Herzensangelegenheit und Verlustgeschäft

Fertig gebraut: Der Höhenflug der Kleinbrauereien ist vorbei

Die Brauerei Maihof in Luzern hat den Betrieb Ende 2022 eingestellt. Sie ist eine von 100 Brauereien, die 2022 das Geschäft aufgegeben haben. (Bild: zvg)

Mehrere Luzerner und Zuger Kleinbrauereien haben in den vergangenen Monaten ihr Geschäft aufgegeben. Das ist kein Zufall: Schweizweit haben im vergangenen Jahr 100 Brauereien geschlossen.

In den vergangenen Jahren schossen Kleinbrauereien in der ganzen Schweiz aus dem Boden. Die Anzahl Brauereien hat sich zwischen 2001 und 2021 verdreizehnfacht. Ganz zur Freude von Craft-Bier-Fans, denen die Kleinbrauereien eine Alternative zu den immer gleichen Lagerbieren der Grosshersteller anbieten.

Jetzt zeichnet sich eine Trendwende ab. Jüngst hat die Sorseer Bier AG bekannt gegeben, dass sie ihren Betrieb einstellt (zentralplus berichtete). Damit wird die Liste der geschlossenen Brauereien länger: Bereits im vergangenen Jahr hat die Brauerei Seetal in Hochdorf ihren Betrieb eingestellt, im Winter verschwand das Ägeribier aus Unterägeri und die Brauerei Maihof aus der Stadt Luzern.

100 Brauereien sind in der Schweiz innert eines Jahres verschwunden

Es scheint sich dabei keinesfalls um Einzelfälle zu handeln. Ende 2022 gab es schweizweit hundert Brauereien weniger als noch im Vorjahr, wie neue Zahlen des Bundesamtes für Zoll und Grenzsicherheit zeigen. Insgesamt nahm die Zahl der Brauereien von 1278 auf 1179 ab.

«Die Kleinbrauer laufen am Limit. Sie zahlen sich höchstens einen Stundenlohn aus, der unter dem jeder Reinigungskraft liegt.»

Christopher Lüke, ehemaliger Bierbrauer der Brauerei Maihof

Sowohl die neulich geschlossene Soorser Bier AG als auch die im vergangenen Jahr geschlossene Brauerei Seetal AG begründeten die Schliessung mit den gestiegenen Rohstoffpreisen.

Auch die Brauerei Maihof aus der Stadt Luzern stellte Ende 2022 den Betrieb ein. Gegründet hatte sie der heute 59-jährige Christopher Lüke. Auch er sieht die gestiegenen Rohstoffpreise als Ursache für die Probleme der Brauereien. Zu diesen kämen die gestiegenen Gaspreise, Transportkosten und Mietzinsen dazu. «Aufgrund der hohen Rohstoffpreise wurde die Marge dünner und dünner. Das Brauen ist ein Job, der viel Seriosität und Konzentration bedarf, wenn man alles mitrechnet. Vielen Leuten ‹lupfts› daher den Hut», sagt Lüke gegenüber zentralplus.

Biere der Brauerei Maihof waren im höheren Preissegment angesiedelt. Sie stellte Bier in Kleinstmengen her, gleichwohl belieferte sie mit der Jazzkantine, dem Hopfenkranz, dem Maihöfli und der Libelle bekannte Lokale. Als Reaktion auf die gestiegenen Preise hätte man auch zu günstigeren Grundzutaten greifen können, sagt Lüke. «Ich hatte aber hohe Qualitätsansprüche an mein Bier.» Günstigere Produkte hätten geheissen: «Nicht mehr aus der Region und nicht mehr bio.» Für den Kleinbrauer keine Option.

Brauer zahlen sich einen Hungerlohn aus

Nach über drei Jahren brauen ist für Lüke klar, dass es sich um ein Verlustgeschäft handelt. «Die Kleinbrauer laufen am Limit. Sie zahlen sich höchstens einen Stundenlohn aus, der unter dem jeder Reinigungskraft liegt», sagt er gegenüber zentralplus. «Eine Herzensangelegenheit ist es trotzdem. Es erfüllt einen mit Stolz, im guten Restaurant zu sitzen und eigenes Bier zu trinken.»

Obschon die Brauerei Maihof eingestampft ist, die Braukessel und die Anlage habe er noch immer. Demnächst gründe er einen Bierverein. Das Ziel: «Mit guten Freunden Kleinstmengen von Bier zu produzieren. Ich habe durch das Brauen viele tolle Menschen besser kennengelernt.» Ganz zu Ende ist das Kapitel Bierbrauen zumindest für Christopher Lüke nicht.

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Christopher Lüke, ehemalige Brauerei Maihof
  • Daten des Bundesamtes für Zoll und Grenzsicherheit
  • Facebook-Seite von Ägeribier
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4 Kommentare
  • Profilfoto von Rudolf Schweizer
    Rudolf Schweizer, 11.05.2023, 09:18 Uhr

    Leider hat es unsere Wirtschaftsförderung verpasst ein Regelwerk zu schaffen, damit einerseits mit Kennzahlen zu sehen ist wo hat noch eine Brauerei Platz hat und wie kann man Jungunternehmer helfen kann, sich nicht in ein Verlustgeschäft hinein zu Manövrieren.
    Das erste Reinheitsgebot, das der Braukunst soll man Bewahren, geht etwas verloren wieder Entwickeln, Fördern und Fordern. Die Arbeit im Allgemeinen sollte man in die Balance stellen. Macht man das alles richtig, gibt es weniger Konkurse und für viele ein Liebeswürdigeres Leben. Arbeit in Balance.

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    Hebi, 07.05.2023, 09:55 Uhr

    Ja leider ist das nun so….doch es sei auch zu betonen, dass es auch in der Braubranche misswirtschaft geben kann. Viele Kleinbrauereien brauchten ja auch gleich von Anfang an die grösste Anlage mit den schönsten polierten Kuperkessel. Dieser wird dann zwei bis dreimal im Monat in Betrieb genommen und wurde vom AK oder Krediten finanziert – dass man dafür Bier verkaufen sollte, wurde vergessen. apropos..der Kuchen an Bierliebhaber wurde nicht grösser.

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  • Profilfoto von Franz
    Franz, 06.05.2023, 23:44 Uhr

    Was für ein Verlust an Kulturgut. Es ist enorm wichtig, dass jedes Kaff und jedes Quartier sein eigenes Gesöff hat – das weltbeste natürlich.

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    Remo, 06.05.2023, 22:09 Uhr

    Schade aber irgendwann ist auch genug. Der Markt ist gesättigt.

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