Leitspruch des Luzerner Goalies

FCL-Müller: «Sieger zweifeln nie und Zweifler siegen nie»

Für ihn ist es eine Frage der Erziehung und des Charakters, jenem Verein, der bedingungslos auf ihn setzte, mit einer vorzeitigen Vertragsverlängerung etwas zurückzugeben: FCL-Goalie Marius Müller. (Bild: Martin Meienberger/freshfocus)

Marius Müller ist einer der grössten Luzerner Hoffnungsträger auf dem beschwerlichen Weg des Tabellenletzten zum Ligaerhalt. Ein Gespräch mit dem 28-jährigen Torhüter des FC Luzern über seine Vertragsverlängerung, die neue Spielweise und das Bewerfen eines ehemaligen Trainers mit Stühlen.

Der Cup-Titelverteidiger ist mit dem 5:0 im Viertelfinal gegen den FC Biel zum Siegen zurückgekehrt und trifft Ende April in den Halbfinals auswärts auf Lugano. Damit ist eine lange Durststrecke für den FCL zu Ende gegangen.

Wir haben bei Torhüter Marius Müller nachgefragt, was das wichtige, weil rar gewordene Erfolgserlebnis bei ihm und seinen Mitspielern ausgelöst hat. Am Sonntag gilt es, den Aufwärtstrend im Heimspiel gegen Sion zu bestätigen.

zentralplus: Marius Müller, waren Sie in jüngster Zeit mal verzweifelt?

Marius Müller: Boah, das ist schon lange her. Das muss in der Schulzeit gewesen sein, als ich nicht mehr wusste, wie ich gute Noten schreiben soll. Seit ich Profi bin, ist mir das nie mehr widerfahren.

zentralplus: Mir kamen Sie verzweifelt vor, als Sie Ihren auslaufenden Vertrag Ende Januar um drei weitere Jahre mit dem FC Luzern verlängerten.

Müller: Warum?

zentralplus: Sie hätten ja einfach zuwarten und möglicherweise dann unterschreiben können, wenn sich der aktuelle Tabellenletzte der Super League den Ligaerhalt gesichert hat.

Müller: Aber genau das ist ja das Problem, das du im modernen Fussball oft hast. Das wollte ich eben grad nicht machen. Für mich ist das eine Frage des Charakters und der Erziehung. Vor zweieinhalb Jahren bin ich hierher gekommen und der FC Luzern hat mir bedingungslos eine Plattform geboten. Es gab von Anfang an bis heute keinen Moment, an dem mir die Vereinsverantwortlichen Druck gemacht haben. Sie haben mir vermittelt, dass das mein Zuhause ist, dass ich hier spielen kann. Und das ist in der heutigen Zeit alles andere als selbstverständlich.

«Ich bin einfach nicht so, dass ich mir das Beste vom FCL herausnehme und dann tschüss sage.»

zentralplus: Das tönt sehr uneigennützig.

Müller: In Zeiten von Corona wollte ich für meine Familie und mich ein Stück weit Sicherheit haben. Ich wollte aber auch dem Verein und seinen Fans ein kleines Signal senden. Das war das Einzige, was ich in unserer sportlichen Situation neben dem Platz tun konnte. Ich wollte, dass der Verein etwas von mir zurückbekommt, falls ein interessantes Angebot in Zukunft an mich herangetragen wird. Ich bin einfach nicht so, dass ich mir das Beste vom FCL herausnehme und dann tschüss sage.

zentralplus: Vor einigen Wochen haben Sie aber noch unmissverständlich klargemacht, dass Sie in Ihrer Karriere nicht dafür bekannt seien, Verträge zu verlängern.

Müller: Daran können Sie erkennen, was für einen guten Job Sportchef Remo Meyer gemacht hat.

zentralplus: In jedem Fall können Sie Ihre Ausstiegsklausel bestimmt auswendig rezitieren. Legen Sie los, bitte!

