David Roth im Interview

«Es wird auch auf mich hart geschossen»

David Roth auf der Langensandbrücke in Luzern. (Bild: cha)

Er ist bekannt für markige Worte, pointiert linke Politik und saftige verbale Entgleisungen. Nun soll David Roth SP-Kantonalpräsident werden. zentral+ wollte wissen, wie er die Linken wieder zum Erfolg zurückführen will, wie er es mit der Konsensfähigkeit hält und ob er nun den Wolf im Schafspelz spielen wird.

zentral+ trifft David Roth zum Gespräch im «Café Meyer» am Bundesplatz. Man kennt offenbar den ehemaligen Juso-Präsidenten und heutigen Kantonsrat der SP. Rundherum gratulieren ihm die Gäste zum 30. Geburtstag, ein Kerzlein wird angezündet, zum Kaffee gibt es Schöggeli. Eben ist bekannt geworden, dass David Roth der einzige Kandidat für den Posten des Kantonalpräsidenten der SP ist. Aller Vorausicht nach wird er am Parteitag vom 13. Juni an die Parteispitze gewählt. Damit wird ein streitbarer, umstrittener Politiker die Geschicke der Linkspartei in die Hand nehmen.

 

zentral+: David Roth, die SP hat gerade ein Wahldebakel hinter sich. Warum wollen Sie sich das nun antun?

David Roth: Wir stehen nicht vor einem Scherbenhaufen, schliesslich hatten wir bei den Parlamentswahlen so viel Wähleranteile wie noch nie. Klar, bei den Regierungsratswahlen haben wir natürlich ein anderes Resultat erwartet.

zentral+: Sie gelten als scharfzüngiger Politiker, der kein Blatt vor den Mund nimmt. Braucht das die SP jetzt?

Roth:  Ich mache seit 14 Jahren Politik und habe mich einer breiten Palette an Mitteln bedient. Die Mittel haben aber immer auch zur Rolle gepasst. Selbstverständlich gehört der Zweihänder eher in die Hände eines JUSO-Präsidenten, ein SP-Präsident muss da integrierender sein. Aber klare Worte werden Sie von mir weiterhin hören. Was aber oft vergessen geht, ist, dass der allergrösste Teil der politischen Arbeit nicht im medialen Scheinwerferlicht stattfindet. Ich wage zu behaupten, dass ich mir dort sowohl Sachverstand als auch Respekt erworben habe. In der Öffentlichkeit werde ich immer noch oft als der mit den markigen Worten wahrgenommen, entsprechend wird auch ab und zu hart auf mich geschossen.

zentral+: Zu Unrecht?

Roth: Wie gesagt: Ich kann auch auf der sachlichen Ebene etwas erreichen. Und da habe ich auch schon mehrfach gezeigt, dass ich konsensfähig bin. So bin ich zum Beispiel einer der wenigen Kantonsräte, der jemals eine Standesinitiative durchgebracht hat. Dabei ging es um Geldwäsche mit Immobilien. Da habe ich bei Kantonsräten anderer Parteien viel Überzeugungsarbeit geleistet. Ich bin also durchaus in der Lage, auch in anderen politischen Lagern Verbündete zu gewinnen.

«Ich habe schon mehrfach gezeigt, dass ich konsensfähig bin.»

David Roth, SP-Kantonsrat

zentral+: Werden Sie als Kantonalpräsident ein Wolf im Schafspelz?

Roth: Nein, damit würde ich niemandem einen Gefallen machen, ich werde mich nicht verbiegen. Mir ist aber klar, dass es ein Rollenwechsel ist, den ich auch bereit bin vorzunehmen.

zentral+: Dennoch: David Roth als sanften Konsenspolitiker können sich viele nicht vorstellen. Muss sich Luzern mit Ihnen an der Spitze nicht auf eine geballte Ladung Opposition gefasst machen?

«Wir werden auch nicht einfach aufs Maul hocken, wenn uns etwas gegen den Strich geht.»

Roth: Wir werden nicht Opposition um der Opposition Willen betreiben, sondern wenn wir inhaltlich anderer Meinung sind. Aber natürlich wird die Regierung ohne SP-Beteiligung häufiger Entscheide treffen, die nicht in unserem Sinne sind. Die SP ist es sich gewohnt, in der Minderheit zu sein, und wir wissen, wie wir unseren beschränkten Einfluss möglichst wirksam – und manchmal auch leise – zur Geltung bringen. Aber klar: Wir werden auch nicht einfach aufs Maul hocken, wenn uns etwas gegen den Strich geht.

zentral+: Trotzdem: Wäre es nicht besser, einen etwas zahmeren Chef zu haben, jetzt, wo die SP wieder auf Mitte-Wähler angewiesen ist?

