Wie Luzerner Gaswerk zum Treffpunkt werden soll

EWL-Chef: «Dass ein Nachtclub auf dem Areal das Richtige ist, bezweifle ich»

Stephan Marty, CEO der EWL, hat das Rote Haus (unten links) ins Herz geschlossen.

(Bild: jal)

Es gilt als Filetstück der Stadtplanung: Nun ist klar, wie das EWL-Areal künftig aussehen wird. Drei Neubauten um das bestehende Rote Haus sollen Wohnen, Sicherheit und Arbeiten an einem Standort vereinen. CEO Stephan Marty schwärmt vom Charme des Industriebaus – und macht sich trotzdem Sorgen.

Zwischen Bahngleisen, Steghof und Industriestrasse, zwischen «Uferlos», «Bar59» und Gassenküche liegt das EWL-Areal. Es besteht aus ein paar älteren Gebäuden, vielen Fahrzeugen, Rohren und Pflanzen – und wirkt mit der Umzäunung wenig einladend. Damit soll in drei Jahren Schluss sein: Energie Wasser Luzern (EWL), die Stadt Luzern und die Allgemeine Baugenossenschaft planen für 200 Millionen Franken eine neue Überbauung.

Am Dienstag haben sie das Siegerprojekt namens «Rotpol» vorgestellt. Es stammt aus der Feder des Teams ARGE Halter/Eberli Sarnen AG (zentralplus berichtete). Eine besondere Bedeutung darin erhält das Rote Haus inmitten des Geländes. 1929 realisiert, entworfen von Alfred Möri und Karl-Friedrich Krebs, ist es heute im Inventar der schützenswerten Bauten aufgeführt. Ursprünglich wurde darin Gas produziert, seit längerem fristet es ein eher trostloses Schattendasein. Doch nun erwacht es aus dem Dornröschenschlaf: Der rötliche Bau mit den hohen Fenstern soll Standort eines «charmanten Quartierplatzes» werden.

Darum herum werden drei Neubauten erstellt. Sie bieten Platz für 72 gemeinnützige Wohnungen und ein Pflegezentrum, für mehrere städtische Abteilungen sowie für Sicherheitsorganisationen wie die Feuerwehr, den Zivilschutz oder die Rettungsdienste. Und natürlich für die rund 320 Mitarbeiter von EWL. Stephan Marty, seit 2010 Vorsitzender der Geschäftsleitung, spricht im Interview über das Projekt.

zentralplus: Stephan Marty, die Stadt Luzern hat bereits einen Nord- und einen Südpol – und bald auch einen Rotpol. Der Name des Projekts nimmt wohl Bezug auf das Rote Haus, das auf dem EWL-Areal steht. Oder ist es eine politische Botschaft?

Stephan Marty: Das Siegerteam hat den Namen selber gewählt, das waren nicht wir von der EWL Areal AG. Ich gehe davon aus, dass das Rote Haus ausschlaggebend war ...

«Wir werden das Rote Haus als Zeitzeugen der Gasproduktion und der Geschichte von EWL behalten.»

zentralplus: Der Platz mitsamt dem Roten Haus soll zum Treffpunkt werden. Was genau wird im Gebäude untergebracht?

Marty: Das ist derzeit noch offen. Wir gehen davon aus, dass es etwas im Bereich Kulinarik, Kultur oder Veranstaltungen geben wird. Wichtig ist für uns, dass das Gebäude öffentlich zugänglich wird.

zentralplus: Kulinarik ist ein gutes Stichwort, wenn es um eine Öffnung geht. Wird es noch weitere Gastronomiebetriebe geben auf dem EWL-Areal?

Marty: Es wird mit Sicherheit ein grosses Personalrestaurant gebaut, das ebenfalls öffentlich sein wird. Geplant sind aber auch andere Nutzungen wie eine Kinderkrippe oder die Bachgärten (bepflanzte Abschnitte des freigelegten Allmendlibaches, Anm. d. Red.). Ich bin deshalb überzeugt, dass die Überbauung zum Verweilen einladen wird.

zentralplus: Blicken wir kurz einige hundert Meter weiter: Die Krankenkasse CSS plant im Tribschenquartier einen Neubau ohne das – laut Architekten wertvolle – Gewerbegebäude. Das Projekt ist deshalb blockiert. Haben Sie mit Blick auf diese Entwicklung entschieden, das Rote Haus zu erhalten?

