Luzerner Tontechnikerin auf den grossen Bühnen

«Es kommt niemand auf die Idee, dass ich Teil des Teams bin»

Lena Brechbühl vor dem Treibhaus, wo sie als Tontechnikerin Fuss gefasst hat. (Bild: jwy)

Vom Treibhaus schaffte sie den Sprung auf die grossen Bühnen mit der Band Faber: Lena Brechbühl ist Tontechnikerin und als junge Frau in diesem Job eine Exotin. Sie will ein Vorbild sein – mag aber gewisse Sprüche nicht mehr hören.

Eine Woche im Leben von Lena Brechbühl: Sie ist bei den Konzerten der 15-Jahr-Feier im Treibhaus im Einsatz, sie mischt den Amerikaner Jonathan Wilson in der Roten Fabrik in Zürich, und dann geht’s mit der Überflieger-Band Faber auf Open-Air-Tour: Düsseldorf, Gurten, Karlsruhe …

«Aber heute habe ich frei», sagt sie. Wir sitzen im Treibhaus-Garten, wo die Sommerpause für Putz-, Flick- und Renovationsarbeiten genutzt wird. Hier gehört die 22-Jährige seit eineinhalb Jahren zum Technik-Pool und sorgt bei Konzerten und Partys für guten Sound.

Per Zufall zu Faber

Es ist schnell gegangen, seit sie nach der Matura vor vier Jahren im Berner «Progr» das erste Mal als Technikerin geschnuppert hat und später beim Treibhaus eingestiegen ist. Seit ein paar Wochen macht sie ein Volontariat in der Roten Fabrik, diesem grossen Kulturzentrum in Zürich-Wollishofen. Und dass sie nun auch noch zur Crew von Faber gehört und für die Band den Monitorsound auf der Bühne mischt, findet sie selber unglaublich. «Das ist für mich megagross», sagt sie erfreut.

Zu dieser neuen Aufgabe kam sie per Zufall: Sie kennt den Pianisten, zudem war Faber für die Produktion «Zappa on the Hill» mit dem Luzerner Theater und die aktuellen Albumaufnahmen öfters in Luzern.

So kam es, dass sie überraschend gefragt wurde, ob sie als neue Bühnenmischerin einsteigen will. Es passt, die Band ist selber noch jung und innert kürzester Zeit aufgestiegen. «Sie finden es darum wichtig, junge Leute zu fördern», sagt Brechbühl. Nun ist sie bei fast allen Konzerten dabei – Schweiz, Österreich und vor allem Deutschland.

Einfach mal ausprobieren

Sie kam anfangs als völlige Neueinsteigerin zur Tontechnik, motiviert durch die Female-Bandworkshops von Helvetiarockt, der Koordinationsstelle für Musikerinnen. Sie stiess von Anfang an auf gute Mentoren, die sie trotz Unerfahrenheit machen liessen. «Das ist der Vorteil hier im Treibhaus, es ist okay, wenn man ausprobiert», sagt sie. «Dann fällst du halt einmal auf die Schnauze, aber du lernst es garantiert.»

«Ich will selber erfahren, wie es funktioniert.»

Gleichzeitig vertiefte sie sich in Fachliteratur über Akustik und technische Grundlagen. «Ich hatte davon noch überhaupt keine Ahnung», sagt sie rückblickend.

Schnell mischte sie selber erste Shows im Treibhaus – und nun auch in der Roten Fabrik. Ausprobieren, Verantwortung übernehmen, Feedback erhalten – das liegt ihr. «Als mir einer zu fest dreingeredet hat, hab ich ihn auch schon zurechtgewiesen», sagt sie und lacht. «Aber ich will ja schliesslich selber erfahren, wie es funktioniert.»

Garantiert kein zweites Mal

Ob Local heroes im kleinen Treibhaus oder mit Faber vor tausenden Fans – sie freut sich über jede Show. Und die Rote Fabrik, das Kulturzentrum in der ehemaligen Fabrik mit verschiedenen Bühnen und Hallen, ist für eine lernende Technikerin eine Goldgrube.

Bei Faber ist der Druck natürlich nochmals grösser – nur schon aufgrund der riesigen Dimensionen hinter den Open-Air-Bühnen. «Wenn du einen Fehler machst oder etwas vergisst, passiert es dir garantiert kein zweites Mal.»

Sie denkt nicht zu viel über diese Verantwortung nach. «Ich wurde hineingeworfen und mache es einfach. Wenn die Chance kommt, musst du zupacken.»

