zentralplus bringt Koch auf Idee

Muscheln aus der Reuss – eine neue Luzerner Delikatesse

Der Luzerner Koch Lenny Hartmann verwendet Reuss-Muscheln für sein Gourmet-Pastetli. (Bild: zvg)

In der Reuss wimmelt es vor Leben. Auch invasive Muscheln finden sich hier. Ein Luzerner Koch pflückt die Dinger kiloweise und serviert sie als Delikatesse. Die Idee kommt an.

Die warmen Temperaturen locken uns ins kühle Nass. Sei das bei der Ufschötti, im Seebad oder mit einem abenteuerlichen Trip die Reuss hinab – sofern man sich an die Regeln hält (zentralplus berichtete).

Lenny Hartmann und seine Partnerin Steffi Boo schwimmen gerne in der Reuss. Bei einem ihrer jüngsten Ausflüge sind sie auf Muscheln gestossen. Nach einer kurzen Recherche war klar, was sie da in den Händen hielten: Grobgerippte Körbchenmuscheln. Dabei handelt es sich um eine aus dem asiatischen Raum eingeschleppte Art, die für die hiesige Artenvielfalt schädlich sein kann (zentralplus berichtete). Das Spannende an den Muscheln: Sie sind essbar.

Das «Müschelipastetli» wird Realität

2019 fragte sich zentralplus im Anbetracht der Muschelsituation in der Reuss: «Landen bald Luzerner Müschelipastetli auf unseren Tellern?» Heute kann die Frage mit einem klaren «Ja» beantwortet werden. Denn Lenny Hartmann ist Sous-Chef im Restaurant «Drei Könige» in der Stadt Luzern und immer auf der Suche nach neuen Ideen für Gerichte. Und «Müschelipastetli» klang für den Koch sehr verlockend.

Und so sieht es aus, das Müschelipastetli.
Und so sieht es aus, das Müschelipastetli. (Bild: zvg)

«In Zürich habe ich solche Muscheln schon in Restaurants serviert bekommen. Ich hab dann einige in der Reuss gesammelt und selbst probiert.» Sein Fazit: lecker. «Sie haben einen guten, leicht fischigen Geschmack, allerdings sehr dezent, weil sie nicht aus dem Salzwasser stammen.»

Immenser Aufwand für wenig Muscheln

Einmal pro Woche taucht Hartmann mit Taucherbrille, Sieb und Schaufel ausgestattet seine geheimen Spots ab. «Hier gibt es die Muscheln wie Sand am Meer.» Bis zu zwei Stunden verbringt er in der Reuss. «Danach wirds langsam kalt», sagt er. Tatsächlich ist die Temperatur in der Reuss eine Gefahr, die oft vergessen geht (zentralplus berichtete).

Lenny Hartmann und seine Ausbeute aus der Reuss.
Lenny Hartmann und seine Ausbeute aus der Reuss. (Bild: zvg)

Die Muscheln findet er etwa fünf Zentimeter tief im Grund. «Es gibt die Müscheli auch im See, aber die im Fluss schmecken mir besser, weniger schlammig.» In einer Session erntet Lenny Hartmann zwischen eins bis drei Kilo Körbchenmuscheln. Ausgepult und verarbeitet ergibt das nur etwa 300 Gramm essfertige Muscheln. «Es ist ein immenser Aufwand», sagt Hartmann. «Darum bieten wir das Müschelipastetli bei uns nur im La-Grande-Bouffe-Menü an.» Für Mittagsmenüs kämen die Muscheln nicht in Frage. «Das würde sich nicht rentieren.»

Reinigung der Reuss inklusive

Trotz des Aufwands scheut Lenny Hartmann die Arbeit nicht. «Ich mache das aus Liebe zum Beruf.» Ausserdem kommen die Muscheln bei den Gästen gut an. «Besonders wenn sie hören, dass die Muscheln nur wenige hundert Meter vom Restaurant entfernt aus dem Wasser gefischt wurden.» 

Ein weiterer Vorteil der ganzen Plackerei: Hartmann und Boo betreiben mit ihren Tauchgängen quasi eine Flussreinigung. «Abgesehen davon, dass es gut für die Umwelt ist, die invasiven Muscheln herauszuholen, bergen wir pro Tauchgang mindestens noch ein Kilo Abfall aus dem Fluss.»

Andere Luzerner Gastronomen ziehen mit

Die ultralokale Delikatesse aus der Reuss bietet er mittlerweile auch zum Verkauf an. Einigen Edel-Gastronomen, wie Oscar de Matos vom Restaurant Maihöfli (zentralplus berichtete) oder Moritz Stiefel vom «Hopfenkranz» (zentralplus berichtete) hat er «Probierpakete» geschenkt. «Sie finden die Muscheln ziemlich toll», sagt der 26-Jährige. Denkbar also, dass sich der eingeschleppte «Schädling» in der hiesigen Gastronomie ein festes Plätzchen sichert.

Und solange die Wassertemperatur in der Reuss erträglich ist, wird Hartmann seine Tauchgänge fortsetzen. Im Winter wird dann voraussichtlich Schluss sein. «Es sei denn, ich besorge mir einen Neopren-Anzug», witzelt er.

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Lenny Hartmann, Sous-Chef im «Drei Könige»
  • Instagram-Account «Rüss Müscheli»

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4 Kommentare
  • Profilfoto von Xianos
    Xianos, 08.07.2022, 10:37 Uhr

    Ich gehe weder schwimmen noch esse ich was von einem Flusslauf wo AKW dran hangen.

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    • Profilfoto von Thomas Aeberhard
      Thomas Aeberhard, 08.07.2022, 17:07 Uhr

      Dann passt es ja. Die Reuss entspringt im Kanton Uri, fliesst in den Vierwaldstättersee und geht dann via Zug in den Aargau, wo die ersten AKW stehen. Sie erhalten aus Luzern also unbelastete (wovon eigentlich?) Produkte und dürfen hier auch schwimmen gehen.

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  • Profilfoto von Rosa Luxemburg
    Rosa Luxemburg, 05.07.2022, 17:42 Uhr

    Gratuliere zur Entdeckung. Zudem danke für das Engagement und Kulinarik. Schöne Story um einen leidenschaftlichen Koch!

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  • Profilfoto von Hegard
    Hegard, 02.07.2022, 12:15 Uhr

    Gute Idee
    Wird ab jetzt nicht lange anhalten. Ich denke es wird
    noch andere Idressanten geben.
    Aber es gibt ja auch zB Fischzucht.

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