Marty: Nein, die Debatte bei der CSS entstand meines Wissens später. Unser Verwaltungsrat hat bereits im August 2014 entschieden, dass das Rote Haus nicht abgerissen wird. Es ist das einzige Gebäude auf dem EWL-Areal, das erhalten bleibt. Trotzdem war der Entscheid klar. Wir werden das Rote Haus als Zeitzeugen der Gasproduktion und der Geschichte von EWL behalten. Zudem: Wenn wir das Grundstück anschauen und eine Durchlässigkeit wünschen, muss irgendwas in der Mitte sein. Das Rote Haus hat sich förmlich als Zentrum angeboten.

zentralplus: Wer es zum ersten Mal sieht, dem fallen vielleicht eher die teilweise zerbrochenen Fenster und die abgeblätterte Farbe auf.

Marty: Ja, ich habe das Rote Haus lange nicht wahrgenommen. Es war für mich – böse gesagt – ein Veloständer und ein Lagergebäude (schmunzelt). Als ich es zufällig vor einigen Jahren leer sah, war ich überwältigt vom Charakter im Innern. Der Raum ist dank den hohen Fenstern lichtdurchflutet, das ist wirklich wunderbar. Und auch von aussen ist es speziell: Man sieht die tragenden Stützpfeiler, die dafür gesorgt haben, dass bei einer Gasexplosion die Scheiben zerborsten, das Gebäude aber nicht eingestürzt wäre. Die Stützen und die hohen Fenster erinnern mich etwas an die Architektur einer Kirche, wir nennen es intern auch liebevoll «unsere rote Kapelle».

zentralplus: Sie schwärmen richtig. 

Marty: (lacht) Ja, mittlerweile habe ich Herzblut für das Haus entwickelt. Und es wird ja quasi das kleine Herzstück des Ganzen.

Auf diesem Video hat das städtische Geoinformationszentrum das Projekt anschaulich dargestellt:

 

zentralplus: Es entsteht ein Sicherheitscluster mit Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienst: Auf dem EWL-Areal werden wohl ständig Sirenen heulen. Steht das nicht im Widerspruch zu einem beschaulichen Wohn- und attraktiven Arbeitsquartier?

Marty: Klar, wenn die Feuerwehr ausrückt, wird man das hören. Aber bereits jetzt ist sie in der Kleinmatt beim Neubad stationiert. Ich glaube daher nicht, dass dies störender ist. Und man muss sich bewusst sein, dass wir hier von einem urbanen Lebensraum sprechen. Man ist mitten in der Stadt, nahe beim Bahnhof. Wer hier wohnt, kommt nicht, weil er die ländliche Ruhe sucht. Gleichwohl haben wir es architektonisch geschafft, dass die Wohnungen nicht gleich oberhalb der Feuerwehrausfahrt liegen.

«Wir wollen ja, dass das Quartier lebt.»

zentralplus: Apropos urban: Es hat auch Ausgangsschuppen in diesem Quartier, etwa die «Bar59» oder das «Uferlos». Wobei Letzteres einer Überbauung weichen muss. Haben Clubs hier überhaupt noch Platz?

Marty: Ob ein Nachtclub auf unserem eigenen Areal das Richtige ist, bezweifle ich. Aber wir sind offen für alle Ideen, das Rote Haus soll ja der Bevölkerung zur Verfügung stehen, also wird die Nachfrage eine wichtige Rolle spielen. Mein persönlicher Wunsch wäre ein Restaurant. Denn es ist auch wichtig, dass das Rote Haus auch abends genutzt wird und das Quartier belebt.

zentralplus: Abgesehen vom Roten Haus. Allfälliger Lärm und zugezogene Bewohner vertragen sich oft nicht. Verdrängen die schönen neuen Wohnungen nicht das Nachtleben aus dem Quartier?

