Fairness bei Strafverfahren in Frage gestellt

Wird gegen eine Person ein Strafverfahren eröffnet, hat diese einen «Anspruch auf ein faires Verfahren und eine wirksame Verteidigung». Das schreibt ein überparteiliches Komitee des Zuger Kantonsrates in einer Motion. Darin geht es um die Frage nach der Unabhängigkeit von amtlichen Verteidigern. Im Kanton Zug ist es gängige Praxis, dass der Staatsanwalt einen Anwalt aussucht, der die angeklagte Person im Verfahren verteidigen soll. Diese Auswahl durch den Staatsanwalt sei unfair, sagen die Kantonsräte, und verlangen eine Gesetzesrevision. Sie fordern, dass das Obergericht dem Kantonsrat eine Ergänzung des Gesetzes über die Organisation der Zivil- und Strafrechtspflege vorlegen soll. Diese Ergänzung soll die Unabhängigkeit von amtlichen Vertretern im Strafverfahren garantieren. 

Dazu reichten Karin Andenmatten-Helbling, Alois Gössi, Andreas Hürlimann, Thomas Lötscher und Thomas Wyss eine Motion ein. Für ihren Vorstoss führen sie mehrere Gründe an. Es gebe bisher im Kanton Zug keine Richtlinien für die Zuteilung von amtlichen Vertretern, sondern einzig eine vom Anwaltsverein zur Verfügung gestellte Liste mit dem Namen «Anwalt der ersten Stunde». Aus dieser Liste könne der Staatsanwalt der angeklagten Personen einen Verteidiger zuteilen.

«Diese Praxis ist fragwürdig»

Das bedeute, so die Kantonsräte, dass der Staatsanwalt seinen «künftigen Gegner» für das Verfahren und eine allfällige Gerichtsverhandlung aussuchen könne. «Diese Praxis ist fragwürdig», sagen die Motionäre, «es besteht die Versuchung, einen möglichst schwachen und/oder passiven Verteidiger beizuziehen, um beispielsweise Verfahrensfehler nicht zum Thema werden zu lassen.»

Es gibt für sie aber auch noch einen anderen Grund zur Beunruhigung: Die Anwälte, welche ein Mandat vom Staatsanwalt erhalten würden, seien einem erheblichen Interessenskonflikt ausgesetzt. Dies besonders, wenn sie fast ausschliesslich als Strafverteidiger tätig seien. Mit anderen Worten: «Wenn die Verteidiger besonders hartnäckig die Interessen des Beschuldigten vertreten, laufen sie Gefahr, sich einen Ruf als unangenehme Gegner zu machen.» Dies könne zur Folge haben, dass die Anwälte keine Mandate mehr erhalten würden. Oder umgekehrt: Wenn ein Anwalt aus finanziellen Gründen auf solche Aufträge angewiesen sei, könne es sein, dass die Interessen der Beschuldigten ungenügend vertreten würden. Unter diesen Bedingungen sei eine wirksame Verteidigung nicht gewährleistet, sagen die Kantonsräte.

Zur Lösung des Problems fordern die Parlamentarier eine Gesetzesrevision über die Organisation der Zivil- und Strafrechtspflege. Darin sei die Zuteilung der amtlichen Mandate so zu regeln, dass die Verteidiger nicht mehr in ihrer Unabhängigkeit beeinträchtigt würden. Explizit wollen die Motionäre verhindern, dass die Fälle künftig durch die fallführenden Staatsanwälte vergeben werden.

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