Heisse Maroni, kalte Geschäfte

Der Baarer «Maronimaa» steht für seine Kinder am Kessel

Ümit Sarigöl verkauft seit sieben Jahren Maroni in Baar. (Bild: wia)

Wer Maroni verkaufen will, braucht ein dickes Fell. Sowohl gegen die Kälte als auch gegen die grosse finanzielle Unsicherheit. Doch manchmal trifft ein Verkäufer am Stand auch seine grosse Liebe. Ein Besuch beim «Maronimaa» in Baar.

Samstagvormittag auf dem Baarer Rathausplatz: Aus dem grossen Kessel, in dem Ümit Sarigöl mit einer Holzkelle rührt, dampft es fröhlich. Weniger fröhlich ist die Miene des Maroniverkäufers, als er einen Blick auf den trüben Himmel wirft. «Bei diesem regnerischen Wetter kommen wohl nicht viele Kunden.»

Der gebürtige Baarer spricht aus Erfahrung. Seit sieben Jahren betreibt er während des Winterhalbjahres den Maronistand «Ompar’s» vor dem Gemeindehaus. Dies jedoch nur während der Wochenenden. «Unter der Woche lohnt sich das nicht, das habe ich versucht. Der Standort ist zwar gut, doch gibt es hier zu wenig Laufkundschaft.»

Die Menschen, die vorbeigehen würden, hätten meist ein klares Ziel und keine Zeit für Maroni. «Da könnte ich auch goldene Maroni anbieten, es würde nichts nützen», sagt der 41-Jährige. Während er spricht, pickt er einzelne Edelkastanien aus dem grossen Kessel. Den Unterschied zwischen den guten und schlechten Maronis sieht nur er.

Eine schlechte Qualität würde dem Geschäft schaden

Während er eine faule Kastanie in den Abfall wirft, sagt er mit Nachdruck: «Das ist mir sehr wichtig. Ich möchte den Leuten die bestmögliche Qualität bieten. Ich verdiene lieber weniger und gebe den Menschen dafür das, wofür sie bezahlt haben.» Das lohne sich nicht zuletzt deshalb, da die Kundschaft zumeist aus Baar komme. «Ich möchte ja, dass sie wiederkommt. Maroniverkäufer an prominenten Orten in Zürich oder Luzern können sich diesbezüglich viel mehr erlauben.»

Während der Woche arbeitet Sarigöl als Sanitärfachmann. Am Maronistand steht er selbst jedes zweite Wochenende. «An den anderen Wochenenden übernimmt mein Bruder den Maronistand, während ich mich um meine drei Kinder kümmere.» Sie seien der Grund, warum Sarigöl das Maroniunternehmen überhaupt führe. «Ich möchte, dass sie eine möglichst gute Zukunft haben.» Der Name des Maronistands erinnert ihn stets an seinen Nachwuchs. «Der Name Ompar ist ein Wortkonstrukt aus den Anfängen der Namen meiner Kinder: Omar, Pars und Sarp.»

Der Dezember ist zäh

Sie seien es denn auch, die ihm die Kraft gäben, diesen nicht immer einfachen Job zu machen. «Hier ist man sowohl der Kälte als auch der Hitze ausgesetzt, steht im Schnee und Regen und wartet oft ziemlich lang auf Kundschaft. Gerade der Dezember ist jeweils zäh. Die Leute verwenden ihr Geld lieber für Weihnachtsgeschenke», sagt Sarigöl. Besser laufe es im Oktober und November, insbesondere aufgrund der Chilbi und des Christchindlimarktes. Überdies wird der «Maronimaa» auch immer wieder von Firmen und für Privatanlässe gebucht.

Reich werde Sarigöl trotzdem nicht. «Viele Leute glauben das, wenn es vor meinem Stand eine lange Warteschlange gibt. Dann sage ich ihnen, dass ich tatsächlich zwei Lamborghini habe. Sie stehen auf dem Fernseher und sind so gross», sagt er und hält seine Handflächen etwa zehn Zentimeter auseinander.

Wie Sarigöl prognostiziert hat, läuft das Geschäft an diesem Samstagvormittag nur schleppend. Nach 25 Minuten bei rund 600 Grad Hitze sind die ersten Maroni geröstet und kommen in den eigens von ihm angefertigten Wärmebehälter. Dort beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit: «Sind die Maroni erst geröstet, kann ich sie nur noch rund eineinhalb Stunden verkaufen. Danach nimmt die Qualität ab.» Ob er die erste Portion wegbringt, wird sich zeigen. Nur ab und zu kommt Kundschaft vorbei, manchmal sind es auch Menschen, die nichts kaufen, sondern nur für einen Schwatz stehen bleiben.