Die einzige Technikerin

Eine gesunde Portion Selbstbewusstsein braucht sie, wenn sie sich als junge Frau in dieser Männerdomäne bewegt. Selbst im gut durchmischten Treibhaus sind sie im 16-köpfigen Technik-Pool nur zwei Frauen. Ganz zu schweigen von den Festivals, wo sie ausschliesslich auf Männer trifft. «Ich bin da immer die einzige Technikerin», sagt sie.

«Das war schon grusig.»

Wenn sie mit der Band aufkreuzt, wird sie als Anhang angesehen, als Freundin eines Bandmitglieds. «Es kommt niemand auf die Idee, dass ich als Teil des Teams auch mitarbeite.»

Zwar sage niemand direkt «du bist eine Frau, du kannst das nicht» – jedoch seien deplatzierte Sprüche und komische Blicke leider die Regel. Sie kann in ihrer noch jungen Karriere schon etliche Beispiele aufzählen, wie sie ausser Acht gelassen, nicht ernst genommen oder als Exotin angeschaut wurde.

Lena Brechbühl bei einem Einsatz für die Band Faber. (Bild: Nils Lucas)

Etwa in der Roten Fabrik, als sie beim Aufräumen das Mischpult vor sich herschob und gefragt wurde, ob sie hier «ein bisschen am helfen» sei.

Oder beim Faber-Konzert, als drei Typen neben ihr auf der Bühne standen und ihr danach sagten, wie schön es gewesen sei, ihr beim Mischen zuzuschauen. «Das war schon grusig», sagt sie.

Der eine Spruch zu viel …

Man merkt, dass ihr das Thema unter den Nägeln brennt. Sie nervt sich, ist aber auch realistisch: «Es erwartet einfach niemand, dass du als Frau in diesem Umfeld arbeitest. Und wie soll sich das Bild ändern, wenn es fast keine Frauen gibt?»

«Brust raus, Kopf hoch.»

Sie fasst nicht jede unbedachte Bemerkung vorschnell als Beleidigung oder Sexismus auf. «Aber es ist einfach traurig: Wir haben uns noch nicht an Frauen als Tontechnikerinnen gewöhnt – das muss megafest ändern.»

Sie war auch am dem Punkt angelangt, dass sie die Schnauze voll hatte – es war der eine Spruch zu viel. Aber nur bis zum nächsten grossartigen Konzert.

Lena Brechbühl hatte auch schon die Schnauze voll, liebt aber ihren Job als Tontechnikerin. (Bild: jwy)

Keine Angst vor Fehlern

Ist es ein Statement, wenn eine Band sie als junge Technikerin engagiert? Wäre sie auch als Mann gewählt worden? Ist sie die Quotenfrau? Schwierige Fragen – Lena Brechbühl sagt: «Natürlich will ich nicht angestellt werden aufgrund meines Geschlechts. Aber ich will, dass das Bild aufbricht und die Aufmerksamkeit auf dieses Thema gerichtet wird.»

Lena Brechbühl tritt mit einem gesunden Selbstbewusstsein auf und sagt sich: «Ich kann das und es ist überhaupt keine Geschlechterfrage.» So würden Klischees schnell aus dem Weg geräumt. «Brust raus, Kopf hoch, wenn’s nicht gut kommt, ist das menschlich, alle machen Fehler», sagt sie.

Man dürfe keine Angst vor Fehlern haben, Frauen seien da oft noch vorsichtiger und selbstkritischer und brauchen darum Vorbilder. Sie sei auch deshalb megafroh, wenn sie bei Faber auf der Bühne stehen kann. «In den ersten Reihen stehen lauter Groupies der Band, die auch mich sehen und beobachten. In dem Moment ist das ein starkes Bild – Vorbilder sind etwas vom Wichtigsten.» Das könne vielleicht der nötige Trigger sein, um eine Frau dafür zu motivieren.

Wieder Zeit für eigene Musik

Neben ihren Techniker-Jobs studiert Lena Brechbühl in Winterthur am Institut für Aktuelle Musik – sie singt, spielt Gitarre und Klavier. Immer wieder steht sie für Projekte auf der Bühne, aber für die eigene Musik und den Abschluss fehlt ihr im Moment die Zeit.

Sieht sie ihre Zukunft auf der Bühne oder hinter dem Mischpult? Das weiss sie noch nicht, vielleicht macht sie auch noch die Techniker-Ausbildung. «Ich mache mir überhaupt keinen Stress, ich habe alle Zeit und bin noch jung», sagt sie. Solange es so gut läuft, mache sie einfach weiter.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Gihan Gök
    Gihan Gök, 13.07.2019, 22:20 Uhr

    Legende Lena!!!

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    • Profilfoto von Horst
      Horst, 14.07.2019, 18:24 Uhr

      Ja stimmt. Danke cihan

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