Der Flirt mit der Kurve – und Pascal Schürpf

FCL-Grosi: «Ich fühle mich wie die Queen»

Alle zwei Wochen winkt FCL-Grosi Ursula Hug den vorbeimarschierenden Fans vom Balkon her zu – und fühlt sich dabei wie die Queen. (Bild: fcl.fan-fotos.ch)

Kudi Müller, Roger Wehrli oder Paul Wolfisberg: Sie gelten als Legenden im FC Luzern. Diesen Status wird dereinst wohl auch Ursula Hug erlangen. Das FCL-Grosi erzählt zentralplus, was sie von den jungen Fans der Kurve, von Bernhard Alpstaeg und vom VAR hält.

Es war kein gutes Spiel des FC Luzern. Mit Müh und Not konnte eine Niederlage gegen den FC Lugano abgewendet werden, nachdem man im eigenen Stadion 2:0 geführt hatte. Die Stimmung ist mau. Wenig euphorisch zieht es die Fans nach dem Spiel über die Moosmattstrasse zurück ins Stadtzentrum. Auf einem normalerweise unscheinbaren Balkon steht Ursula Hug. Sie winkt den Menschen zu, die sie kennt. Und denen, die sie nicht kennt. Ihr Balkon ist blau-weiss geschmückt. Auch ein Shirt der Bewegung «Zäme meh als 52 Prozänt» hängt draussen.

zentralplus hat sich mit FCL-Grosi Ursula Hug getroffen. Die 75-Jährige ist bester Laune. Wenn es um Fussball geht, sprudeln die Anekdoten nur so aus ihr raus. «Ich habe an einem Matchtag mehr Kontakt mit Menschen als die ganze Woche über», erzählt sie. «Die Leute fotografieren den Balkon, rufen ‹Hopp Lozärn› und anderes zu mir hoch.» Es brauche nur wenig, um die Menschen glücklich zu machen. Und das entspreche ihr: «Ich möchte Spuren hinterlassen und Zeichen setzen. Das ist mein Lebensziel.»

Dem Enkel etwas bieten können

Das hat Ursula Hug bereits getan. Sie ist nicht nur das FCL-Grosi, sondern auch die «Nonna» ihrer Enkel. Von ihnen hört sie Sätze wie: «Du bist eine alte Frau. Aber ich liebe alte Frauen.» Für Hug ist klar: «Grosskinder sorgen dafür, dass man länger jung bleibt.» Sie habe ihrem ältesten Enkel Tesfaye etwas bieten wollen. Mit ihm sitzt sie an jedem Spiel im Familienbereich des Stadions. «Er ist ein Unruhiger. Aber an den Spielen sitzt er ganz still da und beobachtet das Geschehen.»

FCL-Grosi Ursula Hug und ihr Enkel Tesfaye auf dem Balkon an der Moosmattstrasse mit einer Abschiedsbotschaft für Ibrahima Ndiaye. (Bild: zvg)

Tesfayes Lieblingsspieler sei bis im vergangenen Sommer Ibrahima Ndiaye gewesen. Der Stürmer habe beim Vorbeifahren immer angehalten, um ihrem Enkel «hello, my brother» zu sagen. Inzwischen spielt er in Ägypten (zentralplus berichtete).

«Sie kamen wie eine Wand auf mich zu»

Mit Ndiaye holte der FC Luzern im Mai 2021 den ersten Cupsieg seit 1992. Er schoss das 1:0. Tausende verfolgten das Spiel beim spontan von Fans organisierten Public-Viewing im Vögeligärtli (zentralplus berichtete).

10'000 Anhänger des FCL fanden sich schliesslich am Abend an der Cupsieger-Feier vor den Messehallen wieder (zentralplus berichtete). Viele von ihnen pilgerten zu Fuss Richtung Allmend – via Moosmattstrasse, vorbei am Balkon des FCL-Grosis. Sie erinnert sich bestens an die Menschenmassen. «Sie kamen wie eine Wand auf mich zu», beschreibt Ursula Hug die Szenerie. Das habe ihr unglaublich imponiert. Weil es damals niemand mehr gewohnt war, so viele Menschen auf einem Fleck zu sehen. «Ich bekam fast ein ‹Härzchriesi›», erinnert sich Hug lachend.