Müller: Seien Sie mir nicht nachtragend, dass ich Ihr Angebot ablehnen muss. Aber der FC Luzern macht mit Sicherheit ein gutes Geschäft, sollte die Ausstiegsklausel gezogen werden.

zentralplus: Aber Ihre Vertragsverlängerung ist nur gültig für die Super League, oder?

Müller: Nein, auch für die Challenge League. Sonst hätte ich die Vertragsverlängerung auch bleiben lassen können, weil es auf das Gleiche hinausgelaufen wäre. Unser kurzfristiges Ziel muss es auf jeden Fall sein, den letzten Platz wegzuschieben und in einem nächsten Schritt genügend Puffer auf den zehnten und direkten Abstiegsplatz hinzukriegen. So realistisch muss jeder im Verein, jeder Spieler und Fan sein.

Der FCL feierte am Mittwoch den ersten Sieg seit Langem:

zentralplus: Am Mittwoch hat der FCL den Vorstoss in den Cuphalbfinal mit einem 5:0 gegen den FC Biel realisiert. Was war das für ein Gefühl, seit langer Zeit keinen Ball mehr aus dem eigenen Netz fischen zu müssen?

Müller: Das hatte ich schon lange nicht mehr gehabt. Ob es nun ein Vorbereitungs-, ein Meisterschafts- oder ein Cupspiel ist: Für einen Torhüter ist es immer das oberste Ziel, die Null zu halten. Deswegen war das Erlebnis in Biel ein schönes.

«Mario Frick kam nicht mit der Vorstellung von Thomas Häberli nach Luzern.»

zentralplus: In den letzten neun Meisterschaftsspielen ist das den Luzernern nicht mehr gelungen. Eine schmerzhafte Serie.

Müller: Ich hätte es auch gerne anders gehabt, ganz klar. Aber es bringt nichts, zurückzuschauen. Wir müssen jetzt wie vor einem Jahr nach dem siegreichen Cupviertelfinal in Lugano eine erfolgreiche Serie starten.

zentralplus: Was hat der abermalige Vorstoss in den Cuphalbfinal in der Garderobe der Luzerner ausgelöst?

Müller: Der Cup hat seine eigenen Gesetze und auch die Vertreter der Promotion League können Fussball spielen. Das gilt es in aller Deutlichkeit festzuhalten. Darum gefiel es mir umso mehr, dass wir den Match seriös und effizient zu Ende gespielt haben. Wir haben unsere Chancen genutzt und so ein Stück weit unseren Frust von der Seele geballert. Danach war es schön zu beobachten, wieder ein paar lachende Gesichter in der Kabine zu sehen.

zentralplus: Sie waren seit Beginn des Jobantritts von Ex-FCL-Trainer Fabio Celestini im Januar 2020 ein glühender Verfechter von dessen modernen Spielstil. Wie viel Spass bereitet Ihnen die Rückkehr unter dem aktuellen Cheftrainer Mario Frick zum Schlagen von weiten Bällen, die man mit der Entlassung von Thomas Häberli überwunden glaubte?

Müller: Das hat am Ende nichts mit Spass zu tun.

zentralplus: Sondern?

Müller: Unser Ziel war es gar nicht, so viele lange Bälle zu schlagen. Unterm Strich waren es mehr, als es unserem Trainer lieb gewesen ist. Aber mit dem modernen Spiel, von dem ich nach wie vor ein absoluter Fan bin, haben wir uns mehr Dinger eingebrockt, als uns diese Spielweise genutzt hat. Mario Frick kam nicht mit der Vorstellung von Thomas Häberli nach Luzern. Zu dieser Zeit war es ganz klar das Ziel: Müller auf Schürpf und dann ab auf die zweiten Bälle.

zentralplus: Wie unterscheidet sich davon der Fussball von Mario Frick?

Müller: Wir wollen zielstrebig nach vorne und hinter die letzte Abwehrreihe des Gegners kommen. Aber am Ende des Tages muss man auch sagen: Während der aktuellen Jahreszeit machen es die Platzverhältnisse schwierig, nur von hinten heraus zu spielen. Deshalb sind gegen Basel mehr lange Bälle geflogen, als es von meiner Seite aus selbstverständlich gewesen wären.

zentralplus: Man kann also nicht sagen, Sie seien sowas wie der «Mariusdona»: Eine Kombination aus Marius Müller, dem Goalie, und dem verstorbenen Spielmacher-Genius Diego Armando Maradona?

