Artikel kann Spuren von Nüssen enthalten

Von Willisau in die Wolken: Nüsse fliegen Business-Class

Die «Luzerner Landfrauen» sind ein entscheidender Faktor bei der Herstellung der weitreisenden Nussmischungen. (Bild: Fotosolar)

Ein Kleinunternehmen in Willisau stellt mithilfe von Luzerner Bäuerinnen und uralten Techniken Nussmischungen her – und trifft damit einen Nerv.

Da hat ein Leserreporter nicht schlecht gestaunt, als er in der Business-Class seines Fluges von seinem Tropenurlaub zurück in die herbstliche Heimat eine Tüte Nüsse gereicht bekommt. Das an sich ist noch kein nennenswertes Ereignis. Überrascht war er allerdings, als er gesehen hat, dass die Cashew-Nüsse, die er sich da aus der Tüte griff, aus einer Luzerner Manufaktur stammen. «Von Luzerner Landfrauen veredelt», hiess es auf der Packung. Eine kleine Spurensuche.

Ihre Reise haben die Cashew-Nüsse der Marke «Stoli» in Willisau im Kanton Luzern gestartet. Obwohl, genau genommen in Vietnam, denn die verschiedenen Nüsse – Cashewkerne, Haselnüsse, Baumnüsse, Pekannüsse und Mandeln – kommen per Lieferant nach Luzern.

Schweizer Nüsse sind zu fade

Aus gutem Grund, wie Geschäftsführer Roland Stadelmann (50) auf Anfrage erklärt. Zwar würde er gerne Schweizer Baum- und Haselnüsse verarbeiten, nur seien die hier verfügbaren Mengen viel zu klein. Zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Denn seit der Gründung von «Stoli» 2017 verarbeitet das Unternehmen mittlerweile an die 140 Tonnen jährlich. Ausserdem möchte Stadelmann keine Kompromisse eingehen. Die heute in der Schweiz angepflanzten Nüsse eignen sich nicht so gut für ihr spezielles Veredelungsverfahren. Es käme am Ende eine Nuss heraus, die zu wenig Geschmack hätte.

«Wir gaukeln den Nüssen natürliche Umgebungen vor, in denen sie selbst zu arbeiten beginnen.»

Roland Stadelmann, Inhaber

Dabei sei es besagtes Verfahren, das die Luzerner Nüsse so markant mache. Denn mit Nüssen sei das so eine Sache. Gewöhnlich werden sie geröstet. Dadurch werden Nüsse zwar knackig, verlieren aber gesunde Mineralstoffe, Fette und Vitamine. Röstet man die Nüsse nicht, bleiben diese Stoffe zwar erhalten, dafür sind die Nüsse nicht knackig. Ausserdem sind sie roh schwerer verdaulich.

Ein langer Prozess

Darum greift Stadelmann auf Techniken zurück, mit denen schon unsere Urgrosseltern gearbeitet haben, die aber mittlerweile fast in Vergessenheit geraten sind. Zu sehr geht er nicht ins Detail – Betriebsgeheimnis. Vereinfacht gesagt, fasst Stadelmann zusammen: «Wir gaukeln den Nüssen natürliche Umgebungen vor, in denen sie selbst zu arbeiten beginnen.»

In drei Etappen werden die Nüsse bearbeitet. Ihnen werden erst Phytinsäure und Protease-Hemmer entzogen, die für Bitterstoffe und Verdauung zuständig sind. Nüsse, die gesalzen ins Regal sollen, werden danach in ein Solebad mit leichtem Überdruck eingelegt. Dann werden sie bei niedrigen Temperaturen getrocknet. Das braucht seine Zeit. Der gesamte Prozess dauert gemäss Roland Stadelmann rund eine Woche. Geschmack und Würze bekommen die Nüsse erst in den letzten zwölf Stunden.

