Was darf Hahnenburger kosten?

Facebook-Gruppe prangert gierige Beizer an

(Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Immer wieder kommt diese Kritik auf: Hahnenwasser in Restaurants solle gefälligst gratis sein. Tatsächlich verlangen einige Gastrobetriebe horrende Preise für einfaches Leitungswasser. Eine neue Facebook-Gruppe stellt diese nun an den Pranger. Ein hochemotionales Thema: Während sich viele an den Preisen stören, nerven sich andere an der Diskussion an sich.

Das Thema ist ein Dauerbrenner an jedem Restauranttisch. Ist es fair, dass man in den meisten Restaurants hierzulande für einfachen Hahnenburger zahlen muss? Gerade während des vergangenen Hitzesommers sprang man nicht nur oft ins kühle Nasse, sondern trank es auch in grossen Mengen. In der Schweiz reichen die Leitungswasser-Preise in Restaurants und Hotels von 1 oder 2 Franken pro Liter bis hin zu saftigen 15 Franken.

«Okay, es hat ein paar Früchtli und Blättli im Wasser, aber – ob es damit wirklich 9.50 Franken pro Liter wert ist?»

Facebook-Gruppe «Kein-Hahnenwasser-Blacklist»


Digitaler Pranger

Gegen überrissene Preise für Hahnenwasser hat sich nun eine Protestgemeinschaft im Netz formiert. Seit dem 1. November gibt es die Facebook-Gruppe «Kein-Hahnenwasser-Blacklist». Initiiert wurde die Gruppe vom Luzerner Schriftsteller und Cartoonist Niko Stoifberg. «Anstatt einen weiten Bogen um gute Restaurants zu machen, die sich weigern, Hahnenwasser auszuschenken, haben wir uns gedacht, wir machen ihre unsympathische und intransparente Wasser- und Preispolitik öffentlich», erklärt er und erläutert so das Konzept. 133 Likes haben sich die Betreiber bereits eingeheimst. Es werden aber nicht nur Restaurants an den Pranger gestellt, die sich weigern, Hahnenwasser zu servieren, sondern auch solche, die hohe Preise dafür verlangen. «Okay, es hat ein paar Früchtli und Blättli im Wasser – aber ob es damit wirklich 9.50 Franken pro Liter wert ist?», mäkelt die Gruppe in ihrem letzten Post. Sie kritisiert damit das Restaurant Grottino 1313 an der Industriestrasse.

Bereits 133 Likes zählt die Anfang November aufgeschaltete Facebook-Gruppe.

Bereits 133 Likes zählt die Anfang November aufgeschaltete Facebook-Gruppe.

(Bild: Screenshot)

Sechs Franken pro Liter

Es sei Mineralwasser ohne Kohlensäure, und nicht das Leitungswasser, das 9.50 Franken koste, verteidigt sich Michael Grey, stellvertretender Geschäftsführer des Grottino 1313. Die Kritik findet er ungerechtfertigt, und sie scheint ihn auch nicht weiter zu kümmern. «Bei uns kostet ein Liter Hahnenwasser sechs Franken, und das ist durchaus angemessen, wenn man bedenkt, dass man dafür auch Geschirr braucht», sagt er schlicht dazu.

«Die Hälfte des Umsatzes eines Betriebes fliesst in die Personalkosten.»

Patrick Grinschgl, Präsident GastroRegionLuzern

Kosten entstehen durch die Dienstleistung

Auch Patrick Grinschgl, Präsident GastroRegionLuzern, findet 6 Franken für einen Liter herkömmliches Leitungswasser fair. Die Diskussion um das kühle Nass scheint ihn zu langweilen. «Jedes Jahr das gleiche Thema, meist im Sommer», enerviert er sich. In der Schweiz könne man nicht auf Gratis-Hahnenburger pochen, «das funktioniert einfach nicht». Man bezahle für die Dienstleistung, nicht für das Produkt, sagt aber Grinschgl. Schliesslich mache es für den Kellner keinen Unterschied, ob er eine Flasche Coca Cola oder eine Karaffe Wasser an einen Tisch trage. In einem Selbstbedienungsrestaurant sei die Situation anders, räumt Patrick Grinschgl ein. Da könne es durchaus Sinn machen, eine Station mit Trinkwasser zur Verfügung zu stellen. Und zu einem Glas Wein oder einem Kaffee findet er es auch angemessen, wenn das Wasser inbegriffen ist. Alles in allem sind für ihn aber die hohen Personalkosten Legitimation genug für das Verrechnen von Leitungswasser: «Die Hälfte des Umsatzes eines Betriebes fliesst in die Personalkosten.»

Forderung nach Transparenz

Niko Stoifberg lässt diese Begründung nicht gelten. «Dann soll man die Dienstleistung aber auch Dienstleistung nennen, nicht Mineralwasser!», empört er sich. Und: «In den USA steht Wasser gratis auf dem Tisch, und der Dienstleistungsaufwand wird mit den allgemeinen Preisen gedeckt, nicht mit zehnfach überteuertem Mineralwasser.» Ein faires System müsse transparent sein, sagt der Schriftsteller. Mit seiner neuen Facebook-Gruppe hofft er, Gastrobetriebe zum Umdenken zu bewegen. Wer sich «fair und transparent» verhalte, werde natürlich sofort vom Online-Pranger entfernt – «in diese Restaurants gehen wir dann auch ganz oft essen», fügt Stoifberg an. 

Hahnenwasser toppt Mineralwasser

Das hochwertige Schweizer Leitungswasser sei nicht nur um ein Vielfaches günstiger als abgefülltes Mineralwasser, sondern auch nachhaltiger, sagt Morris Etter von der Luzerner Non-Profit-Organisation «Wasser für Wasser». Hahnenwasser muss weder verpackt noch über weite Strecken transportiert werden. Hier setzt «Wasser für Wasser» an: Die Bevölkerung soll auf die privilegierte Wassersituation in der Schweiz aufmerksam gemacht und der Ausschank von Leitungswasser gefördert werden.

Das funktioniert so: «Wasser für Wasser» arbeitet mit Gastronomiebetrieben zusammen, welche selbst den Preis für das Hahnenwasser definieren; die Preisempfehlung seitens «Wasser für Wasser» liegt bei 2 Franken pro Halbliter. In der Stadt Luzern machen unter anderem das «B&B Bettstatt», die «Schüür» und der «Schweizerhof Luzern» beim Projekt mit. Die Einnahmen gehen vollumfänglich an die Non-Profit-Organisation, welche sie in Wasser-Infrastruktur- und Bildungsprojekte in Sambia einsetzt.

 

«Wasser für Wasser» setzt sich schweizweit für den Konsum von Leitungswasser ein.

«Wasser für Wasser» setzt sich schweizweit für den Konsum von Leitungswasser ein.

(Bild: zvg)

Der Gastrobetrieb verkauft daneben immer noch Mineralwasser in Flaschen. «Wasser für Wasser» setzt nun mit einigen Partnerbetrieben ein neues Projekt um, bei dem ausschliesslich Wasser im Offenausschank über die Theke geht. Dafür fliesst dann nur noch ein Teil der Einnahmen in die «Wasser für Wasser»-Projekte, nicht wie bis anhin die ganzen. Morris Etter ist optimistisch, dass sich das Konzept verbreiten wird. Schweizweit beteiligen sich bereits rund 170 Gastronomiebetriebe am Projekt. 

 

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