Ligadominator unter Druck

EV Zug: Die Hypothek Abdelkader und ein Goalie-Titan mit Hochs und Tiefs

Der frühere NHL-Stürmer Justin Abdelkader macht in diesen Playoffs mit dem EV Zug meist keine gute Figur. (Bild: Urs Lindt/freshfocus)

Jetzt geht diese Viertelfinal-Serie noch über maximal drei Spiele. Der feine Unterschied: Der EV Zug muss sie gewinnen, um sich als Ligadominator nicht lächerlich zu machen. Der SC Bern darf sie gewinnen. Nach dem abermaligen 2:6 gegen den SCB machen sich die Zuger Mut damit, dass sie auf eine schlechte Leistung stets reagieren konnten.

Woran erkennt man Verlierer? Ganz einfach: Sie kritisieren die Leistung der Spielleiter. Das macht nach der zweiten Niederlage im vierten Viertelfinalspiel gegen den SC Bern auch EVZ-Sportchef Reto Kläy. Er vermisste bei den Schiedsrichtern «das Fingerspitzengefühl. Zwei, drei Strafen waren fragwürdig».

In letzter Konsequenz verschafft Schiedsrichter-Kritik der eigenen Mannschaft ein Alibi, um sich mit der eigenen Leistung nicht ernsthaft auseinandersetzen zu müssen. Immerhin ist sich Reto Kläy aber auch bewusst: «Wegen Unvermögens und Undiszipliniertheiten müssen bei uns im Team auch einige über die Bücher.»

Auch wenn er Einzelkritik tunlichst vermeidet, ist klar, wen er damit allen voran meint: Justin Abdelkader. Der 34-jährige Flügel mit über 800 NHL-Spielen für Detroit ist zurzeit nicht in der Lage, beim EV Zug eine gewinnbringende Rolle in diesen Playoffs einzunehmen.

Wie ein Maikäfer auf dem Rücken gelegen

Klar, Justin Abdelkader hat zwei der bislang total elf Zuger Tore in den Playoffs erzielt: Am Samstag das spielentscheidende 1:0 zum späteren 3:0 für die Seinen im zweiten Heimspiel. Und am Montagabend das Anschlusstor zum zwischenzeitlichen 2:3 in Bern.

Aber Justin Abdelkader hat sich im Verlauf dieser Viertelfinalserie auch schon blamiert: Der Mann fürs Grobe unterlag dem Berner Vincent Praplan, der nun wahrlich nicht im Ruf steht, ein Haudegen zu sein, im Faustkampf und lag bei der ersten 2:6-Niederlage in Bern wie ein Maikäfer auf dem Rücken.

Und bei der zweiten – mit dem genau gleichen Schlussresultat – sammelte er vier der sechs Strafminuten im Schlussdrittel, die es dem EVZ schier verunmöglichten, den Eintore-Rückstand aufzuholen. Und dies, nachdem er zuvor wie ein Fremdkörper im Zuger Spiel gewirkt hatte.

Das sind gute Gründe, am Mittwochabend in der Zuger Bossard Arena zum ersten Mal in diesen Playoffs Erik Thorell für Justin Abdelkader laufen zu lassen. Schlechter kann es der schwedische Stürmer kaum machen. Aber sich vielleicht ein Stück weit rehabilitieren für den unvorteilhaften Eindruck, den er auch in seinem zweiten und letzten Vertragsjahr mit dem EV Zug hinterlassen hat.

Zuger Tendenz geht in falsche Richtung

Die Unpässlichkeiten des Ligadominators während der bisherigen Playoffs lassen sich aber weder an Abdelkader noch sonst einer einzelnen Zuger Personalie festmachen. Vielmehr kann der EV Zug sein hohes Basisniveau, das ihn durch die Qualifikation fliegen liess, nicht mehr zuverlässig abrufen. Stattdessen unterliegen seine Leistungen bislang grossen Schwankungen.

«Der SC Bern ist keine Übermacht.»