Roth: Nein, Sie sehen die Rolle des Parteipräsidenten falsch. Die grösste Aufgabe eines Kantonalpräsidenten ist es, die Organisation aufzubauen, die Basis zu stärken und sie möglichst gut einzubinden. Es geht nicht darum, möglichst viele Medienberichte zu generieren, sondern die Anzahl Mitglieder zu vergrössern und gute politische Arbeit zu leisten.

zentral+: Dennoch gelten Sie als provokativ und scharfzüngig.

«Wichtig ist für mich, dass man die Dinge beim Namen nennt.»

Roth: Die Frage ist, inwiefern man provokativ ist. Ich habe nie einfach so provoziert. Wenn es aber um Inhalte von Initiativen und Referenden geht – ja, dann kann ich schon Klartext reden, was auch richtig und nötig ist. Dann geht es um Inhalte, etwa um gerechte Lohnsysteme oder um eine fragwürdige Steuerstrategie. Oder um Sparmassnahmen bei Behinderten, die wir falsch finden. Wenn das provokativ ist, dann bin ich provokativ, ja. Wichtig ist für mich, dass man die Dinge beim Namen nennt.

zentral+: Das dauernde Anprangern der Tiefsteuerstrategie hat bei den Wahlen offenbar nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Wollen Sie wirklich weiterhin auf ein Thema setzen, das beim Stimmvolk nicht so gut ankommt?

Roth: Wir werden in nächster Zeit grosse finanzielle Probleme zu lösen haben, deshalb kann man das Thema nicht einfach ausklammern. Aber wir müssen auch abseits der Finanzpolitik vermehrt Alternativen zur bürgerlichen Politik aufzeigen.

zentral+: Wie denn?

Roth: Wenn es um Rechte für Arbeitnehmende, beispielweise Ladenöffnungszeiten, wenn es um günstigen Wohnraum geht oder anständige staatliche Leistungen für behinderte Menschen, dann sind wir durchaus mehrheitsfähig. Das haben wir auf verschiedenen politischen Ebenen und auch in Volksabstimmungen bewiesen.

zentral+: Rutscht mit Ihnen die SP nach links?

Roth: Die SP ist links, ich sehe bei mir keine inhaltlichen Abweichungen. Ich wüsste nicht, wo ich einen Linksdrall setzen würde (lacht).

zentral+: Sie haben nach den Wahlen angekündigt, vermehrt auf dem Land aktiv zu werden. Pointiert linke Statements kommen auf dem konservativ geprägten Land schlecht an. Wie stellen Sie sich das vor?

Roth: Ich habe keine Berührungsängste und bin als Kantonsrat viel unterwegs. Ich traf mich kürzlich mit einem Pfarrer in Sursee. Da gab es schon irritierte Blicke, aber wenn man mit den Leuten ins Gespräch kommt, dann werden diese Vorurteile rasch abgebaut.

zentral+: Der eine oder andere erinnert sich halt immer noch an verbale Entgleisungen von Ihnen, etwa, als Sie sich über den Tod von Margaret Thatcher erfreut zeigten.

Roth: Das war ein zugegebenermassen sehr provokativer Kontrapunkt zu einer einseitigen Lobhudelei. Meiner damaligen Funktion als JUSO-Präsident hat das entsprochen.  

zentral+: Also doch ein Wolf im Schafspelz?

Roth: Eben nicht. Das gehört einfach nicht mehr zu meiner Arbeit und Funktion.

zentral+: Sie sind ein erfolgreicher Jungpolitiker und haben ähnlich wie Cédric Wermuth für etwas Schwung in der SP gesorgt. Werden Sie auch als Kantonalpräsident für Wirbel sorgen?

Roth: Schwung können auch die älteren SP-Mitglieder haben. Es braucht die ganze Breite, damit wir stark sind. Es freut mich, wenn wir Jungen willkommen sind, aber Jugendlichkeit allein ist für mich kein Kriterium.

zentral+: Auf welche Themen werden Sie setzen?

