Kommt es an der EM zum Duell mit der Schweiz?

FCL-Albaner wollen Geschichte schreiben

Drei potenzielle albanische EM-Endrunden-Teilnehmer stehen derzeit im Kader des FC Luzern (von links): Hekuran Kryeziu, Jahmir Hyka und Migjen Basha. (Bild: esa)

Diesen Samstag werden die Gruppen für die Fussball-Europameisterschaft 2016 in Frankreich ausgelost. Gegen wen spielt die Schweiz? Trifft die Nati etwa auf Albanien? Dies interessiert besonders auch die aktuellen und ehemaligen FCL-Albaner, die sich selbst noch Chancen auf eine Teilnahme einräumen. zentral+ sprach mit ihnen über Brüderduelle, historische Siege und die besondere Rolle des Kosovos.

Böse Zungen sprechen bei der Schweizer Fussballnati von «Albanien 2». Dabei könnte man die albanische Nationalmannschaft genauso gut «Schweiz 2» nennen. In beiden Teams gibt es Spieler, die beide Pässe besitzen und einen engen Bezug zu beiden Nationen haben. Bei der Tableau-Auslosung zur Europameisterschaft in Frankreich könnte es passieren, dass es zum Duell Schweiz gegen Albanien kommt. Hekuran Kryeziu, Jahmir Hyka, Migjen Basha und Burim Kukeli sehen eine verzwickte Ausgangslage.

Die Qual der Wahl

«Ich habe bis zur U21 alle Stufen der Schweizer Nati durchlaufen», erzählt Hekuran Kryeziu. «Jetzt kann ich mich zwischen drei Teams entscheiden: Schweiz, Albanien oder Kosovo.» Der Mittelfeldspieler des FC Luzern steht vor der Qual der Wahl. Kryeziu kam in Luzern zur Welt und lebte 20 Jahre lang in Küssnacht am Rigi. «Ich habe eine Schweizer Mentalität mit albanischen Einflüssen. Klar sind meine Eltern beide aus dem Kosovo, aber mich einer Nationalität zuzuordnen, ist schwierig. Ich bin quasi ein halb/halb.» Vergangenen November hatte der 22-Jährige die Chance, erstmals bei der kosovarischen Nati reinzuschnuppern – bei einem Freundschaftsspiel, das diesen Namen auch verdient, nämlich gegen Albanien.

«Die Schweizer Nati hat ein brutal starkes Kader.»

Hekuran Kryeziu, Albaner im Dress des FCL

«In Albanien sprach man vom Brüderduell. Es war ein Fest, um der albanischen Nationalmannschaft Respekt zu zollen. Sie haben zum ersten Mal in ihrer Geschichte eine EM-Quali überstanden.» Der kosovarische Nationaltrainer hatte sich im Vorfeld sehr darum bemüht, Kryeziu zu sich zu holen. Dieser war von seinem Ausflug positiv überrascht. «Eigentlich dürfen nur 20’000 Fans ins Stadion, aber es kamen mehr – niemand wollte diesen Match verpassen.» Es habe Spass gemacht mit all den jungen Spielern, die alle im Ausland und nicht in der heimischen Liga spielen.

Die albanische Nationalmannschaft feiert die Qualifikation für die EM-Endrunde. Mit dabei auch ganz viele Spieler, die den Schweizer Pass besitzen. (Bild: Albanischer Fussballverband)

Die albanische Nationalmannschaft feiert die Qualifikation für die EM-Endrunde. Mit dabei auch ganz viele Spieler, die den Schweizer Pass besitzen. (Bild: Albanischer Fussballverband)

Kosovo wartet auf Anerkennung als FIFA-Fussballnation

Der Stammspieler des FCL hat auch Kontakt zum albanischen Verband, zu dem er wechseln könnte. «Ich kann mich immer noch umentscheiden. Auch in der albanischen Nati kenne ich viele Spieler, mit denen ich in der Junioren-Mannschaft der Schweiz gespielt habe. Sie haben gesagt, dass ich ein interessanter Spieler für sie bin.» Beim letzten Aufgebot, das Kryeziu für die albanische Nationalmannschaft erhielt, spielte er noch bei der Schweizer U21. «Damals war es kein Thema für mich.» Heute sieht die Situation nochmals anders aus. Der Kosovo soll gemäss eigenen Quellen nächsten Frühling als Fussballnation von der FIFA anerkannt werden und wäre somit zur Teilnahme an der Qualifikation für die WM 2018 in Russland berechtigt.

Gleichzeitig besteht für Kryeziu die Chance, mit Albanien an der Euro 2016 in Frankreich teilzunehmen – sofern er ein Aufgebot erhält. «Ich müsste es mir sicher genau überlegen, weil man nicht jedes Jahr an so einem grossen Turnier dabei sein kann.» Dass er für die Schweiz an die EM fährt, hält Kryerziu hingegen für unrealistisch. «Im Moment ist es einfacher, für Albanien oder den Kosovo zu spielen als für die Schweiz. Die Schweizer Nati hat ein brutal starkes Kader.»