Müller: (schmunzelt). Nein, es ist nicht meine Aufgabe, das Spiel zu leiten und zu gestalten. Mario Frick wünscht sich auch, dass ich als Goalie hoch zwischen den Ketten spiele. Aber nicht so extrem, wie das noch unter Fabio Celestini der Fall war. Für uns zählt jetzt bloss, dass wir defensive Stabilität hinkriegen und Punkte holen. Wenn das mit Gebolze klappt, wie man in Deutschland zu dieser Art von Fussball sagt, ist mir das ganz egal.

«Vom Charakter her sind wir zwei Menschen, die ihre Vorstellungen haben und sich die Dinge knallhart ins Gesicht sagen.»

zentralplus: Bloss: Gegen Ligakonkurrenten hat der FCL defensive Stabilität und offensive Durchschlagskraft unter Mario Frick noch nicht hinbekommen. Woran liegts?

Müller: Es ist unser Anspruch, dass wir das ab sofort in der Meisterschaft so umsetzen, wie uns das im Cup gelungen ist. Das hat mit Selbstvertrauen zu tun, das dem einen oder anderen noch etwas fehlt. Dieses holst du dir nur über Erfolgserlebnisse. Ich gebe Ihnen aber recht damit, dass das noch besser werden muss.

zentralplus: Um auf Fabio Celestini zurückzukommen: Ohne es auch nur jemals mit einem Sterbenswörtchen angedeutet zu haben, kam bei mir das Gefühl auf, dass Sie sich von ihm zusehends mehr distanzierten. Wie kam es letztlich zum Bruch?

Müller: Mit ihm habe ich nie gebrochen. Dieser Eindruck von Ihnen ist falsch. Ich habe mich bis zum letzten Tag mit dem, was er verlangte, zu 100 Prozent identifiziert. Aber vom Charakter her sind wir zwei Menschen, die ihre Vorstellungen haben und sich die Dinge knallhart ins Gesicht sagen. Deswegen hat es unter dem menschlichen Aspekt zum Ende nicht mehr ganz funktioniert. Aber es hat nichts beeinträchtigt, was auf dem Platz lief. Zwischen uns gab es immer mal wieder Meinungsverschiedenheiten. Aber davon, dass man Dinge anspricht, lebt eine Mannschaft und ein Verein. Darum hat es zwischen uns schon das eine oder andere Mal «geknallt». Aber vor dem Feierabend haben wir uns die Hand gegeben, in die Augen geschaut und unseren Job professionell ausgeführt.

zentralplus: Sie haben also nicht am Stuhl von Fabio Celestini gesägt. Vielmehr haben Sie ihn gleich bei einer Meinungsverschiedenheit mit Stühlen beworfen.

Müller: Weder das eine noch das andere. Wir haben immer zum Wohle der Mannschaft diskutiert. Um Spiele zu gewinnen. Ich bin sicher nicht hier, um Politik zu machen. Wenn ich in meiner Position spüre, dass Unsicherheit in der Mannschaft vorhanden ist, dann spreche ich das mit dem Trainer an. Meiner Meinung kommt dieser Austausch in der heutigen Zeit zwischen den Spielern und ihrem Vorgesetzten nicht oft zu Stande.

zentralplus: In den 14 Meisterschaftsspielen unter Fabio Celestini hatte der FCL bereits magere zehn Punkte auf dem Konto, unter seinen Nachfolgern Sandro Chieffo und Mario Frick ist es bis heute ein einziger. Das legt die Vermutung nahe, dass die Luzerner Mannschaft 2021/22 «uncoachable» ist.

«Auch wenn du mal verlieren solltest, musst du beim nächsten Mal mit der richtigen Siegermentalität auf den Platz gehen.»

