Die ZSC Lions sind Finalissima-Spezialisten

Der EVZ und der Wahnsinn, der diese Finalserie regiert

Die Gelassenheit, die EVZ-Trainer Dan Tangnes beim Coaching in der Hitze des Gefechtes ausstrahlt, überträgt sich positiv auf sein Team. (Bild: Martin Meienberger/freshfocus)

Erst 0:3 nach Siegen im Hintertreffen, dann das historische EVZ-Comeback und die Überwindung des seltsamen 1:0-Fluchs: Die Finalserie zwischen dem Titelverteidiger EV Zug und den ZSC Lions bietet grossartige Unterhaltung. Was hält der Wahnsinn für das entscheidende Spiel 7 am Sonntag in Zug parat?

Es noch einmal erleben. Aber dieses Mal in einem vollen Stadion. Davon hat EVZ-Trainer Dan Tangnes schon vor Beginn dieser Saison geredet. Es war sein Antrieb – und jener seiner Mannen.

Die Rede ist von einer Meisterfeier. Am 7. Mai vor einem Jahr, als der EVZ den zweiten Meistertitel nach 1998 eingefahren hat, waren wegen der Corona-Pandemie nur 100 Zuschauer in der Bossard Arena zugelassen.

Was für eine Freude sie mit ihrem Titelgewinn auslösten, konnten sie erahnen, als die Zuger ihren Meisterpokal der draussen vor dem Stadion ausgelassen feiernden Zuschauermenge präsentierten. Etwa 5000 Fans sollen es gewesen sein.

Premiere für den EVZ in einer Finalissima

Am Sonntag sind Zugs Trainer und seine Mannschaft fast am Ziel angelangt. Jetzt ist die Heimstätte mit 7200 Zuschauern bis auf den letzten Platz belegt und die Euphorie riesig. Und dies nach einem noch nie dagewesenen Comeback in einer Finalserie auf Schweizer Eis und nach dem Ausgleich zum 3:3 nach Siegen (zentralplus berichtete).

«Wir haben uns dieses siebte Finalspiel verdient.»

EVZ-Trainer Dan Tangnes

«Wir haben uns dieses siebte Finalspiel verdient», sagt Dan Tangnes, um gleich anzumerken: «Nicht nur wir, sondern jeder Hockeyfan in der Schweiz.»

In diesem Jahrtausend sind schon sieben Playoff-Finals in einem ultimativen Showdown über die Bühne gegangen. Der letzte 2018. Damals holten die ZSC Lions ihren bis anhin letzten Titel in Lugano.

Auffällig: Dreimal traten die Zürcher zu einer finalen «Belle» an. Und dreimal gewannen sie Spiel 7. 2001 ebenfalls in Lugano und 2012 in Bern.

Und die Zuger? Es gibt keine Vergleichswerte, weil es für sie der erste Auftritt in einer Finalissima sein wird. In den vorangegangenen sechs Finals der Klubgeschichte gab es jeweils eine Entscheidung für (1998 und 2021) oder gegen die Zuger (1995, 1997 2017 und 2019) vor der Notwendigkeit eines Showdowns.

Zwei historische Anreize für die Zuger

Die Zuger können hingegen im Final schaffen, was es seit Einführung der Playoffs 1985/86 bislang viermal in den Viertelfinals gegeben hat. Dass eine Serie von einer Mannschaft, die erst 0:3 nach Siegen hinten lag, noch gekehrt wurde.

2005/06 gelang das Lugano als erstem Team gegen Ambri. Und in den beiden darauffolgenden Saisons Zug gegen die Rapperswil-Jona Lakers und Davos gegen Zug. In diesen Playoffs schaffte es Davos abermals gegen Rapperswil, wurde aber im Halbfinal vom EVZ mit 4:0-Siegen ausgeschaltet.

Selbst in der National Hockey League (NHL), der besten und berühmtesten Hockeyliga der Welt, wurde eine Finalserie erst einmal nach drei aufeinanderfolgenden Niederlagen gekehrt. 1942 schafften die Toronto Maple Leafs dieses Kunststück gegen die Detroit Red Wings.

Und da ist noch ein Anreiz für die Zuger: Ihnen winkt als erst dritter Klub eine erfolgreiche Titelverteidigung in diesem Jahrtausend. Zuvor ist das bloss den ZSC Lions (2000 und 2001) und dem SC Bern (2016 und 2017) gelungen.

Zweimal in Folge Meister mit dem gleichen Coach? Lange ists her

Allerdings mit einem kleinen, aber feinen Unterschied. Die Zürcher und Berner schafften die Errichtung einer Dynastie im Schweizer Klubhockey jeweils mit zwei unterschiedlichen Trainern. Kent Ruhnke (2000) und Larry Huras (2001) waren die Meistermacher der Zürcher. Lars Leuenberger (2016) und Kari Jalonen (2017) jene der Berner.

Schafft Dan Tangnes die erfolgreiche Titelverteidigung mit dem EVZ, dann ist er der erste Trainer seit Klotens Alpo Suhonen 1995 und 1996, dem ein solches Kunststück gelingt (zentralplus berichtete). Und dann wäre es an der Zeit, die Errichtung einer neuen Dynastie in der National League mit einem Denkmal vor der Bossard Arena zu feiern.

Unser bildlicher Vorschlag für eine solche Verewigung: Der wohlbestallte Präsident Hans-Peter Strebel steht hinter CEO Patrick Lengwiler, Sportchef Reto Kläy und Meistermacher Dan Tangnes – und breitet seine Arme über die Schultern seiner erfolgreichen Macher aus.

Die Ruhe, die der EVZ-Trainer ausstrahlt

Zwar spricht mittlerweile vieles für den EVZ als alten und neuen Meister. Aus sportlicher Sicht der bessere Goalie, eine sattelfeste Defensiv und die höhere Produktivität in der Offensive. Aus mentaler Sicht das stark angewachsene Selbstvertrauen, das Momentum und der Heimvorteil vor euphorisierten Fans.

Aber der letzte Schritt zur erfolgreichen Titelverteidigung steht noch aus. Und dieser ist immer der schwierigste. Zumal jetzt auch der EVZ etwas zu verlieren hat.

Die Souveränität von Trainer Dan Tangnes könnte in der Emotionalität und Hektik eines Showdowns ein entscheidender Punkt für den EVZ sein. Der 43-jährige Norweger scheint seinen inneren Kompass nie zu verlieren. Mit welcher Gelassenheit er die Seinen zum Comeback in dieser Finalserie coachte, ist beeindruckend. Eine seltene Gabe, die sich positiv auf die Spieler überträgt.

Schon nach dem 4:1 am Mittwoch in der Zuger Bossard Arena schwärmte Dan Tangnes von der «elektrisierenden Atmosphäre». Unter grösstem Stress lässt er sich offensichtlich Zeit und Musse, um diese aufzusaugen.

Letzten Endes spielt sich die Wahrheit auf dem Eis der Bossard Arena ab. Und wenn wir uns den bisherigen Wahnsinn in dieser Finalserie vor Augen führen, kann diese Finalissima kaum ohne Drama auskommen.

Hinweis: Bleib mit zentralplus am Puck! Rund zwei Stunden vor der Beginn der Finalissima am Sonntagabend lassen wir dich mit Videos, Bildern und Buchstaben wissen, was in der Stadt Zug, im Public Viewing und in der Bossard abgeht.

Verwendete Quellen
  • Besuch der Finalserie.
  • Gespräch mit EVZ-Trainer Dan Tangnes.
  • Statistik via National League und Jahrbücher.

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