Der Flirt mit der Kurve …

Doch bei dieser einen Begegnung mit der Kurve sollte es nicht bleiben. Sie gehe auch an die Spiele der U-21-Mannschaft des FCL, erzählt Ursula Hug. An einem dieser Spiele sei «jemand vom Bundesplatz» – gemeint sind die Fans, die sich gerne im Fanlokal Zone 5 treffen – auf sie zugekommen und habe gesagt: «‹Lo do›, das FCL-Grosi ist auch am Match.» Gar nicht frech habe sie das gefunden. Sie möge den Übernamen, unter dem sie inzwischen bei vielen Fans bekannt ist. Als die U-21 und die FCL-Frauen am Tag des Fussballs im November 2022 in der Swissporarena gespielt hätten, habe sie sich denn auch zur Kurve gesellt.

Die ihr liebste Erinnerung erzählt das FCL-Grosi besonders gerne. Sie handelt von den Feierlichkeiten der Fanorganisation USL zum 120-Jahr-Jubiläum des FC Luzern. Ein Fan habe sie damals im September 2021 gefragt, ob sie den Cupsieger-Pokal denn schon einmal in den Händen gehalten habe. «Daraufhin liess ich mich mit dem ‹Chöbu› fotografieren», erzählt sie stolz und zückt das Smartphone, um nach dem Foto zu suchen.

(Bild: zvg)

Auch dank dieser Begegnungen hat Ursula Hug eine differenziertere Meinung zu den Fans aus der Kurve, als so manches journalistisches Medium in der Stadt. «Die Jungen haben es heute nicht einfach. Sie müssen irgendwo ihre Aggressionen abbauen, Dampf ablassen. Sie deswegen zu verteufeln und schlechtzureden – ich weiss nicht, ob das der Weg ist?», fragt sich Hug nachdenklich. «Nach Corona waren wir alle lange abgeschottet von allem. Da hat sich viel aufgestaut.» Sie habe aber auch schon den Zeigefinger gehoben und den Fans zugerufen: «Reisst euch zusammen, macht keinen Blödsinn.»

… und mit Pascal Schürpf

Mit Blödsinn soll sich von Zeit zu Zeit auch Pascal Schürpf beschäftigen (zentralplus berichtete). Seit einigen Wochen trägt er sein Haar wasserstoffblond. Zu Ursula Hug soll er gesagt haben: «Ich wollte eben schon immer eine Frisur wie du.» Ihre Antwort: «Für meine weissen Haare habe ich aber einiges länger gebraucht als du.»

Doch wer Frisuren allzu ernst nehme, verliere bei ihr an Kredit. So etwa auch Bernhard Alpstaeg. «Unseren Sportchef Rémo Meyer hat er wegen seiner langen Haare fertig gemacht. Das geht doch nicht», findet Hug und wirkt erstmals leicht genervt. Manchmal tue Alpstaeg ihr fast etwas leid. «In seiner Verzweiflung ging er zum ‹SonntagsBlick›», spricht sie auf das Videointerview an, das den Streit zwischen Bernhard Alpstaeg und dem FCL-Verwaltungsrat öffentlich zur Eskalation gebracht hat (zentralplus berichtete).

«Wer auf sachlicher Basis diskutiert, darf seine Meinung äussern. Aber nicht solchen Blödsinn», fährt Hug fort. Für sie sei klar: «Das grosse Ganze steht über allem und dem Einzelnen.» Darum gehe sie auch nicht mehr ins Schützenhaus. Das Lokal gehört Bernhard Alpstaeg – und wurde zuletzt zum Spielball seiner Machtansprüche (zentralplus berichtete).

