Fabio Scacciaferro über «Latte Art»

Dieser Weltmeister will Luzern zu einer Kaffeestadt machen

Fabio Scacciaferro vor seiner neu eröffneten Boutique. (Bild: mko)

Der Italiener Fabio Scacciaferro hat drei Weltmeisterschaften in «Latte Art» gewonnen. Im Interview spricht er über sein neuestes Projekt, die Luzerner Kaffeekultur und Kaffeebohnen.

zentralplus: Fabio Scacciaferro, wie wird man Latte-Art-Weltmeister?

Fabio Scacciaferro: Das war kein einfacher Weg. Es braucht viel Leidenschaft, Fähigkeit sowie Training. Zwischen 2017 und 2019 habe ich beispielsweise jeden Tag an der Maschine trainiert, mindestens drei Stunden, auch am Wochenende. Zudem braucht es einiges an Kreativität bei der Suche nach neuen Motiven.

zentralplus: Vergangenen Dienstag haben Sie in der Luzerner Altstadt eine Boutique für Kaffeemaschinen und Zubehör eröffnet. Möchten Sie der Schweiz nun die italienische Kaffeekultur näherbringen?

Scacciaferro: Die Schweiz hat im Vergleich zu Italien eine gute Kaffeekultur. Das mag überraschen, doch ich finde, es ist wirklich so. Natürlich hat Italien eine tolle Tradition und viele grossartige Hersteller von Kaffeemaschinen. Doch in den Haushalten selbst sind Kolbenmaschinen wenig verbreitet; stattdessen werden eher Bialettis benutzt. Das hängt sicherlich auch mit den finanziellen Möglichkeiten zusammen. Die Preise für die wirklich guten Maschinen beginnen bei rund 3500 Euro. Zudem nehme ich wahr, dass man sich hier beispielsweise mehr Zeit für den Espresso nimmt. In Italien wird er oft in kürzester Zeit getrunken. Ich schätze es, wenn das Trinken ebenfalls kultiviert wird.

zentralplus: Was bringen Sie Neues nach Luzern, wenn die Schweiz bereits eine tolle Kaffeekultur hat?

Scacciaferro: Im schweizweiten Vergleich gibt es in Luzern nur wenige gute Cafés – anders als beispielsweise in Zürich oder Genf, wo man zahlreiche Orte findet, an denen man erstklassigen Kaffee erhält. Besonders in der Altstadt, wo ich meinen Laden eröffnet habe, wird oft Kapselkaffee oder solcher aus Automaten angeboten. Und wenn mit Kolben, dann stimmt oft die Zubereitung nicht.

zentralplus: Wie sollte der perfekte Espresso sein?

Scacciaferro: Ein guter Espresso sollte etwas sauer und fruchtig sein, nicht bitter. Es braucht eine leichte Crema, die nicht zu dunkel ist. Der Geschmack hängt neben der Zubereitung auch beispielsweise mit den Bohnen zusammen. Am besten werden sie etwa zehn bis fünfzehn Tage nach der Röstung verwendet. Deshalb steht bei meinen Bohnenpackungen immer das Datum der Röstung darauf.

«Ich selbst mag Espresso ohne Milch und Zucker. Davon trinke ich gerne auch mal zehn am Tag.»

zentralplus: Wie trinken Sie Ihren Kaffee am liebsten?

Scacciaferro: Ich selbst mag Espresso ohne Milch und Zucker. Davon trinke ich gerne auch mal zehn am Tag. Ich vergleiche guten Kaffee gerne mit Wein. Es gibt sowohl bessere und schlechtere Trauben als auch Herstellungsarten. Doch welchen gut zubereiteten Wein man letztendlich bevorzugt, das ist Geschmackssache.

zentralplus: Ihr Geschäft haben Sie Dreams and Coffee getauft. Wie kam es dazu?

Scacciaferro: Ich bin in der Toskana zwischen Siena und Florenz in einer Gastronomiefamilie aufgewachsen. Schon früh merkte ich, dass ich selbst nicht in der Küche arbeiten, sondern mein eigenes Ding durchziehen möchte. Mit dreizehn Jahren begann ich mich deshalb für Latte Art zu interessieren, und ich beschloss, Weltmeister zu werden. Zu Beginn nannten mich alle im Umfeld einen «sognatore», einen Träumer. Da ich gut zehn Jahre später dreimaliger Weltmeister bin und es geschafft habe, mein eigenes Kaffeegeschäft zu eröffnen, ist es eine Anspielung auf diese Zeit, in der niemand mir so etwas zugetraut hat.

