Der Luzerner Fotoreporter Fabian Biasio

Fotografiere was dich abschreckt

Einfach macht es sich Fabian Biasio mit seiner Themenwahl selten. Aber genau das ist wohl sein Erfolgsrezept.

(Bild: zvg)

Der Luzerner Fabian Biasio besucht als Fotograf oft Orte, an denen er gar nicht sein will. Wieso eigentlich? Und weshalb ist das Fotografieren am Seetalplatz in Emmen gefährlicher als eine Reise durch Kirgistan?

Für Fabian Biasio bedeutet Fotografieren neue Orte entdecken. Irgendwo auf der Welt oder nur wenige Busstationen von seiner Haustür entfernt. Die Flüchtlingsströme im Kosovo, die US-Armee im Irakkrieg oder die Bevölkerung Südsudans. Auch eine Reportage vom Emmener Seetalplatz findet sich in seinem Portfolio. Was diese Gebiete und deren Bewohner für den Fotografen interessant machen, ist seine Unkenntnis davon. Es sind Orte denen er sich zuerst ausgesetzt fühlt, an denen ein fotografischer Zugang hart erarbeitet werden muss.         

Dieser Ausbruch aus der Komfort-Zone gehört zum Arbeitsmechanismus des etablierten Luzerner Reportage-Fotografen. Fabian Biasio fotografiert eher was ihn abschreckt, nicht was ihn anzieht. Problematische Lebensbedingungen, Krisengebiete und Konfliktherde dieser Welt. Von der Luzerner Notschlafstelle bis zum verstrahlten Fukushima.

Er reiste drei Monate durch das ehemalige Jugoslawien, arbeitete zuletzt in Kirgistan, im Auftrag des Schweizerischen Roten Kreuzes. Oder Texas. Dort begleitete Fabian Biasio die Schwester eines zum Tode verurteilten Mörders. Er portraitierte sie in einem Film und fotografierte den letzten Körperkontakt mit ihrem bereits toten Bruder (Film «Texas murder story»).

Fotografisches Mittelfeld

Seit dreizehn Jahren arbeitet der Luzerner als freischaffender Fotograf. Seine Reportagen werden national- und international publiziert. Regelmässig gewinnen sie Preise. Soeben erschien ein Buch über die Ausbildung zum Schweizer Militärpiloten mit seinen Bildern, die auch das Magazin «Geo» veröffentlichte.

texasmurderstory from Fabian Biasio on Vimeo.

«Mancher Amateur macht bessere Fotos als ich», sagt Fabian Bisaio. Er bewege sich fotografisch irgendwo im Mittelfeld. «Aber ich bin fleissig und konsequent in meiner Arbeit. Dadurch falle ich auf.» Er weiss, was er erzählen möchte und welche Bilder dazu nötig sind. Seine Aufnahmen sind nicht gezeichnet vom Spektakel. Eher schlicht, aber sachlich. So wie er selbst. Trotzdem wirkt beides nie langweilig. Weder der Fotograf, noch seine Bilder. Die starke Ausdruckskraft der Motive, oft sind es Menschen, ist augenfällig. Keine inszenierte Schönheit, die Authentizität des Erlebten prägen seine Aufnahmen. «Ein schönes Bild auf dem nichts passiert, ist langweilig.» Auf einer guten Fotografie ist alles im richtigen Moment vereint. Die Bildebenen passen zusammen, die historische Relevanz ist vorhanden und die Fotografie vermittelt Emotionen.

Fabian Biasio will kein Bildlieferant an die Medien sein, vielmehr ein Fotograf mit einem journalistischen Anspruch, einer persönlichen Haltung die durch Fotografien zum Ausdruck kommen soll. Seine Reportagen sollen Geschichten erzählen, unentdeckte Themen zum Vorschein bringen und beim Betrachter eine Veränderung der gewohnten Sehgewohnheiten auslösen. «Es ist mir wichtig, aus Bereichen zu berichten, die bisher verborgen blieben.» Dort wo sich die Absurditäten des Alltags zutragen, ohne dass von ihnen Kenntnis genommen wird.

«Es ist mein Anspruch, das abzubilden, was vor meiner Nase passiert.»

Trotz den zahlreichen Auslandreportagen ist es Fabian Biasio wichtig geblieben, seine unmittelbare Lebenswelt fotografisch zu erfassen. Die Reisen ins Ausland schärfen dabei den Blick auf die Heimat. «Es ist mein Anspruch, das abzubilden, was vor meiner Nase passiert.» Vier Jahre lang hat er die Schweizerische Volkspartei begleitet. Stunden in fotografisch unattraktiven Mehrzweckhallen verbracht, sich dem ausgesetzt, was sich seinen politischen Ansichten bis heute entzieht. Bundesrat Ueli Mauerer beim Jassen, Nationalrat Christoph Mörgeli im Altersheim, Parteipräsident Toni Brunner mit Katze auf dem heimischen Sofa.

Gefährlicher Seetalplatz

«Es braucht auch Überwindung um am frühen Samstagmorgen in den Zug nach Fruttigen an den SVP-Jasscup zu steigen», sagt Fabian Biasio. Sobald sich aber Bundesrat und Bergbauer an denselben Jasstisch setzen, lohnt sich die Zugfahrt für den Fotografen. Dann gewähren seine Bilder unbekannte Einblicke.

Beim «Max-Filmpalast» am Seetalplatz ist das nun ähnlich. Es kostet Fabian Biasio viel Überwindung dort für sein aktuelles Projekt zu fotografieren. Er bewegt sich wieder ausserhalb seiner Komfort-Zone. Nächtelang. Oft passiert nichts. Die Angst vor einer leeren Speicherkarte ist beim Berufsfotografen ähnlich gross, wie die des Schriftstellers vor einem leeren Blatt Papier. Für Fabian Biasio ist es ein vollkommen unbekannter Teil der Stadt Luzern. Ein Gebiet in dem er sich sonst nie aufhalten würde. «Aber genau diese Orte muss man als Fotograf besuchen und dokumentieren.» Selbst wenn dort unangenehme Überraschungen warten können.

Weil Fabian Biasio ein Bild von ihnen machen wollte, wurde er von Jugendlichen fast verprügelt. Zudem alarmierte die ansässige Fast-Food Kette die Polizei, als er auf dem Parkplatz fotografierte. «Überraschenderweise war es eine der gefährlichsten Reportagen, die ich seit langem gemacht habe», sagt er. Nun, wenn man konsequent über die Grenzen seiner eigenen Komfort-Zone schreitet, wird die Überraschung früher oder später zum treuen Begleiter.

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