EVZ-Sportchef Reto Kläy

Die nackten Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: In der Qualifikation schossen die Zuger im Durchschnitt 3,79 Tore pro Match und liessen 2,46 Tore zu. Im Interview mit zentralplus sagte EVZ-Goalie Leonardo Genoni vor dem Playoff-Start wohlweislich: «Der Schlüssel zum Gewinn der Playoffs ist, die Quote an Gegentoren zu minimieren.»

Die Tendenz in den Playoffs geht für die Zuger aber in eine andere Richtung: Bislang hat die Mannschaft von Trainer Dan Tangnes 2,75 Tore erzielt und deren 3,5 kassiert.

Es wäre bittere Ironie des Zuger Schicksals

Diese Momentaufnahme stellt gerade auch Leonardo Genoni kein gutes Zwischenzeugnis in seinen ersten Playoffs mit dem EV Zug aus. Der fünffache Meister-Goalie ist mit einem lukrativen Vertrag bis 2024 ausgestattet worden, um den Traum der Zentralschweizer vom zweiten Meistertitel nach 1998 wahr werden zu lassen.

Nach vier Playoff-Einsätzen steht der Torhüter-Titan bei einer Abwehrquote von 89,22 Prozent (91 von 102 Schüssen gehalten). Sein längst nicht so hoch dotierter Berner Antipode Tomi Karhunen bei 91,91 Prozent (125 von 136 Schüssen gehalten).

Wiederholt sich das Zuger Goalie-Schicksal aus einer früheren Zeit? 2017 und 2019 verlor der damalige EVZ-Torhüter Tobias Stephan das Torhüter-Duell in der Finalserie gegen Berns Leonardo Genoni ohne Wenn und Aber.

Leonardo Genoni ist in diesen Playoffs zu Hause ein sicherer Wert: Im ersten und dritten Spiel, das die Zuger jeweils gewonnen haben, kam er auf eine Abwehrquote von 91,67 respektive 100 Prozent. Damit hatte der SCB-Goalie beide Male das Nachsehen.

So wie es Karhunen bislang in Bern gemacht hatte. Da kam Genoni bisher nie über eine Abwehrquote von 84 Prozent hinaus. Dieser Wert spricht einem Goalie über lange Frist die Fähigkeit für eine Karriere in der National League ab und muss in den Ohren eines ehrgeizigen Schweizer Goalie-Titans geradezu wie eine Demütigung klingen.

EVZ-Sportchef hütet sich vor Goalie-Kritik

Wie sich der Teufel vor dem Weihwasser hütet, so hütet sich EVZ-Sportchef Reto Kläy davor, die bisherigen Leistungen von Leonardo Genoni in Zweifel zu ziehen. Er habe zu wenig darauf geachtet, wie die Gegentore entstanden seien, bemüht sich Reto Kläy einer Ausflucht.

Man mag ihn verstehen: Es ist letztlich nicht ratsam, den wichtigsten Einzelspieler in einem Eishockey-Team mit unbedachter Kritik unnötig zu destabilisieren. Und der wichtigste Einzelspieler ist und bleibt der Goalie. Ohne einen überragenden Torhüter ist der steinige Weg zum Meistertitel unbegehbar. Und Genoni gilt nach wie vor als überragend.

Zu Hause stark, auswärts mit Luft nach oben: EVZ-Goalie Leonardo Genoni. (Bild: Claudio De Capitani/freshfocus)

Genoni ist und bleibt ein Zuger Trumpf

Gut, dass das nächste – und möglicherweise übernächste – Viertelfinalspiel gegen Bern in Zug stattfinden wird. EVZ-Sportchef Reto Kläy vertraut darauf, dass «wir auf einen schlechten Auftritt unsererseits bislang immer reagieren konnten». Und ihm macht erst recht Mut, dass sich die Zuger in Bern bisher immer auf die eine oder andere Weise gut geschlagen hätten. «Der SC Bern ist keine Übermacht.»

Falls es am Mittwochabend in Zug doch schiefgehen sollte: Mit Leonardo Genoni haben die Zuger einen Titanen im Tor, der scheinbar Unmögliches möglich machen kann. Niemand anders als er kann das.

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