Schweizweit erste alkoholfreie Bar auf dem Bürgenstock

Fasnachtskater! Wie wär’s mal nüchtern in einer Bar?

Schön bunt, aber nüchtern: Dinesh Karki serviert CosNopolitan in der Verbena-Bar. (Bild: hae)

Ist Nüchternheit die neue Coolness? Das «Waldhotel» auf dem Bürgenstock hat die erste alkoholfreie Bar der Schweiz. Wo bleiben Nachahmer? Auf der Suche nach einem neuen Trend, der nicht nur nach Silvester und Fasnacht greifen könnte.

«Prost!», sagt Dinesh Karki und stellt einen CosNopolitan auf die Bar, einen sogenannten Mocktail, wie Cocktails ohne Alkohol genannt werden. Während der aus der TV-Serie «Sex and the City» vor allem bei der Damenwelt bekannte Cosmopolitan meist aus Wodka, Orangenlikör, Limetten- und Cranberrysaft gemixt wird, braucht Barkeeper Karki in der Verbena-Bar auf dem Bürgenstock «nüchterne» Ingredienzien: Limette, Cranberry, Grapefruit sowie Honig; und anstatt des Alkohols das Seedlip-Destillat mit Citrusgeschmack. 

Der Nepalese Dinesh Karki, seit 21 Jahren in der Schweiz und Barkeeper im «Waldhotel», kredenzt im schicken Schwenker einen Aperitif, der erfrischt und belebt. Aber nüchtern hält. Und mit 15 Franken dennoch euphorisch aufs Portemonnaie schlägt, als sei es ein hochprozentiger Stimmungsaufheller. Doch gemach: «Verbena»-CosNopolitans kann der Bargast à gogo trinken, er wird nach dem Zechen nicht lallen oder Doppelbilder sehen.

Die neue Nüchternheit ist im Ausgang angekommen, freut sich Manager Cédric Moser, der im «Waldhotel» für Essen und Getränke zuständig ist. Und stolz seine Verbena-Bar zeigt. Ob denn die arabischen Bürgenstock-Investoren dazu den Anschub gegeben hätten, gerade hier vor einem guten halben Jahr die schweizweit erste alkoholfreie Bar zu gründen? Nein, sagt Moser, denn die katarischen Besitzer liessen dem Food-and-Beverage-Management ziemlich freie Hand. 

«Wir wollten einfach die Bandbreite des Angebots vergrössern.»

Cédric Moser, Manager im «Waldhotel»

Der Effort kam von «Waldhotel»-Seite: Georg Keller hat als Manager von Lobby, Bar und Room Service das Ganze konzipiert. «Wir wollten einfach die Bandbreite des Angebots vergrössern», sagt Moser. San Bitter und alkoholfreies Bier reichten seinem Team nicht mehr, um auch ihre verwöhnten alkoholabstinenten Gäste bei Laune zu halten. Ausserdem ist auf dem Bürgenstock im Winter eine weitere Bar offen, wo man sich gerne traditionelle Cocktails mit Schuss genehmigen kann. «Im Sommer sind es zusätzlich diverse Terrassen, die Drinks servieren», erklärt Moser nebenbei. 

Inspiration für andere Gastronomen

Ausgang in Bars gleich Sich-Beschwipsen, das sei nicht mehr die zwingende Formel einer vermehrt gesundheitsbewusst werdenden Generation, die oft auch Fleisch-abstinent leben möchte. Und es ist laut Moser erfreulich: Der Umsatz in der Verbena-Bar steigt konstant. «Wir haben derzeit die fünffache Gästeanzahl wie bei Lancierung im Juli 2019. An den Wochenenden muss die hippe Klientel gar anstehen für unsere Mocktails», erklärt Moser. Er freut sich, dass immer mehr andere Gastronomen aus der Schweiz sich anmelden, um sich über das Konzept vor Ort zu erkundigen: «Unsere Verbena-Bar gilt als Inspiration für andere Gastronomen.»

Will mehr Bandbreite: Cédric Moser vom «Waldhotel» mit alkoholfreiem Wein. (Bild: hae)

Bald einmal will auch Daniel Trachsler, Vorsitzender der Sektion Deutschschweiz der Swiss-Barkeeper-Union (SBU) und Betreiber der Liquid Soul Bar in Weggis, sich das «Verbena»-Konzept anschauen. Er hat in seiner Bar seit 27 Jahren Mocktails im Angebot, bei ihm kosten die 8.50 Franken, beschwingte Drinks 13.50. Er stellt den Trend zu Mocktails, die früher 0-Promille-Drinks hiessen, schon länger fest. Auch auf professionellem Niveau: Die offiziellen Schweizer Mocktail-Meisterschaften sind anlässlich der Schweizer Cocktail-Meisterschaften 2013 von der SBU eingeführt worden. Es ist nicht einfach nur ein Wettbewerb, es ist ein Championship, deren Sieger auf internationaler Ebene von der SBU weiterdelegiert wird. 

