Kaiman sorgt am Hallwilersee für Aufruhr

«Es kann gefährlich werden, wenn Leute Crocodile-Dundee spielen»

Spaziergänger und Schwimmer haben nichts zu befürchten, solange sie keine Fangversuche starten: Das Krokodil am Hallwilersee hat es nur auf Enten und Fische abgesehen. (Bild: Emanuel Ammon/AURA, Montage zentralplus)

Am Hallwilersee ist der vor einigen Tagen gesichtete Kaiman das Thema Nummer eins. Bei der Polizei ist ein erster Hinweis eingegangen. Der Experte warnt vor privaten Einfangaktionen. Die Badegäste lassen sich indes nicht vom Schwumm im See abschrecken.

Rund eineinhalb Meter ist er gross, der Kaiman, den am Sonntagabend ein Fischer im Hallwilersee entdeckt hat. Das kleine Krokodil schnappte sich eine Jungente und tauchte wieder ab. Die Polizei machte die Sichtung am Dienstag publik und hofft nun auf Rückmeldungen aus der Bevölkerung (zentralplus berichtete). Ein erster Hinweis sei eingegangen, sagt Mediensprecher Bernhard Graser gegenüber zentralplus: «Ein Schwimmer hat gemeldet, dass er vor einigen Tagen unter Wasser von etwas gestreift worden ist.»

Da sich die Meldung aber weder verifizieren lasse, noch örtlich zur Sichtung passe, gelte sie für die Polizei als erledigt. Reptilienexperte und Leiter Fachstelle Wildtiere Samuel Furrer vom Schweizer Tierschutz STS erachtet es als sehr unwahrscheinlich, dass der Kaiman einem Menschen so nahe gekommen ist. «Die Tiere sind sehr scheu. Es ist nur schon schwierig, sie zu Gesicht zu bekommen.» Noch schwieriger wäre es dann, das Reptil einzufangen – für Fachleute allerdings nicht unmöglich, wie Furrer sagt. 

«Wenn mehrere Sichtungen gemeldet werden, kann man gezielte Suchaktionen durchführen», sagt Furrer. Am ehesten sehe man das Tier am frühen Morgen, wenn es sich an der Sonne aufwärme. Oder dann mit Suchscheinwerfern in der Nacht, wenn die Augen im Licht reflektieren. «Hält sich das Tier am Ufer auf, kann man sich mit einer langen Stange anschleichen und ihm eine Schlinge um den Hals legen», so Furrer. 

«Die spitzen Zähen können zu hässlichen Verletzungen führen.»

Samuel Furrer, Reptilienexperte Schweizer Tierschutz STS

Der Experte warnt aber Privatpersonen eindringlich davor, nun auf Krokodiljagd zu gehen. «Es kann gefährlich werden, wenn die Leute selber Crocodile-Dundee spielen», sagt er. «Denn wenn der Kaiman in Bedrängnis gerät, wird es sich wehren. Mit seinen spitzen Zähnen kann das zu hässlichen Verletzungen führen.» Zudem sei ein privater Einfangversuch kaum von Erfolg gekrönt. Der Kaiman werde dadurch aber noch menschenscheuer und lasse sich damit noch schwieriger einfangen. 

Normaler Badi-Tag trotz Kaiman-Meldung

Grundsätzlich ist der Kaiman im Hallwilersee aber keine Gefahr für Badende und Spaziergänger, wie die Kantonspolizei betont. Entsprechend gelassen reagieren denn auch die meisten Gäste im Strandbad Beinwil am See AG und im Camping Seeblick in Mosen LU, die beide in der Nähe der Sichtungsstelle liegen. «Wir hatten am Dienstag einige Anrufe und Fragen von Badegästen zu beantworten», sagt Badi-Leiter Silvan Suter. «Insgesamt war der Dienstag aber, trotz Kaiman-Meldung, ein ganz normaler Baditag. Wir hatten nicht mehr oder weniger Badegäste, und auch im Wasser tummelten sich gleich viele Personen wie sonst.» Nur vereinzelte hätten gesagt, sie hätten ein etwas mulmiges Gefühl beim Baden. 

«Wir hatten nicht mehr oder weniger Badegäste, und auch im Wasser tummelten sich gleich viele Personen wie sonst.»

Silvan Suter, Leiter Strandbad Beinwil am See

Ähnlich klingt es beim nahe gelegenen Camping Seeblick in Mosen. Einige Gäste hätten nachgefragt, ob sie mit den Kindern noch ins Wasser könnten, heisst es auf Anfrage. Vor allem aber mache man nun Witze über das mysteriöse Krokodil. Ein Camper bot zum Beispiel per Mail an, einen Standplatz am See vorne zu übernehmen, falls ein anderer froh wäre um ein bisschen mehr Abstand zum Wasser. 

Registrierte Halter wurden kontrolliert

Wer in der Schweiz einen Kaiman halten will, braucht dafür eine Bewilligung. Im Kanton Aargau hat gerade einmal ein Halter eine entsprechende Erlaubnis, im weiteren Umkreis des Hallwilersees sind es «eine Hand voll», wie Polizeisprecher Graser sagt. Diese seien alle überprüft worden. Aufgrund der Ergebnisse gehe man davon aus, dass der Kaiman vom Hallwilersee illegal gehalten wurde und im See ausgesetzt worden war. 

«Das ist absolut verantwortungslos», sagt Samuel Furrer vom Schweizer Tierschutz STS. Anders als zum Beispiel ausgesetzt Rotwangenschmuckschildkröten sei ein Kaiman zwar keine Bedrohung oder Konkurrenz für hiesige Tierarten. «Die paar Fische und Enten die er frisst, beeinflussen das System nicht.» Das kleine Krokodil werde aber spätestens im Herbst kläglich erfrieren oder verhungern, da es tiefere Temperaturen nicht gewohnt ist. «Seine Überlebenschancen für den Winter sind gleich Null», so Furrer.  

«Seine Überlebenschancen für den Winter sind gleich Null.»

Samuel Furrer, Reptilienexperte Schweizer Tierschutz STS

Warum jemand ein Krokodil im See aussetzt, darüber kann auch der Experte nur mutmassen. «Möglicherweise war der Halter überfordert, weil zu viele Jungtiere gezüchtet wurden und diese nur schwierig unterzubringen sind. Oder das Tier ist schlicht ‚übers Wohnzimmer’ hinaus gewachsen.» Denn kleine Kaimane seien gerade einmal 40 bis 50 Zentimeter gross, könnten aber auf eine Länge von bis zu 2,5 Metern anwachsen. 

Von einem ähnlichen Fall wie beim Hallwilersee hat Furrer noch nie gehört. Immer wieder «entsorgen« Tierhalter allerdings illegal Schildkröten, Echsen und Schlangen in der Freien, so auch im Gütschweiher in Luzern (zentralplus berichtete). Der Experte appelliert an die Halter, sich die Anschaffung eines Tieres genau zu überlegen, und wenn überhaupt nur so viele Jungtiere zu züchten, wie auch an gute Plätze vermittelt werden können. «Sie einfach auszusetzen ist auf jeden Fall keine Option.»

Halter muss mit «happiger Strafe» rechnen

Die Polizei sucht nun nach dem früheren Halter des Kaimans. Es drohe eine «happige Strafe«, sagt Polizeisprecher Graser. Die Polizei bittet die Bevölkerung um Hinweise. Auch weitere Sichtungen sollten gemeldet werden. Von einer eigenen Suche sieht die Polizei, nach der erfolglosen Aktion vom Montagabend, ab. 

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