Luzerner Uraufführung im Kleintheater

«Fleisch» – hier kommt die Rache

Ein brutales Thema hat sich das Theater Mimito aus Luzern ausgesucht, das zeigt sich auch am Flyer.

(Bild: zvg)

Das Theater Mimito hat sich einem Thema angenommen, zu welchem jeder eine Meinung hat. Ein Thema, welches Schuldgefühle, Trotz und Ekel auslöst. Es geht um Fleisch und darum, was die Rache für unseren Konsum sein könnte. Und diese wird schrecklich sein.

Ein Video von verwahrlosten Pferden, welchen durch ständige Schwangerschaft und Abtreibung hormonell passendes Blut abgezapft wird. Robben, denen bei lebendigem Leibe das Fell abgezogen wird. Hunderttausende männliche Küken, die panisch piepsend auf einem Fliessband in den Schredder gezogen werden.

Wer sich auf den sozialen Medien rumtreibt, der kennt es nur zu gut: Immer wieder taucht ein Video auf der Startseite auf, bei dem man am liebsten ganz schnell weiterscrollen würde. Manchmal bleibt man hängen, wie bei einem Unfall – Wegschauen ist nicht mehr möglich. Doch meist scrollt man schnell weiter.

Es ist ein zwiespältigen Verhältnis, welches unsere aufgeklärte Gesellschaft zu Tierhaltung, Tiertötung und Tierverspeisung pflegt. Wir wissen ja ganz genau, welche Auswirkungen unser Konsum auf andere Lebewesen hat. Doch wir sind Meister der Verdrängung.

Bitte keinen moralischen Zeigefinger

Das Theater Mimito aus Luzern beschäftigt sich seit über einem Jahr mit der Thematik: keine Verdrängung möglich.

Das Team

Regie: Ursula Hildebrand
Text & Musik: Christov Rolla
Spiel:
Claudia Berg, Melinda Giger, Sylvie Kohler und Christov Rolla
Ausstattung: Nina Steinemann
Licht & Ton: Stefan Schaueburg und Timo Keller
Produktionsleitung: Annette von Goumoeeeens

Entstanden ist ein modernes Märchen, in dem das Archaische, Rituelle und Sinnliche des Fleischessens ebenso heraufbeschworen wird wie die nüchterne Effizienz der Fleischgewinnung. Und über allem schwebt im Stück die Frage: Was würden die Bremer Stadtmusikanten heute tun?

«Wir wollen die Leute dazu bringen, das Thema an sich heranzulassen, Denkanstösse geben», sagt die Regisseurin Ursula Hildebrand. Doch wie verpackt man das, pädagogisch und didaktisch klug, ohne den moralischen Zeigefinger zu heben? Eine Herausforderung, der sich Hildebrand und das Theater Mimito gestellt haben.

Claudia Berg, Melinda Giger, Sylvie Kohler und Christov Rolla stehen mit «Fleisch» auf der Bühne.

Claudia Berg, Melinda Giger, Sylvie Kohler und Christov Rolla stehen mit «Fleisch» auf der Bühne.

(Bild: zvg)

Katzenragout oder vegetarische Kost

Bei ihnen hat es definitiv etwas ausgelöst. Die Truppe hat sich selbst das Fleischessen ziemlich madig gemacht. Die Regisseurin war schon vor der Produktion Vegetarierin, der Autor und Musiker Christov Rolla ist während den letzten Monaten konvertiert. Berg, Kohler und Giger haben ihren Fleischkonsum während der Arbeit am Stück immer stärker reduziert.

Das Thema für sich entdeckt haben die fünf Theaterschaffenden durch einen Dokfilm auf SRF. Melinda Giger wurde in «Von Menschen und anderen Tieren» besonders durch eine Figur inspiriert: «Ein Jäger betonte darin, dass es für ihn nicht wichtig sei, was für ein Tier er esse und gab auch gleich sein Katzenragout-Rezept weiter. Das war für mich der Moment, in welchem das Thema Gestalt annahm», so Giger.

«Das, mein Kind, ist ein Schlachthof. Da drin entstehen die Würstchen, die du so gerne hast. – Nein, ich hab nicht gelogen! Ich habe dir lediglich verschwiegen, dass da vorher Söili hineingehen. – Ach, das weisst du schon? – Soso, aus der Schule. – Eine Vernichtungsmaschinerie? Das finde ich jetzt ein bisschen tendenziös. – Kind, du hast eine blutige Phantasie.»
Textausschnitt des Theater Mimito

Unmengen an Material

Schnell wurde den Theaterschaffenden klar: «Es ist eine riesige Thematik, die mit so vielen Bereichen verbunden ist – Wirtschaft, Ethik, Recht, Umwelt», erklärt Claudia Berg.

Doch wohin mit all den Informationen, den verschiedenen Aspekten des Themas «Fleisch», war schlussendlich die Frage. «Christov hat Unmengen von Texten geschrieben, bevor wir uns für einen Weg entschieden haben», so Hildebrand. Die unfassbaren Zahlen, Details in den Gesetzen zur «Nutztier-Haltung» oder über das Schächten, verpackt das Stück in ein Wissensspiel. Unnützes Wissen für Hartgesottene.

Pelz und Rache

Die Premiere im Kleintheater findet schon am 18. Oktober statt, die Endproben laufen: «Wenn ihr die Macht seid, dann sind wir die Machete», wird gebrüllt und eine irre Geschichte beginnt.

Im Hintergrund hängt ein Pelzmantel, aufgespannt wie die Haut eines Tieres nach der Schlachtung. Doch nicht nur der Pelzmantel und eine ganze Herde Bade-Enten werden in der neusten Produktion von Mimito zu Opfern.

Das Stück: Vier Gestalten besetzen einen Schlachthof und schmieden einen Plan. Es geht um Rache, es geht um Terror. Es geht darum, dass wir alle nur Tiere und dass schlussendlich Recht und Gerechtigkeit nicht dasselbe sind.

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