Hekuran Kryzieu freute sich auf Instagram mit seinen albanischen Kollegen über die EM-Teilnahme:

 

#nationalteam #kosova #albania #bros 🇽🇰🇦🇱

Ein von Hekuran Kryeziu 3⃣1⃣ (@hk.31) gepostetes Foto am12. Nov 2015 um 10:39 Uhr


 

Migjen Basha in der Vorreiterrolle

Schweiz in Lostopf 2, Albanien in Topf 4

Diesen Samstag findet in Paris um 18 Uhr Ortszeit die Gruppenauslosung für die Europameisterschaft 2016 in Frankreich statt. Es werden sechs Gruppen à vier Mannschaften ausgelost. Die Mannschaften sind gemäss dem UEFA-Koeffizent auf vier Lostöpfe aufgeteilt. In Lostopf 1 befinden sich die stärksten Mannschaften wie zum Beispiel Gastgeber Frankreich, Weltmeister Deutschland oder Titelverteidiger Spanien. Die Schweiz befindet sich in Lostopf 2. Albanien wird aus dem vierten Lostopf gezogen. Die Gruppenphase läuft vom 10. bis 22. Juni 2016. Die beiden Gruppenersten sowie die vier besten Gruppendritten erreichen die K.-O.-Runde, die ab dem 25. Juni 2016 beginnt. Das Europameisterschaftsfinale findet am 10. Juli 2016 im St.-Denis-Stadion bei Paris statt.

Migjen Basha kam im Waadtland zur Welt. «Meine Eltern leben seit 40 Jahren in Lausanne. Wir hatten hier nie Probleme und schätzen die Schweiz. Aber meine Heimat bleibt der Kosovo, bleibt Albanien.» Auch Basha hat als junger Spieler alle Juniorenstufen der Schweizer Nati durchlaufen. Bis zur U19 war der Romand Stammspieler, machte in der U21 noch ein Spiel. «Als ich anfing, regelmässig für Lausanne-Sports zu spielen, haben sie mich sofort kontaktiert. Das hat mich gefreut.» Als Basha 19-jährig in die italienische Serie C wechselte, verschwand er vom Radar des schweizerischen Fussballverbandes. Nichtsdestotrotz war für ihn früh klar, für welche Nation er spielen will. «Ich habe mich schon sehr jung auf Albanien festgelegt.»

Doch da gab es ein Problem: Alle Kosovaren galten bis zur Unabhängigkeit 2008 politisch als Serben. «Ich hatte keinen albanischen Pass und konnte deshalb nicht für die albanische Nationalmannschaft spielen», erinnert er sich. Dies habe zu einer Blockade geführt. «Ich musste mit Anwälten, UEFA und FIFA sprechen. Erst seit vier Jahren darf ich für Albanien spielen.» Bashas juristischer Weg zur albanischen Nationalmannschaft wurde zum Präzedenzfall. «Nachdem das Problem gelöst war, kamen auch die anderen Schweizer mit kosovarischen Wurzeln nach.» Heute spielen etwa auch Shkelzen Gashi oder Taulant Xhaka des FC Basels für Albanien.

Und jetzt, da der Kosovo vor der FIFA-Anerkennung steht, könnte Basha wieder einen fussballerischen Nationenwechsel vornehmen. Doch er sagt: «Für mich ist das keine Option. Ich bin bei der albanischen Nationalmannschaft. Für den Kosovo zu spielen wäre daher sehr schwierig.» Ähnlich sieht es Basha bei den derzeitigen Schweizer Nationalspielern mit albanischen Wurzeln, die bei einer Anerkennung Kosovos wahrscheinlich auch die Möglichkeit hätten, zu wechseln. «Ich kann mir kaum vorstellen, dass die Schweizer Nationalspieler, die in der Schweiz geboren sind und häufig für dieses Land spielen, sich für den Kosovo entscheiden.» Keine Sorge also um Xherdan Shaqiri oder Valon Behrami.

Unterschiedliche Wünsche

Burim Kukeli ist ebenfalls ein gebürtiger Kosovare, der in der Schweiz gross geworden ist. Seine Karriere entwickelte sich gemächlich, er gilt als Spätzünder. Deshalb spielte er auch nie für eine Schweizer Juniorenauswahl. Der ehemalige Mittelfeldpuncher des FCL schnürt seine Fussballschuhe mittlerweile beim FC Zürich und ist fester Bestandteil der albanischen Nationalmannschaft. Auch er kann sich einen Wechsel zur kosovarischen Nationalmannschaft nicht vorstellen. «Für mich kommt das nicht infrage. Ich bin stolz und dankbar, für Albanien zu spielen. Beim Kosovo werden Junge nachkommen, die sich freuen, für dieses Land zu spielen.»

