Was macht eigentlich… Urs W. Studer?

Ex-Stapi Studer trägt nun neue Lasten

Urs W. Studer mit seinen Grosskindern Lina und Rafael sowie dem Hausbüsi. (Bild: Severin Bigler)

16 Jahre lang war Urs W. Studer Luzerns Stadtpräsident. Seit seinem Rücktritt 2012 wird er zwar nicht mehr von aufgebrachten Bürgern, polternden Politikern oder kritischen Medien gefordert. Dafür muss er sich neuen Herausforderungen stellen. Acht, um genau zu sein.

Urs W. Studer wischt in aller Ruhe seinen Vorplatz. Dieses Bild bot sich zentral+ kürzlich anlässlich eines Interviewtermins mit dem Ex–Stadtpräsidenten. Studer, heute 65, beim Putzen? Das dürfte während seiner 16-jährigen Amtszeit doch sehr selten vorgekommen sein. Denn als Stapi war er ein gefragter und viel beschäftigter Mann.

«Ich habe im Schnitt etwa jede dritte Woche sieben Tage durchgearbeitet, abends wurde es oft 22 bis 23 Uhr, bis ich nach Hause kam.» Und per 31. August 2012 war von einem Tag auf den nächsten Schluss. Start ins Leben als (Früh-) Pensionär. Aus die Maus mit Politik, mit öffentlichen Auftritten, mit Medienanfragen, mit schwierigen Entscheiden. Da nimmt es einen doch Wunder: Was macht Urs Walter Studer heute?

1. Herausforderung: Selbständiger werden

In ein Loch sei er zwar nach seiner freiwilligen Pensionierung nicht gefallen. «Aber die erste Zeit war doch extrem gewöhnungsbedürftig. So bin ich noch wochenlang immer um sechs Uhr morgens erwacht, obwohl ich gar keine Termine mehr hatte.» Und wenn er doch mal Termine hatte, hat er sie vergessen. Zumindest ein paar davon. Denn: «Mir wurde ja 16 Jahre lang alles von meinen Mitarbeitern organisiert: Termine, Abmachungen, Auftritte, Transporte. Und von einem Tag auf den anderen musste ich das alles selber machen – das war eine ziemliche Umstellung», sagt Studer und lächelt. Auch das Mailen habe er erst lernen müssen.

2. Herausforderung: Grosskinder bändigen

Doch langweilig sei es ihm bislang nicht geworden, so Studer. Für reichlich Action sorgt unter anderem die Belegschaft seines Ende 2013 bezogenen neuen Hauses an der Bellerivematte. Dort wohnen unter anderem zwei von Studers drei Kindern mit ihren vier Kindern. Zu diesen schaut der Ex-Stapi getreu dem grosselterlichen Motto: «Schauen, schweigen, schenken.» Erziehungsratschläge erteilt er seinen Kindern keine. Kann er auch schlecht. «Ich war als Politiker sehr viel unterwegs und wenig zu Hause. Ich konnte meinen Nachwuchs nicht sehr eng beim Grosswerden begleiten.» Das war Sache seiner Frau Susi (65). Insofern könne er nun mit seiner Opa-Rolle – Spezialität: Kinderbücher erzählen – ein bisschen von dem kompensieren, was er zuvor verpasst hat.

«Ich konnte meinen Nachwuchs nicht sehr eng beim Grosswerden begleiten.»

Urs W. Studer

Wie gut er diesen Job macht, war am Interviewtermin nicht schlüssig zu klären. Zwar kletterte Grosskind Rafael (6) fürs Fotoshooting zügig auf Opas Schultern. Auf die Frage aber nach den Vorlesequalitäten seines Grandpas aber antwortete er schelmisch: «Schlecht. Ganz schlecht.»

3. Herausforderung: Nicht die Frau nerven

Für Susi übrigens war die Rückkehr ihres Mannes ins Alltagsleben nicht nur spassig. «Am Anfang war es sogar ziemlich mühsam», räumt sie unumwunden ein und lächelt. Denn jahrelang sei sie sich gewohnt gewesen, den Haushalt samt Erziehung alleine zu schmeissen. Deshalb habe es etwas gedauert, bis man sich mit der neuen Situation arrangiert habe.

4. Herausforderung: Jöblis managen

Gegen die eigene Partei angetreten

Ob Michail Gorbatschow, Hillary Clinton, Kofi Annan oder Vaclav Havel – Urs W. Studer hat sie alle empfangen. Während 16 Jahren, bis Ende August 2012, amtete er als parteiloser Stadtpräsident von Luzern. Geboren ist Studer am 26. November 1949. Er ist verheiratet mit Susi Bühlmann und Vater dreier erwachsener Kinder. Nach seinem Jusstudium arbeitete er ab 1977 als Obergerichtsschreiber und Kanzleichef des Obergerichts. 1984 wurde er Amtsgerichtspräsident. Von 1979 bis 1995 politisierte Studer für die FDP im Luzerner Stadtparlament. 1996 wollte er Stadtpräsident werden, seine Partei favorisierte aber Studers Cousin, Peter Studer. Deshalb trat er aus der Partei aus, als Parteiloser an und siegte prompt.

