Werkzeuge» mitgegeben, Tricks und Kniffs, auf die sie zurückgreifen konnten. Mir war es auch wichtig, dass die jungen Darsteller nebst mir noch eine andere betreuende Bezugsperson am Set hatten.

zentralplus: Mit einem Erstlingswerk gleich an renommierte Festivals zu kommen ist beachtlich. Was ist das für ein Gefühl?

Koch: Das war ein tolles Gefühl. Es ist die Anerkennung, die man fürs eigene Schaffen kriegt. Die Geduld und der Schweiss haben sich also gelohnt (lacht). Ich durfte schon in früheren Jahren einen meiner Kurzfilme am internationalen Filmfestival in San Sebastian präsentieren. Dass mein Langspielfilm nun am selben Festival seine Weltpremiere hatte, war eine besondere Erfahrung.

zentralplus: Vor allem in Zeiten von Corona.

Koch: Ja. Das Festival in San Sebastian war neben Venedig das einzige grosse Festival, das 2020 nach dem Ausbruch der Pandemie mit Publikum durchgeführt werden konnte. Es war eindrücklich, die Premiere trotz der Pandemie feiern zu können.

zentralplus: Erzeugt ein so früher Erfolg nicht auch einen gewissen Erwartungsdruck für die Zukunft?

Koch: Nein, überhaupt nicht. Mich spornt das eher an, weiter an mich und meine Ideen zu glauben.

zentralplus: A propos Zukunft: Wie sehen Ihre Pläne für die nächsten Monate aus?

Koch: Wir hoffen, dass wir mit «Spagat» bis zum Herbst begleitende Screenings in verschiedenen Kinos machen können – und dass die Leute überhaupt wieder vermehrt ins Kino gehen. Weiter arbeite ich derzeit an einem Dokumentarfilm, der schon fast abgedreht und schon im Schnitt ist. Und nächstes Jahr steht ein Projekt an, über das ich noch nicht sprechen kann, das aber in Richtung Serie geht.

Vorpremiere: «Spagat»

Das Drama «Spagat» startet am Donnerstag, 24. Juni in den Schweizer Kinos. Am Mittwoch, 23. Juni findet eine Vorpremiere im Kino Bourbaki statt. Dieser Anlass läuft im Rahmen der Solidaritätswoche und in Zusammenarbeit mit der Kontakt- und Beratungsstelle für Sans-Papiers Luzern. Nach dem Film gibt es eine Diskussion mit Maria Holl (Co-Stellenleiterin, Kontakt- und Beratungsstelle für Sans-Papiers Luzern), David Roth (Präsident SP Kanton Luzern) und dem Regisseur Christian Johannes Koch. 

Weitere Infos dazu findest du hier.

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