In Luzern Süd ist politisch kluges Handeln gefragt

Expertin: «Menschen sehen Entwicklung nicht per se als Bedrohung»

Die neuen Gebäude beim Südpol bilden eines der Einfallstore zum neuen Stadtteil. (Bild: zvg)

Die Planungen für den neuen Stadtteil Luzern Süd schreiten voran und Kriens hat einen neuen Stadtrat. Bisher gab es offiziell nur wenig Widerstand gegen die Visionen von Kanton und Gemeinden. Doch nun gilt es, mit Augenmass und vor allem klug zu handeln.

Die Visionen für den neuen Stadtteil Luzern Süd zwischen Biregghügel, Sonnenberg, Krienseregg und dem Vierwaldstättersee sind, ohne vermessen zu sein, hochtrabend. Innerhalb der nächsten 20 Jahren soll auf dem 1,7 Quadratkilometer grossen Areal Wohn- und Arbeitsraum für bis zu 15'000 Menschen entstehen.

Am Dienstag wurde das sogenannte «Regelwerk» für die Entwicklung im Süden der Stadt Luzern vorgestellt. Nun soll sich die Bevölkerung aktiv einbringen und ihre Anregungen und Bedenken gegenüber dem Megaprojekt äussern (zentralplus berichtete).

Just in der gleichen Woche hat auch der komplett neue Krienser Stadtrat seine Arbeit aufgenommen (zentralplus berichtete). Die Entwicklung einer Zukunftsvision der Stadt inklusive der Schaffung einer gemeinsamen Identität sowie das Gewinnen des Vertrauens der Bevölkerung gehören zu den grössten Herausforderungen der unerfahrenen Exekutive.

Bisher kaum Identifikation mit dem Gebiet

Insbesondere die Frage des Vertrauens dürfte mitentscheidend sein, dass es im Süden der Stadt Luzern weiter zügig vorangeht. Denn bislang blieb der ganz grosse Widerstand aus. Trotz der politischen Turbulenzen in Kriens und der landesweit geführten Diskussionen über verstopfte Strassen und Züge, über die «masslose Zuwanderung» und über den beklagten Verlust von Kulturland.

Das ist auch für die Expertin einigermassen überraschend. «Dass sich scheinbar wenig Widerstand gegen eine so grosse Entwicklung formiert, war nicht unbedingt erwartbar», sagt Alexa Bodammer. Sie ist Dozentin für Stadt- und Regionalentwicklung an der Hochschule Luzern Abteilung Soziale Arbeit. Die Entwicklungen in unserer Agglomeration verfolgt sie hautnah.

Ein Grund dafür, dass die Prozesse bislang ohne grössere Störfeuer vorangetrieben werden konnten, sieht sie darin, dass es sich bei Luzern Süd um ein Gebiet handelt, welches bisher wenig Identifikationsmöglichkeiten geboten habe. Eine wichtige emotionale und psychologische Komponente für die Gegenwehr falle also weg.

«Die Grösse der Bauten und das Mass der Veränderung wird vielen erst jetzt bewusst, wo die ersten Projekte realisiert sind.»

Alexa Bodammer, Dozentin für Stadtentwicklung, Hochschule Luzern

«Es war zu grossen Teilen ein Gewerbegebiet mit Durchfahrtsstrasse hinter der Autobahn, zumindest bis zum Mattenhof. Zudem sind die laufenden Planungen an sich zu abstrakt und ihre Wirkungen nicht unmittelbar spürbar», so Bodammer.

Folglich unterscheidet sich Luzern Süd grundlegend vom gescheiterten Projekt «Qube» auf dem MParc-Areal in Ebikon, das von der Bevölkerung im Februar 2019 an der Urne versenkt wurde (zentralplus berichtete). Die neue Siedlung wäre mitten ins Dorf gepflanzt worden.

Alexa Bodammer, Dozentin für Stadtentwicklung, Hochschule Luzern (Bild: zvg)

«Sichtbarkeit der Entwicklungen könnte zu mehr Widerstand führen»

Dass es in der Bevölkerung so ruhig bleibt wie bisher, sei aber keinesfalls sicher und könne sich in absehbarer Zukunft ändern, mahnt Bodammer. «Die Grösse der Bauten und das Mass der Veränderung wird vielen erst jetzt bewusst, wo die ersten Projekte realisiert sind und die neu entwickelten Gebiete von Menschen genutzt werden.» Ein Beispiel sei der ausgebaute Bahnhof Mattenhof.

Damit spricht Bodammer unter anderem das Referendum gegen die Pilatusarena an, das vor Kurzem lanciert wurde (zentralplus berichtete). «An den Hochhäusern wird die Entwicklung nun fassbar und mit dem Mittel der Einsprachen bei Auflage der Bauprojekte wird Kritik laut, die sich womöglich auf die ganze Entwicklung in Luzern Süd bezieht.»

«So etwas ist einmalig in der Schweiz.»

Alexa Bodammer

Dass Hochhäuser ganze Grossprojekte zu Fall bringen können, bestätigte schon Alex Willener, ebenfalls Dozent und Projektleiter an der Hochschule Luzern. «Viele Gegnerschaften entstehen schlichtweg aus den ungewohnten Dimensionen», sagte er im März 2019 gegenüber zentralplus.

«Die Menschen wollen Entwicklung»

Alexa Bodammer hält aber dennoch fest, «dass Entwicklung an sich auch ein menschliches Bedürfnis ist und nicht per se als Bedrohung angesehen wird.» Es gebe viele «wüste Orte», die durch planerische Massnahmen aufgewertet, erschlossen und nutzbar gemacht werden.

«Durch den neuen Stadtteil verschiebt sich das Gefüge im Ort spürbar.»

Alexa Bodammer

Beim Projekt in Luzern Süd habe man diesbezüglich vieles richtig gemacht, da von Anfang an die Bedeutung der Sozialräume und somit die Bedingungen des künftigen Zusammenlebens miteinbezogen und im neuen Regelwerk mehrmals erwähnt werden. «So etwas ist einmalig in der Schweiz», betont Bodammer. Entscheidend sei an diesem Punkt ausserdem, dass den Menschen nachvollziehbar aufgezeigt wird, dass die Entwicklung nicht in erster Linie der Rendite dienen soll.

An diesem Punkt nimmt Bodammer die Politik in die Pflicht. «Durch den neuen Stadtteil verschiebt sich das Gefüge im Ort spürbar. Kriens, aber auch Horw und Luzern müssen darauf achten, dass die Interessen der Bevölkerung in die Prozesse miteinbezogen werden.»

Das bedeute viel Arbeit, benötige einiges an Ressourcen und vor allem politischen Willen. Ein Fingerzeig, namentlich ans Krienser Stadthaus. Denn die grossen Brocken dürften den Politikerinnen und Verwaltungen noch bevorstehen. Vor allem dann, wenn es irgendwann an die Urne geht.

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