Müller: Das glaube ich nicht. Auf der Rückfahrt von Biel habe ich in den sozialen Medien den Kommentar eines Users mitbekommen, dass bis auf Stefan Knezevic und Louis Schaub nach wie vor die gleiche Luzerner Mannschaft auf dem Platz steht wie beim Cupsieg. Das scheint mir zutreffend. Gerade deshalb sind wir nicht «uncoachable». Wir haben uns über Monate in eine Negativspirale hinein gespielt, die sich zum Teil in miserablen Auftritten manifestierte. Aber jetzt geht es darum, da herauszukommen.

zentralplus: Allerdings ist bis jetzt jeder Versuch gescheitert.

Müller: Neben meiner Familie ist Fussball für mich das Schönste, was es auf dieser Welt gibt. Aber Fussball kann auch brutal hart sein. Wenn er dir über Tage, Wochen und Monate hinweg einfach nur voll auf die Fresse gibt. Und du kannst dir das gar nicht erklären. Seit ich wieder beim FCL im Einsatz stehen kann, habe ich nichts Anderes im Kopf, als mich mit aller Macht dagegen zu wehren.

zentralplus: Wie halten Sie Ihre Zuversicht an eine Wende beim FCL aufrecht?

Müller: Mein Torwartförderer Gerry Ehrmann, mit dem Sie sich ja auch schon ausgetauscht haben, hat mir ein Sprichwort mit auf den Weg gegeben, das mir ewig bleiben wird. Es lautet: «Sieger zweifeln nicht und Zweifler siegen nicht.» Das bringt es auf den Punkt. Auch wenn du mal verlieren solltest, musst du beim nächsten Mal mit der richtigen Siegermentalität auf den Platz gehen.

Verwendete Quellen

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5 Kommentare
  • Profilfoto von Michel von der Schwand
    Michel von der Schwand, 12.02.2022, 06:53 Uhr

    Bla-Bla-Müller reicht gerade noch knapp für die Super League. Ein Blender und Plauderi, der mit seiner grossen Klappe seine Defizite kaschiert. Würde zu einem Steffen Baumgart in Köln bestens passen. Kölle Allaaf. Geh weida Junge.

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    • Profilfoto von Michel von Lönneberg
      Michel von Lönneberg, 12.02.2022, 08:49 Uhr

      Man sollte nicht direkt vom Ausgang heimkommend Kommentare schreiben… @Herr Ineichen: warum so provozierende teils gar respektlose Fragen?

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      • Profilfoto von Andreas Ineichen
        Andreas Ineichen, 13.02.2022, 22:37 Uhr

        Danke für Ihre Rückmeldung. Wir haben wohl per Definition unterschiedliche Vorstellungen davon, was provozierende bis teils gar respektlose Fragen sind. Ich liebe es, meinen Gesprächspartner dazu herauszufordern, mir Antworten abseits der Allgemeinplätze zu liefern. Das gelingt mal besser, mal weniger gut.
        Aber ich kann Ihnen versichern, dass sich Marius Müller in keiner Sekunde unseres Gesprächs brüskiert fühlte. Zumindest hätte er es mir nach unseren vielen Gesprächen gekonnt verborgen.

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    • Profilfoto von Ruedi Schulze
      Ruedi Schulze, 12.02.2022, 10:48 Uhr

      Du hast so keine Ahnung! Endlich mal jemand der nicht immer 0815-Phrasen redet, sondern so wie es ist!! Aber das verstehen solche Leute wie du leider nicht. Müller ist einer der Besten die je in Luzern und der Schweiz im Tor standen. Aber auch das wirst du nicht erkennen 🙂

      Geh weida, Skifahren und curling schauen 😉

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  • Profilfoto von Keiser Beat
    Keiser Beat, 11.02.2022, 22:35 Uhr

    Marius Müller ist einfach ein Vollblutprofi mit Charakter. Solche Spieler, die auch zum Verein stehen wenn es schlecht läuft und ihm auch etwas zurückgeben wollen ,gibt es leider nicht mehr viele.
    Danke Marius wir danken Dir, dass Du bei uns bist!

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