Schiedsrichterin der ersten Generation

Bernhard Alpstaeg ist 77 Jahre alt, Ursula Hug zwei Jahre jünger. Mit Nicole Mouidi habe sie ihre Ausbildung zur Fussballschiedsrichterin abgeschlossen. Nicole Mouidi? Hinter diesem Namen steckt Nicole Petignat, die in den 90er-Jahren mit dem Fussballer Mohammed Mouidi verheiratet war. Petignat war eine der ersten Frauen überhaupt, die Spiele im Schweizer Männerfussball auf höchster Stufe gepfiffen hat.

Ursula Hug wurde Schiedsrichterin, als der FCL von einem eigenen Frauenteam noch weit entfernt war. Selbst der Schweizerische Fussballverband hat erst seit wenigen Jahren ein Konzept zur Förderung des Frauenfussballs (zentralplus berichtete). Später habe sie Junioren der Stadtluzerner «OG Kickers» trainiert, erzählt Hug. Dort spiele inzwischen auch ihr Enkel Tesfaye. Doch träume er selbstverständlich von einer Karriere beim FCL.

Ihrer Karriere als Schiedsrichterin habe sie einen ganz eigenen Blick auf das Spielfeld zu verdanken: «Man schaut die Spiele anders. Konzentrierter und fokussierter. Und ich würde nie am ‹Schiri› herummotzen. Ausser, es geht um den VAR.» Für das FCL-Grosi ist klar: «Der VAR macht den Fussball kaputt.» Das hätten die vielen umstrittenen Entscheide der vergangenen Wochen abermals bewiesen.

Sportlich auf Meisterkurs?

Doch der VAR hält Ursula Hug nicht davon ab, sich ob der sportlichen Erfolge des FCL zu freuen. «Wenn sie so weitermachen wie jetzt, kann das mit dem Meistertitel schon mal was werden», findet sie. «Und wenn ich die Entwicklungen im Nachwuchs beobachte, denke ich immer wieder: ‹Das ist ja genial›!»

Das FCL-Grosi begrüsst die Kurve auf dem Weg zum Stadion. (Bild: fcl.fan-fotos.ch)

Bis die Spieler des FCL den Fans als Schweizer Meister zuwinken werden, könnte es noch etwas dauern. Seit 1989 wartet der Verein auf den zweiten Titel. Unterdessen übernimmt das FCL-Grosi diese Aufgabe – und zwar mit grösster Gewissenhaftigkeit. «Ich höre die Trommeln der Fans von weit her. Und stehe dann auf meinem Balkon parat.» Es seien spezielle Momente, erklärt Ursula Hug und blickt vom Balkon in die Ferne. «Ich fühle mich dann wie die Queen.»

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit FCL-Grosi Ursula Hug
  • Artikel zum 120-Jahr-Jubiläum des FCL auf «Regiofussball.ch»
  • Artikel zu Nicole Petignat auf «Wikipedia»
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4 Kommentare
  • Profilfoto von Sapperlotta
    Sapperlotta, 21.05.2023, 11:47 Uhr

    Nennt sich Frau Hug selber „Grosi“? Sie ist zwar ein Grosi, aber nur für ihre Enkel. Die Kommentatoren würdigen sie als „Dame“. Im Übrigen, warum nicht OPA Alpstaeg, der zwei Jahre älter ist?

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  • Profilfoto von FCL-Fan
    FCL-Fan, 19.05.2023, 11:21 Uhr

    Diese Dame ist einfach nur spitze! Leidenschaft hoch 10 für den FCL. Grossartig!

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    • Profilfoto von Chris Spycher
      Chris Spycher, 21.05.2023, 15:11 Uhr

      Und was fast niemand weiss, ihr wahres Herz schlägt für YB.

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  • Profilfoto von Ruedi Widmer
    Ruedi Widmer, 18.05.2023, 08:52 Uhr

    Die Dame ist wirklich unglaublich. Als grosser AC Milan Fan schaffte sie es sogar in den Mannschaftsbus des FC Sion für ein Selfie mit Super Mario Balotelli.

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