Das kommt bei der Pfarrerin an Weihnachten auf den Tisch
«Wichtig ist, dass alle zusammenkommen», findet Verena Sollberger, die Pfarrerin der Lukaskirche. (Bild: fuv)
Zwei Luzerner Geistliche erzählen, wie Offenheit und die Anwesenheit der Familie an ihrem Weihnachtstisch wichtiger sind als das Menü. Und wie der Beruf die weihnachtlichen Rituale beeinflusst.
Das Essen zu Weihnachten ist mehr als nur eine Frage des Geschmacks. Es erzählt Geschichten von Tradition, Wandel und Gemeinschaft. Eine reformierte Pfarrerin und ein katholischer Pfarreileiter schauen über den eigenen Tellerrand und gewähren einen Einblick in ihr persönliches Weihnachten.
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«An Heiligabend mache ich sicher kein ‹Köch›», pflegte Verena Sollbergers Mutter zu sagen. Damit ist gemeint, es werde kein grosser Kochaufwand betrieben. Diese Weisheit übernahm die Pfarrerin der Lukaskirche in Luzern für ihr eigenes Weihnachtsfest: «Bei uns gibt es Filet im Teig mit Reis – gut vorzubereiten und stressfrei.» Für Sollberger geht es darum, Zeit für die Familie zu haben an Weihnachten. Sie sagt: «Es spielt keine Rolle wie aufwendig das Menü ist, wichtig ist, dass alle zusammenkommen.»
Urs Brunner, Co-Pfarreileiter St. Anton – St. Michael in Luzern, erinnert sich an die Jahre, in denen Fondue chinoise das Weihnachtsessen dominierte. «Es war Tradition, aber irgendwann kam meine betagte Mutter mit den vielen Gabeln nicht mehr zurecht.» Seine Familie beschloss, etwas Neues zu probieren: ein Überraschungsmenü. «Jeder übernimmt einen Gang. Dieses Jahr mache ich das Dessert – ein Tiramisu», sagt Brunner. Für ihn ist das Weihnachtsmenü ein Symbol des Wandels. «Es zeigt die Geschichte unserer Familie: Kinder werden erwachsen, Grosseltern gehen, Traditionen ändern sich.»
Gemeinsame Botschaft: Nächstenliebe
In den Anekdoten der beiden Protagonisten zeigt sich, sie predigen nicht Wasser und trinken Wein. Gemeinschaft ist beiden wichtig. Verena Sollberger betont: «Ich finde es schön, wenn viele Menschen am Tisch sitzen. Weihnachten ist ein Fest der Offenheit.» Diese Offenheit lebt sie auch: Vor einigen Jahren lud sie zwei geflüchtete, irakische Brüder, die kaum Deutsch sprachen, zu Weihnachten in ihr Zuhause ein. «Die beiden haben mich von da an ‹Mama› genannt und haben über mehrere Jahre mit uns gefeiert», erzählt sie.
Dass der Gedanke der Nächstenliebe auch über den familiären Kreis hinausgeht, zeigt sich für Urs Brunner etwa am 25. Dezember an der «Offenen Weihnacht». Dort werden Menschen, die sonst allein wären, zu einem gemeinsamen Weihnachtsessen in die Pfarrei eingeladen. «Für viele ist das Essen nur der Aufhänger. Es geht vor allem darum, miteinander zu reden und sich verbunden zu fühlen.»
Überhaupt ist das Familienfest beider Amtsträger von ihrem Beruf geprägt. So leitet Sollberger alle zwei Jahre in der Lukaskirche die Christnachtfeier, den Weihnachtsgottesdienst um 22.30 Uhr. Auch Brunner muss an Weihnachten arbeiten. Er leitet den Familiengottesdienst am 24. Dezember jedoch bereits um 17 Uhr.
Während Brunner am Gottesdienst selbst entspannt ist, verspürt Sollberger eine gewisse Anspannung, wenn sie nach der privaten Weihnachtsfeier noch eine Predigt hält: «Wenn ich diese Anspannung nicht mehr habe, dann muss ich aufhören. Diese Anspannung zeigt mir, dass es für mich immer noch etwas Besonderes ist.» Bei einer Predigt gebe sie nicht zuletzt auch immer etwas von sich selbst preis.
Prunk oder Bescheidenheit
Sowohl Sollberger als auch Brunner reflektieren die Frage, wie prunkvoll ein Weihnachtsessen sein sollte. Brunner plädiert für eine bewusste Festtagsgestaltung: «Ich bin kein Asket. Ich finde, ein Fest darf auch gefeiert werden. Gutes Essen und eine gute Flasche Wein gehören dazu, um das Beisammensein zu unterstützen.» Auf Wunsch seiner Töchter sei das Weihnachtsessen jedoch nachhaltiger geworden und deshalb vegetarisch.
Auch Sollberger wünscht sich mehr Nachhaltigkeit und bewusstes Entschleunigen: «Vielleicht würde das helfen, Weihnachten von seinem Sockel zu holen.» Soll heissen: Es muss an Heiligabend nicht alles perfekt sein, denn die Menschen sind auch unter dem Jahr nicht perfekt.
Weihnachtsklänge und Erzählungen
Urs Brunner beschreibt seine Familie als musikalisch. «Meine Frau singt gerne und sehr gut, ich spiele Akkordeon, eine meiner Töchter spielt Gitarre. Musik verbindet uns, nicht nur an Weihnachten.» Der Heiligabend beginnt für die Familie Brunner traditionell mit dem Anzünden der Kerzen am Weihnachtsbaum. «Danach erzähle ich oft eine Weihnachtsgeschichte, die ich aus meiner Sammlung auswähle. Viele dieser Geschichten greifen die Sehnsüchte und Ideale auf, die Weihnachten prägen», erzählt er.
Für Verena Sollberger gehört das gemeinsame Singen untrennbar zu Weihnachten. «Ich oder eines meiner Kinder liest die Weihnachtsgeschichte vor, und wir singen Lieder. Auch wenn wir nur wenige sind, machen wir gerne zusammen Musik», erzählt sie. Ihr Mann spielt Traversflöte, ihre Tochter das Cembalo.
Eins wird aus den Gesprächen besonders deutlich: Ob Filet im Teig oder vegetarisches Überraschungsmenü – letztlich kommt es nicht darauf an, was auf den Tisch kommt, sondern wer mit am Tisch sitzt. «Mit der richtigen Gemeinschaft könnte man an Weihnachten auch Brot und Käse essen», sagt Sollberger.
ist seit Oktober 2024 als Praktikantin bei zentralplus tätig. Als echte Lokalpatriotin liebt sie die Stadt Luzern und schreibt gerne über die Menschen, die hier leben. Sie mag es harmonisch, teilt aber auch gerne aus.