«Wenn schon gegen die Schweiz, dann erst im Final.»

Burim Kukeli, ehemaliger FCL-Mittelfeldspieler

Es gibt auch «echte» Albaner

Doch es gibt nicht nur Kosovaren bei der albanischen Nationalmannschaft. Luzerns Jahmir Hyka zum Beispiel ist ein Junge aus Tirana, der Hauptstadt Albaniens. Der Flügelspieler des FCL freut sich riesig über den historischen Erfolg seiner Nation. «Ich war in Tirana, als Albanien das entscheidende Quali-Spiel gegen Armenien gewann. Alle Leute gingen auf die Strasse. Das war schön.» Hyka gab sein Nationalmannschafts-Debüt schon vor acht Jahren und gehört dementsprechend zu den Erfahrenen. Gleichwohl war sein Anteil an der EM-Qualifikation gering – er war nur bei einem Spiel dabei. Seit eineinhalb Jahren kommt er nicht mehr zum Zug. «Vielleicht kannst du mich nicht mehr Nationalspieler nennen, aber ich hoffe, dass meine Chancen noch intakt sind», gibt er zu Protokoll. In Luzern spiele er immer. «Ich hoffe, die albanischen Verantwortlichen sehen das und berücksichtigen mich wieder.»

«Auch für die Schweiz wäre eine Gruppe mit Albanien schön.»

Jahmir Hyka, albanischer FCL-Flügerflitzer

Weshalb er nicht mehr in der Nationalmannschaft spielt, kann sich Hyka nicht so recht erklären. «Es sind noch sechs Monate, in denen jeder eine Möglichkeit hat, sich für die EM in Frankreich zu empfehlen. Ich werde Gas geben und hoffe, dass ich dabei bin.» Wenn es zu einer Gruppe zusammen mit der Schweiz käme, würde sich Hyka darüber freuen. «Auch für die Schweiz wäre das eine schöne Gruppe.» Anders sieht dies jedoch Burim Kukeli. «Wenn Albanien schon gegen die Schweiz spielen muss, dann lieber erst im Final», sagt er augenzwinkernd. Für ihn wäre das Eröffnungspiel gegen Frankreich schön. «Aber klar, es ist kein Wunschkonzert.»

Hyka gemeinsam mit seinem Nationalmannschaftskumpel Burim Kukeli:

 

With a good friend of me @burimkukeli 😄👐 #albanian#national#team#proud

Ein von Jahmir Hyka (@jahmirhyka8) gepostetes Foto am2. Sep 2014 um 12:31 Uhr


 

Das Los des Schicksals

Käme es an der Euro 2016 tatsächlich zum Spiel Schweiz gegen Albanien – es wäre für beide Seiten ein spezielles Spiel. «Ich denke, dass so ein Spiel einen sehr freundschaftlichen Charakter hätte», sagt Migjen Basha. Dennoch überwiegt für ihn der Wettkampfcharakter. «Man schaut nicht drauf, ob auf der anderen Seite des Spielfelds Freunde sind. Wenn man das Trikot der Nationalmannschaft trägt, dann will man gewinnen.» Die Schweizer hätten übrigens die gleiche Mentalität. Selbst wenn er ein Tor gegen die Schweiz schiessen würde, wäre das für Basha kein Grund für spezielle Gesten. «Ich mache sowieso nicht viele Tore, und wenn ich einmal treffe, bin ich ruhig. Da macht es keinen Unterschied, gegen wen ich treffe.»

Hekuran Kryeziu fände die Affiche Schweiz gegen Albanien an der EM ein spannendes Spiel. «Es würde mich freuen. Noch mehr – wenn ich dabei sein könnte.» Sollte er das Spiel jedoch als Zuschauer mitverfolgen, wäre sein Herz gespalten. «Dann wünschte ich mir ein Unentschieden.» Aber was, wenn es ein K.O.-Spiel wäre? «Das ist wirklich schwierig zu sagen», erklärt der junge Mann, «ich würde es dem Schicksal überlassen.» Welche Fügung dieses Schicksal mit sich bringt, zeigt sich erstmals bei der EM-Gruppenauslosung diesen Samstag. Ob man sich nun darauf freut oder nicht – eine interessante Begegnung wäre Schweiz gegen Albanien dabei allemal.

Und so sehen die vier Töpfe aus. Die Schweiz befindet sich in Topf 2, Albanien in Topf 4. (Bild: UEFA)

Und so sehen die vier Töpfe aus. Die Schweiz befindet sich in Topf 2, Albanien in Topf 4. (Bild: UEFA)

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