Studer führte von 1996 bis 2000 die Polizeidirektion sowie die Direktion Allgemeine Verwaltung. Dann wechselte er in die Bildungs- und Kulturdirektion. In Studers Amtszeit fiel die Eröffnung des KKL, der Messe Luzern und des FCL-Stadions. Auch die Fusion von Luzern mit Littau hat er eng begleitet. Als grösste Niederlage musste er 2011 die gescheiterte Grossfusion mit Nachbargemeinden hinnehmen.

Doch sooo viel ist Urs W. Studer dann auch nicht zu Hause. Pro Wochentag nehme er auswärts etwa einen Termin wahr. Das erstaunt nicht, denn der Ex-Stapi engagiert sich seit seinem Politabgang sehr vielseitig. Nicht dass er damals als 62-Jähriger nochmals einen «richtigen» Job angenommen hätte, Studer liess sich frühpensionieren. Dafür amtet er nun als Vizepräsident des Vereins Verkehrshaus, als Beirats-Präsident und Stiftungsratsmitglied der LZ-Weihnachtsaktion, als Präsident des Alters- und Wohnheims Unterlöchli, der Gemeinnützigen Gesellschaft Stadt Luzern sowie der Luzerner Kantorei (ein Mädchen- und Knabenchor). Weiter sitzt Studer im Stiftungsrat des Luzerner Kleintheaters und noch bis Ende Jahr im Vorstand von Schweiz Tourismus. «Ich hatte nie das Bedürfnis nach einem hochbezahlten Verwaltungsratsjob. Ich habe als Stapi gut verdient und will nun der Gesellschaft etwas zurückgeben.»

5. Herausforderung: Mund halten

Politisch will sich Studer aber nicht mehr öffentlich äussern, schon gar nicht über den aktuellen Stadtrat. Grund: «Ich verfüge nur noch über die Infos aus den Medien. Das ist zu wenig, da würde mir viel Hintergrundwissen fehlen.» Ein bisschen Politik betreibt er aber durchaus noch, etwa im liberalen Club Hélvetique, der aus rund 30 Politikern und Professoren besteht und gelegentlich Analysen über Dinge wie das Verhältnis zur EU veröffentlicht.

6. Herausforderung: Ohne Glamour auskommen

Den Glamour und die Aufmerksamkeit als Stapi vermisse er nicht, versichert Studer, der für seine gesellige Art bekannt war. Zumal er auch heute noch oft erkannt wird, wenn er sich unters Volk mischt. «Froh bin ich hingegen, nicht mehr so viel Verantwortung tragen zu müssen.» Belastend seien gelegentlich auch «Medienkampagnen» gegen einzelne Stadträte oder Departemente gewesen. «Als Stapi war und ist man zudem auch der ‹Anseichpfosten› des Volkes», sagt Studer und lächelt milde. Schlechtestes Beispiel dafür war die Morddrohung eines Kroaten gegen ihn und Regierungsrätin Yvonne Schärli 2007. «Drei Wochen lang erhielt ich deswegen Begleitschutz der Polizei. Passiert ist aber nichts, und Angst hatte ich eigentlich keine.»

7. Herausforderung: Vergangenheitsbewältigung

Urs W. Studer wirkt im Interview ausgesprochen relaxt. Entspannt reckt er sich im Sofasitz und beantwortet geduldig alle Fragen von zentral+. Nur ein einziges Mal, als er mit einem alten Zitat kritisch konfrontiert wird, reagiert er etwas unerfreut. Bei seinem Abschied sagte er Ende August 2012 in der «Neuen Luzerner Zeitung» Folgendes: «Finanzpolitisch hinterlasse ich eine gut aufgestellte Stadt.» Diese Meinung ist heute freilich nur schwer zu teilen. Denn in der Realität kämpft die Stadt gegen massive Defizite. Auf 2016 etwa ist ein mordsmässiges 11-Millionen-Sparpaket angekündigt. «Mein Zitat würde durchaus zutreffen», rechtfertigt sich Studer, nun aufrecht sitzend. «Doch der Kanton hat ja wie wahnsinnig die Unternehmenssteuern gesenkt. Und das kantonale Stimmvolk hat dann auch noch der Abschaffung der Liegenschaftssteuer zugestimmt. Das ist nicht der Fehler der Stadt!»

8. Herausforderung: Bloss Rentner sein

Für seinen letzten Lebensabschnitt hat der kerngesunde Urs W. Studer vorerst keine aussergewöhnlichen Ziele, keine Weltreise, keine Biografie, nix. «Ich bleibe einfach ein normaler Rentner», sagt der alt Stapi und lacht zufrieden.

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