zentral+ machte illegale Praktiken publik

Erneute Strafanzeige gegen Luzerner Callcenter

Telefonverkauf in einem Callcenter (Symbolbild). Die Mitarbeiterinnen des angezeigten Callcenters in Luzern waren sich nicht bewusst, etwas Falsches zu tun. (Bild: Fotalia)

Es lockte das schnelle Geld: zentral+ deckte auf, wie das Luzerner Callcenter Confomed seine Mitarbeiterinnen dazu verführte, Kunden am Telefon simple Vitaminpräparate als Heilmittel zu verkaufen. Unsere verdeckte Recherche führte zu einer Verurteilung, nun kommt es offenbar zu einer neuerlichen Strafanzeige. Dabei zeigt sich: Das Luzerner Unternehmen ist kein Einzelfall.

Die illegalen Verkaufspraktiken der Confomed AG in Luzern, die zentral+ im Ende 2013 publik machte, sind kein Einzelfall. Nicht nur in Luzern wurde mit illegalen Verkaufsmethoden gearbeitet, sondern in der gesamten Deutschschweiz. Wie der Verband der Kantonschemiker der Schweiz schreibt, haben die Behörden insgesamt neun Callcenter, die Lebensmittel als Heilmittel verkaufen, inspiziert und entsprechende Strafanzeigen eingereicht. Dabei beschlagnahmten sie umfangreiches Datenmaterial sowie Computer.

Die Untersuchungen der Behörden bestätigen die Recherchen. Eine zentral+-Mitarbeiterin hatte sich von Confomed für einen Tag anstellen lassen und beschrieb ihre haarsträubenden Erfahrungen. «Wir haben gesehen, dass mehr dahinter steckt», sagt nun der Ostschweizer Kantonschemiker Kurt Seiler. Denn es zeigt sich: Nicht nur in Luzern wurde mit illegalen Verkaufsmethoden gearbeitet.

Firma kann keine Stellungnahme abgeben

Auch wenn es niemand offiziell bestätigen will: Die Strafanzeige richtet sich erneut gegen das Callcenter der Confomed AG an der Bahnhofstrasse 7 in Luzern. Nun droht ihm eine weitere Verurteilung. Das Callcenter will auf Anfrage keinen Kommentar abgeben. Man verweist an die Versandgroup Holding AG in St. Gallen. Nur deren Chef, Roland De Vallier, der auch der Gründer der Confomed AG in Luzern (früherer Name Prima Vital GmbH) ist, könne Auskunft geben, heisst es. Dieser weiss jedoch von nichts: «Da bei uns keine solche Strafanzeige eingegangen ist, können wir Ihnen dazu leider auch keine Stellungnahme abgeben, ob unserer Call Center Confomed Luzern betroffen ist», schreibt De Vallier per Mail. 2013 hatte er Funktionen in 16 verschiedenen Firmen inne.

Seiler sagt, dass es sich um Firmen mit verschiedenen Namen handelt und bestätigt, dass eine Telefonverkaufsfirma aus Luzern ebenfalls davon betroffen ist. In allen Callcentern verkauften die Angestellten Nahrungsergänzungsmittel mit unzulässigen und täuschenden Heilanpreisungen.

Verschiedene Firmen mit denselben illegalen Verkaufsmethoden – besteht da ein Zusammenhang? «Es kann gut sein, dass die gleiche Person die Verantwortung trägt», sagt Kurt Seiler. «Es ist Sache der Strafverfolgungsbehörden nun zu ermitteln, wer die Drahtzieher sind.» In einer gemeinsamen Aktion haben jetzt sechs Kantone die Strafanzeigen eingereicht.

Weitere Verurteilung für Luzerner Callcenter?

