Restaurants werfen zu viele Lebensmittel weg

Foodwaste: Kanton Luzern nimmt Beizer in die Pflicht

Das Grottino 1313 in Luzern wurde vom Gastro-Magazin «Fallstaff» zum besten italienischen Restaurant der Schweiz gewählt.  (Bild: zvg)

Gastronomen tun noch zu wenig, um Lebensmittelabfälle zu vermeiden. Dabei könnte ein Restaurant monatlich bis zu 3000 Franken sparen, besagt eine Studie. Vorbilder, die zeigen, wie’s gehen könnte, gibt es auch in Luzern.

Der Kanton Luzern geht gegen Lebensmittelabfälle vor. Es läuft das zweite Jahr eines insgesamt dreijährigen Aktionsprogrammes. Nicht nur Privatleute sind gefordert, sondern aktuell vor allem Restaurants und Hotels.

Zusammen mit dem Verein United Against Waste veranstaltet der Kanton Luzern nächsten Dienstag ein Forum für Gastronomen (siehe Box). Es will Lösungen aufzeigen, wie man Foodwaste in professionellen Küchen vermeiden kann (zentralplus berichtete).

Dass das nötig ist, zeigen die Zahlen: Ein Drittel aller Lebensmittel weltweit wird weggeworfen, eine Anbaufläche 1,5 Mal so gross wie Europa könnte man einsparen, würde man nichts mehr wegwerfen. Und alleine in der Schweiz werden pro Jahr 2,3 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen.

Zwar fallen «nur» 5 Prozent der Lebensmittelabfälle in der Gastronomie an, doch es sind immer noch eindrückliche 115’000 Tonnen jährlich. Der Abfall entsteht bei der Lagerung, in der Küche oder durch Reste, die Gäste liegen lassen.

Sind Gastronomen zu verschwenderisch?

Der Berner Verein United Against Waste hat es aktuell auf Gastronomen abgesehen: An Veranstaltungen, Coachings und mittels Leitfaden bringt er ihnen bei, wie sie Lebensmittelabfälle reduzieren können. Sind Gastronomen also noch zu verschwenderisch?

«Die Kommunikation mit dem Gast ist entscheidend.»

Markus Hurschler, United Against Waste

Der gebürtige Willisauer Markus Hurschler, Geschäftsleiter von United Against Waste, sagt es so: «Sie realisieren sehr oft nicht, wie wichtig das Thema ist. Viele sagen, wir machen ja schon viel. Und es stimmt ja auch.» Aber es wäre eben noch viel mehr möglich: «Man sieht, dass, wenn man sich systematisch mit dem Thema beschäftigt, noch viel mehr drinliegt.»

Eine Managementaufgabe

Forum zu Foodwaste

Im Rahmen der Luzerner Gastronomie-Messe ZAGG (23.–26.10., Allmend Luzern) findet ein Forum zum Thema Foodwaste statt: Unter dem Titel «Lebensmittelabfälle reduzieren – Erfolgsrezepte aus der Gastronomie» präsentieren Gastrobetriebe und Experten Beispiele, wie man Lebensmittelabfälle vermeiden kann.

Der Kanton Luzern führt den Anlass gemeinsam mit United Against Waste durch. Dienstag, 25. Oktober, 13–17 Uhr, ZAGG-Messe, Allmend Luzern. Man kann sich noch anmelden, es hat  freie Plätze.

Systematisch gegen Lebensmittelverschwendung vorgehen – das will Hurschler den Restaurantbetreibern und Hoteliers aufzeigen. «Es ist eine Managementaufgabe und geht tief in die Planung eines Betriebs hinein.»

Abfall vermeiden liege im Interesse der Gastronomen, weil fortgeworfenes Essen letztlich fortgeworfenes Geld ist. Durchschnittlich fallen pro Gast und Menü 191 Gramm Lebensmittelabfall an. Dadurch entstehen für den Betrieb Kosten von einem Franken pro Gast, das ergab eine Studie von United Against Waste mit dem Hotellerieverband. Ein Betrieb konnte seine Abfälle innerhalb von drei Wochen um 30 Prozent senken – und sparte so monatlich etwa 3000 Franken.

Es fehlt oft die Zeit

Natürlich hat das Ganze eine Kehrseite: Man müsse laut Hurschler Zeit investieren, wenn man das Thema richtig anpacken will. «Ich weiss, dass die Zeit in vielen Betrieben knapp ist, letztlich ist es ein Abwägen. Aber von jenen, die das anpacken, haben wir zu 99 Prozent positives Feedback.»

Schon in einem Monat könne ein Restaurant seine Essensabfälle um 25 Prozent reduzieren. United Against Waste stellt Betrieben dafür ein Computer-Tablet zur Verfügung, auf dem sie täglich den Abfall messen und das Verhalten visualisiert wird. «Schon das allein zeigt meistens eine Verhaltensänderung», sagt Hurschler.

«Gibt es nicht mehr» ist tabu

Restaurants mit einem riesigen Angebot auf der Karte, auf der zudem immer alles verfügbar sein muss, haben automatisch mehr Ausschuss als solche mit kleinen Karten. Und für viele Restaurants ist es immer noch ein Tabu, gegenüber dem Gast zu sagen: «Gibt es nicht mehr, ist ausgegangen» – obwohl es auf der Karte steht.

Für Hurschler ist das ein wichtiger Punkt: «Wie kann ich dem Kunden beibringen, dass etwas nicht mehr verfügbar ist, ohne dass dieser enttäuscht ist? Die Kommunikation mit dem Gast ist entscheidend.» Nicht nur die Gastronomen sind also gefragt, sondern ebenso die Konsumenten. Wenn diese einsehen, dass nicht alles endlos verfügbar ist – und sich auch mal überraschen lassen –, ist schon viel gewonnen.

