Zuger Kantonsarchäologe im Interview

«Es ist zu früh, von einer Sensation zu sprechen»

Noch heute sorgt die Schlacht am Morgarten von 1315 für Diskussionsstoff: Hat sie wirklich so stattgefunden oder ist sie ein Mythos? Neue Funde sollen Aufschluss bringen. (Bild: zvg)

Was bedeuten die neusten archäologischen Fundstücke für Zug? Die Geschichte werde dadurch nicht neu geschrieben, sagt der Zuger Kantonsarchäologe Stefan Hochuli im Interview mit zentral+. Dennoch könnte durch die Objekte ein Stück Geschichte des Kantons Zug ans Tageslicht gelangen, das bisher verborgen blieb.

Im Hinblick auf die 700-Jahr-Feier der Schlacht am Morgarten haben die Kantone Zug und Schwyz Grabungsarbeiten im vermuteten Schlachtgebiet durchgeführt − und sind fündig geworden (zentral+ berichtete). Damit wurden zum ersten Mal Objekte gefunden, die tatsächlich aus der Zeit um 1315 stammen könnten und wissenschaftlich dokumentiert sind. Die bisher mit dem Morgarten in Verbindung gebrachten Funde sind entweder verschollen oder der genaue Fundort ist nicht überliefert.

zentral+: Herr Hochuli, als «Sensationsfund» möchten Sie die Fundstücke vom Morgarten nicht bezeichnen. Warum diese Zurückhaltung?

Hochuli: Noch ist wissenschaftlich nicht bewiesen, dass die Fundstücke tatsächlich mit der Schlacht am Morgarten in Verbindung stehen. Zwar ist es auffällig, dass ein Teil der Relikte aus jener Zeit stammen − jedoch könnte es ebenso gut sein, dass sie in Zusammenhang mit lokalen Streitigkeiten an den Ort gelangten. Bevor ich von einer «Sensation» spreche, müssen die Ergebnisse der Untersuchungen vorliegen.

Stefan Hochuli freut sich über die gefundenen Objekte. (Bild: zvg)

Stefan Hochuli freut sich über die gefundenen Objekte. (Bild: zvg)

zentral+: Wann ist damit zu rechnen?

Hochuli: Die letzten Objekte wurden Ende Mai gefunden. Sie werden nun gereinigt, restauriert und konserviert. Gerade Fundstücke aus Eisen müssen entsalzen werden, damit sie sich nicht weiter zersetzen. Danach beginnt die wissenschaftliche Auswertung. Dazu müssen teilweise auswärtige Spezialisten beigezogen werden. Das braucht seine Zeit − neben dem aktuellen Tagesgeschäft. Alles in allem ist somit frühstens in einem Jahr mit Ergebnissen zu rechnen.

zentral+: Wie schätzen Sie die Fundstücke persönlich ein?

Hochuli: Zunächst sind sie für mich aus wissenschaftlicher Perspektive ganz normale Funde, wie wir sie in der Archäologie regelmässig machen. Dennoch sind sie etwas Spezielles, da die Fundstücke mit einem nationalen Mythos − einem Teil der nationalen Geschichte und Identität − verbunden sind. Das zeigt sich bereits daran, dass das mediale Interesse enorm gross ist.

zentral+: Was würde es für Zug – und die Geschichtsschreibung des Kantons – bedeuten, wenn tatsächlich ein Zusammenhang zwischen den Fundstücken und der Schlacht bestünde?

Hochuli: Ich denke nicht, dass sich etwas ändern würde. Das Bild von Morgarten bleibt dasselbe. Schliesslich handelt es sich dabei nicht um ein faktenbasiertes Bild, sondern um einen Mythos. Daran werden auch die Fundstücke nichts ändern − sie werden keine erschöpfenden Antworten auf die fundamentalen Fragen liefern, die offen stehen. Deshalb sollten die Objekte nicht überbewertet werden. Aber was man sicher sagen kann, ist, dass nun eine neue Ausgangslage entsteht und die Morgarten-Forschung beflügelt wird. Es freut mich, dass wir einen Beitrag dazu leisten können.

«Bisher hat man das lediglich vermutet, jetzt hat man unter Umständen erstmals einen materiellen Niederschlag davon gefunden.»
Stefan Hochuli, Zuger Kantonsarchäologe

zentral+: Historiker meinen, es habe sich bei der Schlacht am Morgarten wohl eher um ein regionales Ereignis mit untergeordneter Bedeutung gehandelt. Würde dies so bleiben oder käme Zug gar eine wichtigere Rolle innerhalb der Geschichte der Eidgenossenschaft zu?

Hochuli: Nein. Die Geschichte wird dadurch nicht neu geschrieben.

Der Schatz am Morgarten

Das SRF strahlt heute Abend zum 700-Jahr-Jubiläum eine Extrasendung zu Morgarten aus: Das «Einstein»-Spezial erzählt während 40 Minuten von der Suche nach dem «Schatz am Morgarten». Ausgestrahlt wird der Dokumentarfilm heute Donnerstag um 21 Uhr auf SRF 1.

zentral+: Was, wenn sich herausstellt, dass die Fundstücke nichts mit der Schlacht zu tun haben?

Hochuli: Wie gesagt, das ist durchaus möglich. Dennoch bliebe der Fund interessant, denn er zeigt die Bedeutung des Verkehrswegs vom Ägerital in Richtung Sattel auf. Bisher hat man das lediglich vermutet, jetzt hat man unter Umständen erstmals einen materiellen Niederschlag davon gefunden.

zentral+: Wird man in Zug weiter nach «Beweisen» suchen?

Hochuli: Nein, das haben wir nicht im Sinn. Wir hatten Hinweise darauf, dass Raubgrab- und Trophäenjäger illegal im Gebiet unterwegs waren. Mit unseren Grabungsarbeiten wollten wir ihnen zuvor kommen − viel wird es nun nicht mehr zu holen geben. Dennoch werden wir das Gebiet im Auge behalten.

Die Fundstücke vom Morgarten in unserer Bildergalerie:

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