Nachdem das Unternehmen im Anschluss an unsere Recherche strafrechtlich verurteilt wurde (zentral+ berichtete) und der «Kassensturz» das Thema aufgriff, droht dem Luzerner Unternehmen nun eine weitere Verurteilung. Der Luzerner Kantonschemiker Silvio Arpagaus bestätigt, dass die Dienststelle Lebensmittelkontrolle und Verbraucherschutz eine Strafanzeige gegen eine Firma eingereicht hat. Dass es sich um die Firma Confomed handelt, konnte Arpagaus wegen der Schweigepflicht weder bestätigen noch dementieren. Ermittelt wird wegen Gesundheitsgefährdung. 

Die Verantwortlichen hätten damit eine Gefährdung der Gesundheit der Konsumenten bewusst in Kauf genommen haben und wiederholt wider besseren Wissens gewerbsmässig gehandelt. Mit der Strafanzeige wurde beantragt, dass der unrechtmässige Gewinn dieser Firmen eingezogen wird.

«Unsere Inspektion war unangemeldet und hat im üblichen Rahmen stattgefunden», so Arpagaus, «wir haben das Management befragt, verfolgten Verkaufsgespräche mit und erhoben Verkaufsunterlagen». Das Callcenter sei weiterhin in Betrieb, sagt der Kantonschemiker. Die Firma sei per Verfügung aufgefordert worden, unerlaubte Heilanpreisungen umgehend einzustellen und ihre Verkaufsunterlagen anzupassen.

«Kunden wurde nahegelegt, auf ihre ärztliche Behandlung zu verzichten und diese Mittel einzunehmen.»
Silvio Arpagaus, Luzerner Kantonschemiker

Das müsse innert kurzer Frist geschehen, sagt Arpagaus. Die Lebensmittelkontrolle würde dem Callcenter schon bald wieder einen Besuch abstatten, um zu kontrollieren, ob die geforderten Massnahmen umgesetzt worden seien.

Gemäss Kurt Seiler müssen die Betriebe der Lebensmittelkontrollbehörde darlegen können, dass sie ihre Mitarbeiter über das Verbot von Heilanpreisungen informiert haben. «Die Kosten müssen die betroffenen Firmen tragen.»

Bewusste Gefährdung der Gesundheit

«Problematisch bei solchen Callcentern ist, dass die verkauften Produkte in der Regel in Ordnung sind. Nicht in Ordnung ist – und dies ist auch schwierig nachzuweisen – dass diese Mittel am Telefon illegalerweise als Heilmittel angepriesen und zu überhöhten Preisen verkauft werden», sagt der Luzerner Kantonschemiker Silvio Arpagaus. Kunden wurde sogar nahegelegt, auf ihre ärztliche Behandlung zu verzichten und stattdessen diese Mittel einzunehmen.

Das Luzerner Callcenter habe diverse Produkte wie Nahrungsmittelergänzungen, also zum Beispiel normale Vitaminpräparate oder Crèmen verkauft. «Sie wurden den Kunden als Heilmittel gegen Brustkrebs, Arthrose oder Parkinson verkauft.»

«Lebensmittel zu verkaufen, ist nicht verboten.»
Kurt Seiler, Ostschweizer Kantonschemiker

Die Telefonistinnen seien sich meist nicht bewusst, dass sie etwas Falsches machten. Sie würden nicht korrekt instruiert und geschult und würden die Produkte nach einem festgelegten Schema mit entsprechenden Verkaufsunterlagen verkaufen, glaubt der Luzerner Kantonschemiker.

Warum lässt man Firmen weiter gewähren?

Warum hat man diese Firmen nicht geschlossen und lässt zu, dass sie weiter arbeiten? «Lebensmittel zu verkaufen, ist nicht verboten», sagt Seiler. Einzig die falschen Heilanpreisungen seien gemäss Lebensmittelgesetz illegal. Alle von den Lebensmittelbehörden inspizierten Callcenter in Luzern, Zürich, Bern, Baselstadt, Luzern, St. Gallen und Appenzell Ausserrhoden verkauften Lebensmittel übers Telefon. Und zwar mit unzulässigen und täuschenden Heil-Anpreisungen.

Haben Sie schon einen Telefonanruf von einem dieser Unternehmen erhalten? Nutzen Sie die Kommentarfunktion und teilen Sie uns Ihre Erfahrungen mit!

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