«Wenn Restaurants gut kommunizieren und dem Gast etwas anderes anbieten, gibt es meist keine Probleme», so Hurschler. Es ist in letzter Zeit viel passiert diesbezüglich, das Thema Foodwaste ist im Mainstream angekommen, Leute konsumieren bewusster.

Zwei Vorbilder in Luzern

Gibt es denn Vorbilder? Wer macht es auf dem Platz Luzern besonders gut? Hurschler nennt zwei Beispiele, die auch am Messe-Forum auf der Allmend auftreten.

Einerseits die Sinnvoll Gastro, die vom Hotel Wetterhorn im Hasliberg bis zum Grottino 1313 in Luzern sieben Betriebe in der Region führt. «Sie sind generell sehr nachhaltig in der Menüplanung und gehen damit innovativ um», sagt Hurschler. Eine schmale Karte könne auch ein Vorteil sein und zum Konzept werden.

«Die Nähe zu den Produkten macht die Wertschätzung automatisch grösser, und das führt automatisch zu mehr Sensibilität.»

Philippe Giesser, Sinnvoll Gastro

Das sieht bei der Sinnvoll Gastro dann so aus: Es gibt keine Speisekarte, sondern jeden Tag ein fixes Menü – fertig. Damit ist das Restaurant erfolgreich und das Thema Foodwaste wird exemplarisch gelebt, ohne dass es gross zum Thema wird. Und im Restaurant Ferus in Emmenbrücke, das auch dazugehört, setzt man auf ein Fleischkonzept, bei dem man das ganze Tier verwertet und nicht nur die begehrtesten Stücke.

Kein Ziel mehr – sondern selbstverständlich

Was sagt man bei Sinnvoll Gastro zum Thema? Ist es ein erklärtes Ziel, Lebensmittelabfälle gering zu halten? Philippe Giesser, Leiter von Sinnvoll Gastro (und «diplomierter Genussmensch»), sagt: «Es ist kein Ziel mehr, wir sind schon so weit, dass wir es im Griff haben.» Die Köche der Restaurants würden das selbstverständlich umsetzen und es gehöre mit zum Konzept. Ebenso die Regionalität: «Die Nähe zu den Produkten macht die Wertschätzung automatisch grösser, und das führt automatisch zu mehr Sensibilität», sagt Giesser.

Und wieso tut man das? «Aus Überzeugung», sagt Giesser, es sei einfach spannender, selbst wenn es kurzfristig keinen grossen wirtschaftlichen Vorteil bringe. Qualitätsmarketing liege ihm fern, sagt Giesser. «Wir wollen das nicht plakativ nutzen, sondern uns mit unserem Konzept anders in Szene setzen.»

Es gehöre schlicht zum Stolz: «Der Gast soll erfahren, dass es bei uns anders ist», sagt Giesser. Zudem hätten sie in den Betrieben eine Konstellation, die das ermögliche: «Lieferanten, die uns unterstützen und Küchenchefs, die das umsetzen.»

Keine Normlösung

Das zweite positive Beispiel ist Brigitte Heller mit ihrem Hotel Monopol gleich beim Bahnhof Luzern (zentralplus berichtete). Sie ist Vorreiterin in der Sensibilisierung der Gäste – aber ihr Ansatz ist kontroverser als das erste Beispiel. Mit Hinweisen auf den Tischen informiert sie etwa chinesische Gäste aktiv über die Essensverschwendung.

Sie bittet Touristen seit neustem in fünf Sprachen, nur soviel zu schöpfen, wie sie auch wirklich essen: auf Englisch, Deutsch, Chinesisch, Indisch und Arabisch. Die Hoteldirektorin hat damit Erfolg und findet ein grosses Echo. «Methode Faust aufs Auge», nennt das Hurschler lachend.

 

Der neue Würfel auf den Tischen im Hotel Monopol informiert Gäste in fünf Sprachen – Englisch, Deutsch, Chinesisch, Hindi/Indisch, Arabisch.  (Bild: zvg)

Der neue Würfel auf den Tischen im Hotel Monopol informiert Gäste in fünf Sprachen – Englisch, Deutsch, Chinesisch, Hindi/Indisch, Arabisch.  (Bild: zvg)

Es gebe also keine Normlösung für ein Restaurant, sagt Markus Hurschler. Es müsse zum Betrieb passen. «Aber beide Beispiele zeigen, dass es gut funktioniert, wenn man es ernst meint.»

Mehr Geschichten zur Luzerner Gastronomie finden Sie in unserem Dossier.

Ein paar Tipps gegen Foodwaste

In einem Leitfaden hat der Verein United Against Waste Tipps gegen Foodwaste für Gastronomen zusammengetragen. Hier ein paar Müsterchen:

  • Küchen- und Servicepersonal einbinden, sie sensibilisieren und motivieren, eigene Ideen zu entwickeln.
  • Überschüsse wiederverwenden und in die Menüplanung integrieren.
  • Kommunikation zwischen Küche, Service und Kunden optimieren: So kann man besser auf Wünsche eingehen, auch was die Portionengrösse anbelangt.
  • Lagerbestände gering halten, zudem auf kleinere Verpackungsmengen setzen und auf weniger Vorproduktion.
  • Lebensmittel spenden, wenn sie übrigbleiben. Oder Überschüssiges auch für die Mitarbeiterverpflegung verwenden.
  • Lieber kleinere Portionen, dafür die Möglichkeit für Nachschub geben. Tellerreste sind für rund 40 Prozent der Lebensmittelabfälle verantwortlich.
  • Mit Empfehlungen am Tisch lässt sich die Nachfrage steuern.
  • Den Gästen Foodboxen bieten, um Essensreste mit nach Hause zu nehmen.
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