Marty: Das ist keineswegs unsere Absicht. Im Gegenteil: Wir wollen ja, dass das Quartier lebt. Und zwar mit einer guten Durchmischung aus Wohnen, Arbeiten und Freizeit.

zentralplus: Die Investitionen für das Projekt wurden in der Gesamtleistungsstudie auf rund 200 Millionen berechnet. Wie werden die Kosten zwischen den Beteiligten aufgeschlüsselt?

Marty: Die 200 Millionen Franken umfassen das Projekt, allerdings ohne Mieterausbau. Die Nutzer werden den Mieterausbau selber tätigen, da rechnen wir mit zusätzlichen Kosten von maximal 30 bis 50 Millionen Franken. Die verschiedenen Nutzergruppen werden eine Miete bezahlen, die sich am Markt und an der gemieteten Fläche orientiert. Klar ist, dass die Kosten nicht einfach geteilt werden. EWL zum Beispiel wird der grösste Nutzer sein – also auch mehr Miete bezahlen. [box]

zentralplus: Die Behörden wollen die Sicherheitsdienstleistungen an einem Standort vereinen. Die Stadt und ABL wollen mehr gemeinnützige Wohnungen. Was ist eigentlich das Interesse der EWL an einem solchen Grossprojekt?

Marty: Das Areal umfasst heute eine grosse Fläche, auf der Autos parkiert sind und Rohre gelagert werden. Es ist wertvoller Boden, den wir schlecht nutzen. Wir wollen deshalb die Wertschöpfung, also die Nutzung pro Quadratmeter, erhöhen – und gleichzeitig das Areal für die Bevölkerung öffnen. Zudem ist es auch wichtig, dass EWL seinen Mitarbeitenden moderne Arbeitsplätze zur Verfügung stellen kann.

zentralplus: Wie ist denn die Stimmung innerhalb der Belegschaft: Freuen sich die Angestellten auf den Neubau oder nervt bereits die anstehende Bauphase?

Marty: Die Bauzeit macht uns Sorgen, das ist unbestritten. Denn sie wird unseren Betrieb sicher belasten. Aber insgesamt überwiegt die Vorfreude auf die Zukunft.

zentralplus: Erwarten Sie bis zum Baustart gewichtigen Widerstand oder grössere Hürden?

Marty: Hürden warten selbstverständlich noch einige. Zum Beispiel die Teilrevision der Bau- und Zonenordnung, das zu erarbeitende Bauprojekt und generell die weiteren Schritte bis zur Baubewilligung, auch eine Volksabstimmung wird es in der Stadt Luzern noch geben – es gibt viel zu tun. Aber wir haben nun die Grundlage für etwas Positives geschaffen, das die Interessen der Bevölkerung berücksichtigt.

Mehr Bilder, unter anderem historische, gibt es in der Galerie:

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Joseph de Mol
    Joseph de Mol, 03.07.2019, 07:40 Uhr

    Einen «eigenen» Nachtclub auf dem Areal wird gar nicht benötigt. Die angeheiterten (oder auch mehr – deutlich mehr) Clubbesucher von der Bar59 werden die neu entstandene Parkanlage zwischen den Häuserzeilen zu schätzen wissen. Ein Gratistipp an den Bauherrn: Ein Zaun und ein Tor erstellen, welches nachts geschlossen werden kann. Hält ihnen viel, viel Ärger vom Hals!!

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  • Profilfoto von Joseph de Mol
    Joseph de Mol, 02.07.2019, 19:48 Uhr

    Bin gespannt wie eine Laubsäge, wie sich einst die Gassenküche in Industriestrasse-Downtown integrieren kann. Klar, wird die Duldungsklausel in die neu entstehenden Mietverträge eingeflochten. Aber wie sich das dann in der Praxis umsetzen lässt, steht auf einem anderen Blatt geschrieben. Als Szenekenner gebe ich der Gassenküche nach Realisation der ganzen Bauprojekte noch längstens zwei Jahre, bevor sie dislozieren muss. Und auch diese zwei Jahre werden geprägt sein durch Ungemach!

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