Philosophieren am Maronistand

«Wie geht es deiner Hüfte?», fragt Sarigöl einen bärtigen Mann mit Krücken, der beim «Maronimaa» eine Pause macht. «Ich finde, du läufst schon deutlich besser als vor einiger Zeit.» Die Männer kennen sich offenkundig seit Längerem. Und rasch wird das Gespräch tiefgründiger, man spricht über die kleinen Dinge im Leben, die es zu schätzen gelte, und über die Wichtigkeit, seinen Mitmenschen freundlich zu begegnen.

Seine Maroni bezieht Sarigöl von einem Lieferanten aus Dietikon. «Der macht das schon seit Jahrzehnten.» Die Maroni, die der Baarer an diesem Tag dabeihat, stammen aus Portugal. «Bei der Herkunft sind mir die Hände gebunden. Ich nehme die Sorte, die der Lieferant hat.» Während der Hochsaison, also im Oktober und November, sei die Auswahl grösser. «Da kommen sie oft aus Italien.» Doch egal, woher die Edelkastanien stammen: Er selbst isst schon lange keine mehr davon. «Wenn man den ganzen Tag diesen Geruch einatmet, mag man sie irgendwann gar nicht mehr essen.»

Zivilstandsbeamte trifft auf «Maronimaa»

Während Sarigöl spricht, entfernt er sich vom Stand und beginnt, mit einem speziellen Schlüssel die Pfosten vom Trottoir wegzuschrauben. «So können die Autos auf den Rathausplatz fahren, um Maroni zu kaufen und behindern den Verkehr nicht.» Nicht nur für diese Möglichkeit ist er der Gemeinde Baar dankbar. «Überhaupt bin ich sehr froh, dass ich meinen Stand hier aufstellen darf. Grundsätzlich ist das nämlich ein guter Platz.»

Dies nicht zuletzt, da er hier vor drei Jahren seine heutige Partnerin traf. «Heidi war damals beim Zivilstandsamt tätig. An einem Samstag im September musste sie gleich mehrere Trauungen durchführen. Dazwischen kamen wir ins Gespräch.»

Dann wird der Maroniverkäufer nachdenklich. «Vor einem Monat habe ich ernsthaft erwogen, aufzuhören. Durch diesen zweiten Job habe ich sehr wenig Zeit für meine Kinder und meine Freundin. Doch etwas, das mein Sohn gesagt hat, liess mich weitermachen.» Sarigöl weiter: «Er erzählte mir, dass er in der Schule über meinen Beruf gesprochen habe und der Klasse mitteilte, dass auch er später Maroniverkäufer werden möchte wie sein Vater. Das hat mich bestärkt.»

Die Edelkastanie in der Schweiz

Die Edelkastanie kommt in der Schweiz praktisch nur auf der Alpensüdseite vor. Dies oft an steilen Süd- und Westhängen im Kanton Tessin. Doch gibt es auch einige Ausnahmen. So gibt es etwa in der Luzerner Gemeinde Weggis mehrere Kastanienhaine, aber auch in der Zuger Gemeinde Walchwil. Dort besitzt die Korporation ungefähr 330 Aren.

Bereits in der Antike waren Edelkastanien verbreitet. Vor allem in Kleinasien, Griechenland und im Balkan. Aus ihr wurde unter anderem Brot, Mehl und Suppen hergestellt. Im Mittelalter wurde die Kastanie immer mehr zum Brot der Armen, vor allem im Winter oder in Gebieten, wo kein Getreide wuchs. Konserviert wurden sie insbesondere durch Trocknen oder Räuchern.

Die Heilerin Hildegard von Bingen hielt viel von der Baumfrucht. Folgendes Zitat von ihr wurde überliefert: «Ein Mensch, dem das Gehirn durch Trockenheit leer ist und der davon im Kopf schwach wird, koche die inneren Fruchtkerne dieses Baumes in Wasser und gebe sonst nichts dazu. Und wenn das Wasser ausgegossen ist, soll er sie oft nüchtern und nach dem Essen nehmen, und sein Hirn wächst und wird gefüllt und seine Nerven werden stark und so wird der Schmerz im Kopf weichen.» Wohl bekomm’s.

Verwendete Quellen
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