«Ich esse sehr gerne Fleisch, aber wenn mich auf einer Karte ein vegetarischer Burger anlacht, möchte ich wissen, wie der schmeckt.»

Daniel Trachsler, Barmann und Vorsitzender der Swiss-Barkeeper-Union

Daniel Trachsler führt den Trend auf die weitaus grössere Bandbreite des Angebotes zurück: «Früher gab es doch nur Schweppes-Tonic, heute wird ein Kult nicht nur um den Gin, sondern eben auch das passende Tonic gemacht.» Selbst er, der neben 26 alkoholischen auch fünf alkoholfreie Drinks im Angebot hat, probiere immer mal gerne was anderes aus: «Ich esse sehr gerne Fleisch, aber wenn mich auf einer Karte ein vegetarischer Burger anlacht, möchte ich wissen, wie der schmeckt.» 

Organisiert gar Mocktail-Wettbewerbe: Daniel Trachsel. (Bild: hae)

Ohne vom «Verbena» inspiriert zu sein, hat auch die weit über Luzern hinaus bekannte Bar Karel Korner in der Neustadt ihr alkoholfreies Angebot ausgebaut: Seit April 2019 stehen unter dem Titel «Unbetrunken» jeweils drei Mocktails im Menü. Sie heissen in bekannter kreativer Manier «Schluckspecht» oder «Blaue Brause», und für die neue Karte tüftelt das Team um Judith Lauber bereits an neuen Kreationen. 

«Die Nachfrage steigt zusehends, Mocktails machen bereits rund 5 Prozent des Umsatzes aus.»

Judith Lauber, Barfrau im «Karel Korner»

Barfrau Judith Lauber freut sich: «Die Nachfrage steigt zusehends, Mocktails machen bereits rund 5 Prozent des Umsatzes aus.» Spass und Genuss seien gleich wie bei alkoholhaltigen Getränken – und sie sähen überdies genauso elegant aus. Lauber ergänzt: «Es ist wichtig, dass man auf den Kunden eingeht und versteht, welche Zutaten zu ihm passen. Das Getränk muss also individuell auf den Kunden abgestimmt sein.» Diese Drinks kosten zudem mit 10.50 Franken nur rund zwei Drittel der alkoholischen Cocktails.

Beim Preis setzt ein anderer Barkeeper aus Luzern an, der lieber anonym bleibt: «Wir können uns derzeit Mocktails nicht leisten, weil wir dann vermutlich an Umsatz verlieren würden.» Rund 80 Prozent des Gewinnes laufen in seiner Bar über Spirituosen, und lediglich ein- oder zweimal in der Woche bestellt jemand mal ein alkoholfreies Bier. Er will seine Gäste nicht auf andere Gedanken bringen und bietet bewusst keine Mocktails an. Und sagt zum Schluss: «Wir kleinen Bars können uns das nicht leisten, der Bürgenstock kann seine Verbena-Bar vermutlich locker mit den anderen Betrieben quersubventionieren.»

Schenkt auch nüchternen Spass aus: Barfrau Judith Lauber im «Karel Korner». (Bild: hae) (Bild: hae)

Dazu möchte sich Cédric Moser nicht äussern. Lieber zeigt er sein weiteres Angebot: Alkoholfreies Bier wird schon lange gebraut, in den letzten Jahren gibt es gar solche, die ansprechend schmecken. Neu ist in der Verbena-Bar auch alkoholfreier Wein wie die Wilde Heidelbeere vom Obsthof Retter in Österreich oder Vaux Träublein, ein biologischer Rosé-Sekt aus Deutschland zu haben. Getränke, die schmecken und nicht schwanken machen – aber auch sonst die Laune heben. Wer cool sei, trinke im Ausgang Smoothies, Limonaden, Kokoswasser und Ingwer Shots, weiss Cédric Moser. Am nächsten Tag könne man mit der vollen Dosis Vitamine und garantiert katerfrei in den Tag starten.

In einer modernen urbanen Gesellschaft, in der Unmengen an Geld für kaltgepresste Säfte und Yogaklassen ausgegeben werden und Wellness für viele Menschen zu einem Teil ihres Lifestyles geworden ist, passe diese neue Nüchternheit bestens zum Zeitgeist. Nicht nur nach Silvester und Fasnacht.

Eine wichtige Zielgruppe für die schicken sogenannten «Sober Bars» (nüchterne Bars) in London, Wien, Dublin oder New York sind demzufolge die jugendlichen Millenials, die weniger aus Gründen des Autofahrens oder aus Religiosität keinen Alkohol trinken, sondern für die körperliches Wohlbefinden und Körperbewusstsein im Vordergrund stehen. 

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