Und der «Luzerner Landfrauen»-Teil? Der bezieht sich auf Mitarbeiterinnen, die in der Veredelung tätig sind. Hier arbeiten derzeit 14 Luzerner Landfrauen in unterschiedlichen Pensen. «Wir arbeiten dafür mit dem Luzerner Bäuerinnenverband zusammen», erklärt Stadelmann. Das Unternehmen profitiere sehr von ihrem Wissen im Umgang mit Lebensmitteln. Weitere 14 Leute arbeiten in der Verpackung. In stressigeren Zeiten – wie der Weihnachtszeit – arbeitet das Unternehmen zudem mit der Stiftung Brändi zusammen, um die Abpackmengen zu bewältigen.

Vom Unterwäschehandel zum Nuss-Imperium

Auf die Nuss-Idee kam Stadelmann vor rund acht Jahren. Stadelmann ist eigentlich gelernter Primarlehrer, auf dem Beruf habe er jedoch nie gearbeitet. Stattdessen hat er während zehn Jahren einen Online-Shop aufgebaut, der Mode und Unterwäsche verkauft hat. Auf einer Auslandsreise kam er dann zum ersten Mal mit den knackigen Nüssen in Berührung. Davon beeindruckt, beschliesst der Luzerner zu Hause, sich selbst daran zu versuchen. Nach zahlreichen Probeversuchen baut er den zum Teil ungenutzten Hof seiner Cousine in Willisau in eine Manufaktur um und startet 2017 mit «Stoli».

Seither ist das Unternehmen stark gewachsen. Vor allem während der Pandemie. «Makabererweise ging es dem Unternehmen in dieser Zeit sehr gut», sagt Stadelmann. Das Interesse der Bevölkerung, wieder vermehrt auf lokale Produkte zu setzen, hätte den Verkauf befeuert. Das Interesse blieb über die Pandemie hinaus erhalten. Heute ist «Stoli» mit einem Online-Shop und in rund 1050 Verkaufsstellen in der Schweiz präsent. Vor allem in Fachgeschäften wie Dorfläden und Reformhäusern. Auf Grossverteiler verzichtet Stadelmann hingegen ganz bewusst. Er denkt nicht, dass in diesen ein solch spezialisiertes Produkt funktioniert, da die Beratung fehlt.

Nüsse in der Luft

Seit vergangenem Jahr sind die Luzerner Nüsse dafür im internationalen Luftraum zu finden. Stadelmann hat Probierpackungen hergestellt und an verschiedene Firmen verschickt. Eine davon war die Airline Edelweiss. Wie Andreas Meier, Sprecher der Edelweiss Air, auf Anfrage erklärt, hätten die Stoli-Nüsse die Produktverantwortlichen im Rahmen einer Degustation am meisten überzeugt. «Anschliessend hat sich Edelweiss dazu entschieden, die Nüsse in unser Angebot an Bord aufzunehmen.» Angeboten werden sie auf allen Langstreckenflügen in der Business-Klasse als kostenloser Snack für die Passagiere und die Crew.

Die Nüsse aus Willisau fliegen nicht nur mit Edelweiss Air. Auch die Swiss interessiert sich für die veredelten Nüsse aus Willisau. Derzeit biete man sie noch nicht an, heisst es seitens der Medienstelle. «Wir haben sie bislang nur bei Testflügen zur Erprobung neuer Service-Abläufe angeboten», schreibt Sprecherin Meike Fuhlrott. Die Resonanz auf die Nüsse sei jedoch «äusserst positiv» ausgefallen.

Luzerner Schoggi im Weltall

Nicht nur Nüsse, auch Schokolade aus einer Luzerner Manufaktur schaffte einen buchstäblichen Höhenflug. Von 2012 bis 2015 bot die Fluggesellschaft Swiss Schoggi der Karl Hug AG mit Sitz in Kriens an. Bis die Migros eine neuerliche Ausschreibung gewann – wohl aus Preisgründen, wie der ehemalige Geschäftsführer Karl Hug gegenüber zentralplus äusserte. Später ging es für die Krienser Schoggi gar noch höher hinaus. 2016 belieferte sie Astronauten der Weltraumstation ISS (zentralplus berichtete).

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Roland Stadelmann, Inhaber «Stoli»
  • Website «Stoli»
  • Input eines Leserreporters
  • Schriftlicher Austausch mit Meike Fuhlrott, Mediensprecherin Swiss
  • Schriftlicher Austausch mit Andreas Meier, Mediensprecher Edelweiss Air
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