Roth: Wir setzen uns ein für bezahlbaren Wohnraum und sammeln zurzeit Unterschriften für eine Volksinitiative. Wir kämpfen für eine höhere Prämienverbilligung für Familien und für gerechtere Steuern. Zu letzterem kommt bald unsere Volksinitiative ins Parlament. Ein grosser Teil der politischen Arbeit wird innerhalb der Fraktion im Kantonsrat geleistet. Die Aufgabe des Präsidiums geht aber über die inhaltliche Arbeit hinaus. Wir müssen Ressourcen suchen und sie möglichst gut zu nutzen. Wir müssen in grösseren Landgemeinden Sektionen gründen, um die Basis zu vergrössern. Es ist erstaunlich, dass wir in Wikon den zweitgrössten Wähleranteil im ganzen Kanton hatten – dies nur, weil dort eine schlagkräftige Sektion gute Arbeit leistet. Davon können wir viel lernen, das müssen wir vermehrt auch in anderen Gemeinden umsetzen.

zentral+: Werden wir demnächst einen neuen David Roth kennen lernen, der den Konsens sucht und gesprächsbereit ist?

Roth: Den gab es schon immer, aber jetzt wird das vermehrt meine Aufgabe sein. In meinen sieben Jahren, im Stadt- respektive Kantonsparlament, habe ich schon bei allen Parteien Verbündete gefunden. Das ist für mich also nichts Neues.

zentral+: Sie sind heute Dienstag 30 Jahre alt geworden, wir gratulieren herzlich. Wann werden Sie Ihr Studium abschliessen?

Roth: Nette Provokation, aber es ist so: Seit meinem 16. Geburtstag bin ich erwerbstätig und werde das weiterhin sein. Das Studium habe ich mehrere Jahre unterbrochen und es steht auch jetzt nicht auf der Liste der Top-Prioritäten. Aber ich bin in den letzten Zügen.

 

«In der aktuellen Situation ist David Roth der richtige Mann»

Fällt der Name David Roth, sehen viele bürgerliche Politiker im wahrsten Sinne des Wortes «rot». Der streitbare Jungpolitiker provoziert und polarisiert. zentral+ hat bei bürgerlichen Parteiexponenten und bei älteren SP-Politikern nachgefragt, was sie von einer Wahl von Roth zum Präsidenten der SP-Kantonalpartei halten.

CVP-Kantonalpräsident Pirmin Jung gibt sich zurückhaltend-skeptisch: «Es ist natürlich Sache der SP, ihren Präsidenten selber zu bestimmen. Aber angesichts des Ausgangs der Regierungsratswahlen wird sich die Partei sicher genau überlegen, welchen Kurs sie künftig fahren will. In vier Jahren wird sie dann wieder wählbar sein, wenn sie einen nicht zu harten Linkskurs fährt und sich eher konsensorientiert verhält. Das hat man auch bei der SVP gesehen, die mit einer moderaten Person den Sprung in die Regierung schaffte.»

Zustimmende Worte gibt es von Franz Grüter, Kantonalpräsident der SVP: «Ehrlich gesagt würde ich, wenn ich in der Situation der SP wäre, auch jemanden an die Spitze setzen, der voll draufgeht.» Jetzt brauche es keine Integrationsfigur, sondern jemanden, der pointiert und mit klaren Positionen auftrete, so Grüter. «Wir haben zwar diametral verschiedene politische Ansichten, aber in der aktuellen Situation ist David Roth der richtige Mann.»

Auch die FDP hat kein Problem mit der möglichen Wahl von David Roth, wie Kantonalpräsident Peter Schilliger bestätigt: «Er ist pointiert, verfügt aber über politische Erfahrung. Ich kann mit ihm als SP-Präsidenten gut leben.»

Viel Lob von den Genossen

Und wie sehen das die Genossen selber? Ist Roth für die altgedienten Parteimitglieder etwas zu radikal? Ganz und gar nicht, findet etwa der alt Stadtrat Werner Schnieper. «Ich habe Freude an den vielen Jungen, die bei uns mitmachen.» Mit den provokativen Äusserungen von David Roth habe er keine Mühe. «Wir müssen pointiert politisieren, das gehört dazu. David Roth wird sich sicher in sein Amt einleben und sich entsprechend verhalten. Er ist ein intelligenter, konsensfähiger Mann.»

Auch Giorgio Pardini, der seit 2001 im Kantonsrat sitzt, freut sich über die voraussichtliche Wahl von Roth: «Jetzt ist eine neue Phase in der politischen Landschaft angebrochen. Mit David Roth haben wir die Möglichkeit, neue Akzente zu setzen. Es tut gut, dass die SP von Leuten geführt wird, die zur neuen Generation gehören.»

 

 

 

 

 

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