Das meint Fabio Scacciaferro, wenn er von «Latte Art» spricht:

«Zeitweise arbeitete ich in der Nacht, um die Stromkosten der Kaffeemaschine zu reduzieren.»

zentralplus: Sie sagten, dass Sie in den Vorbereitungen zur Weltmeisterschaft jeden Tag mehrere Stunden trainierten. Wie haben Sie zu dieser Zeit Ihren Lebensunterhalt verdient?

Scacciaferro: Ich habe immer im Service gearbeitet. Doch Kaffee-Latte-Art ist eine kostspielige Angelegenheit. In jungen Jahren habe ich beispielsweise meinen Scooter verkauft, um mir Kaffeezubereitungskurse finanzieren zu können und ein Atelier einzurichten. Dazu kommen die Kosten für die Bohnen und neue Maschinen. Zeitweise arbeitete ich in der Nacht, um die Stromkosten der Kaffeemaschine zu reduzieren.

zentralplus: Dies scheint sich ausgezahlt zu haben. Sie wurden 2017 im Alter von 21 Jahren Weltmeister in Mailand. 2019 holten Sie den zweiten Titel. War dieser einfacher?

Scacciaferro: Für meinen zweiten Weltmeistertitel habe ich viel auf mich genommen. Wie gesagt ist das Training kostspielig, und in der Welt der Latte Art verdient man nicht unbedingt Geld durch Preise, sondern eher dadurch, dass man später Kurse anbietet. Damit diese gebucht werden und erfolgreich sind, braucht man eine gute Reputation. Ich wollte daher unbedingt den nächsten Weltmeistertitel gewinnen, um meinen Ruf als Künstler zu stärken und nicht mehr nur ein «Newcomer» zu sein. Meine finanziellen Mittel waren begrenzt, und so nahm ich in Italien einen Kredit über 10’000 Euro auf. Zuerst schien alles nach Plan zu laufen. Ich gewann tatsächlich. Doch dann kam Covid.

zentralplus: Verhinderte die Pandemie, dass Sie Kurse anbieten konnten?

Scacciaferro: Genau, es war eine schwere Zeit. Ich musste meinen Kredit zurückbezahlen und konnte gleichzeitig das Geld nicht wie geplant durch Kurse aufbringen. Auch im Service wurden viele Stellen gestrichen. In Italien waren die Massnahmen sehr streng. Meine Familie konnte ich nicht um Geld bitten. Ein Freund vermittelte mir schliesslich eine Stelle im Service in Luzern, später arbeitete ich auch in Zug. Auch hier gab es Lockdowns, doch ich konnte im Service weiterarbeiten und gleichzeitig in den Zimmerstunden weiter trainieren.

zentralplus: Das hat sich ausgezahlt. Sie wurden 2021 erneut Weltmeister.

Scacciaferro: Ja, und dieses Mal holte ich den Pokal für die Schweiz. Auch begann ich, die Sprache immer besser zu verstehen und mich hier besser einzuleben. Nach diversen Stellen im Service wurde ich Geschäftsführer in der Gelateria Dieci in Luzern. Hier versuche ich gerade ein Konzept für guten Kaffee zu installieren. Nebenbei baute ich meinen Online-Shop auf und seit Dienstag nun eben auch meinen eigenen Laden für Kaffee-Enthusiasten.

zentralplus: Was ist Ihr nächster Traum?

Scacciaferro: In der Welt der Latte Art gibt es zwei grosse Wettbewerbe. Ich wurde Weltmeister im Latte Art Grading System. Doch gibt es auch eine Weltmeisterschaft, die von der SCA, der Specialty Coffee Association, organisiert wird. Diese möchte ich als Nächstes gewinnen. Zudem versuche ich, Luzern als Kaffeedestination zu fördern, durch meinen Shop sowie ein nächstes Projekt, das bereits in den Startlöchern steht.

zentralplus: Ich rate mal: ein eigenes Café?

Scacciaferro: Kann sein (lacht). Doch viel darf ich hierzu noch nicht verraten.

Verwendete Quellen
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