Flamenco in der Shedhalle Zug

Erhebt euch und klatscht! Die Königin besucht die Fabrik

Privilegierte Aussicht: Die Beinarbeit der Flamenco-Tänzerin blieb den meisten Besuchern verborgen.

(Bild: Silvia Wawarta)

Baile, toque und cante: Mit Flamenco beginnt die Zuger Theatersaison am Ersatzspielort fürs Casino. Die Shedhalle ist zwar ungeeignet für Tanzveranstaltungen, aber der famosen Maria Serrano und ihren Musikern ist das egal. Standing Ovations holt sie sich auch so ab.

Am Anfang ist die Idylle. Augustin Carillo Nuñez erinnert mit seiner Gitarre an den Duft der Orangenblüte, die Pracht der Blumen am Wegesrand, die Ruhe auf dem Land. Dann kommt der Bassist Pablo Pradas. Er hat den Jazz im Blut und bringt die Stadt ins Spiel. Als sich die Sängerin Carmen Fernandez mit rauher Stimme einschaltet, wird klar: Hier ist Musik aus der Bratpfanne Andalusiens zu hören, Flamenco aus Sevilla, der Metropole des Südens.

Pianist David Bermudez gesellt sich hinzu und dann tritt die «Königin des Flamenco» auf, wie sie von ihren Promotoren vermarktet wird: Maria Serrano. Stolz wirft sie sich in Pose, stampft, tänzelt, windet sich und schiebt den Abend an.

Die Compania Maria Serrano bestreitet am Samstag in der ausverkauften Shedhalle Zug die erste Veranstaltung der Theater- und Musikgesellschaft (TMGZ) in dem provisorischen Spielort. Weil das Theater Casino wegen des Umbaus nicht zur Verfügung steht, weicht die TMGZ für die nächsten vier Monate auf Ersatzspielorte aus. Hauptsächlich ist sie Gast in der Shedhalle der ehemaligen Landis&Gyr-Fabrik.

Carmen, Tango und klassischer Flamenco

Mit dem Auftritt von Maria Serrano will man wohl dem Publikum, das bei der TMGZ zu einem wichtigen Teil aus treuen Stammgästen besteht, Festlaune spendieren – den Umständen zum Trotz. Die Tänzerin ist bereits seit den 1990er-Jahren, als sie vom Wiener Empresario André Heller entdeckt wurde, auf internationalem Parkett unterwegs.

Ausschnitt von einem Auftritt Maria Serranos:

 

Sie hat die Carmen in Bizets Oper gespielt, Flamenco mit Tango fusioniert, Lateinamerika tänzerisch entdeckt und ist seit zwei Jahren mit ihrem Programm «Por derecho» unterwegs, einer Art «Best of Flamenco». Ein sicherer Wert also.

Man sieht fast nichts

Die Erwartungen des Veranstalters erfüllen die Spanier, aber die Aficionados unter den Gästen müssen erst ordentlich leiden. Nachdem Bermudez an die Kistentrommel gewechselt hat und Serrano mit verschiedenen traditionellen Palos das Publikum zu verzaubern beginnt, wird klar, dass die Räumlichkeit für Flamenco ungeeignet ist.

Man sieht nämlich nur die halbe Serrano: Die ganze Beinarbeit bleibt den meisten verborgen. Denn: Die Zuschauertribüne ist zu flach gebaut. Die vorderen Sitzreihen versperren den Blick auf die Zapateados der Diva. Serrano kann das Kleid schürzen, so hoch sie will – helfen würde nur aufzustehen. Aber dies nähme dem Rest des Plenums die Sicht.

Ungewohnte Einblicke im Backstagebereich

Die Tribüne ist nicht die einzige Krux an diesem Veranstaltungsort: Die Akustik der ehemaligen Fabrikhalle wurde zwar mit Stoffbahnen gedämpft. Dennoch hat der Tontechniker der Spanier am Anfang Mühe, das Ganze optimal abzumischen.

Und in der Halbzeitpause kann man im Backstagebereich den Musikern bei der Rauchpause zuwinken, während man die Toilette aufsucht. Andere Akteure sind beim Entspannen in der Künstlergarderobe zu beobachten, denn diese befindet sich gleich vis-à-vis der WC-Anlagen.

Chillen in den Sesseln

Sicher: Der Spielort hat einen eigenen Charme. Die Veranstalter haben sich mit einer Lounge etwas Originelles einfallen lassen. Die ist nämlich in den Zuschauerraum integriert und lädt zum Fläzen in Sesseln und Sofas ein. Dennoch hätte die Veranstaltung besser in die Chollerhalle gepasst, wo die TMGZ denn auch die anderen Tanzveranstaltungen der Saison durchführt. Dort gibt es eine geeignete Bühne. Diese hätten auch Maria Serrano und ihre Mitmusiker verdient gehabt.

Eine Wucht: Maria Serrano reisst am Schluss ihres Auftritts das Publikum von den Stühlen.

Eine Wucht: Maria Serrano reisst am Schluss ihres Auftritts das Publikum von den Stühlen.

(Bild: Silvia Wawarta)

Doch zurück zur Wirklichkeit: Nach der Pause gehört die Aufmerksamkeit der Compania dem New Flamenco. Bermudez hat vom Cajon ans Piano zurückgewechselt. Die Band mischt Flamenco, Jazz und lateinamerikanische Rhythmen.

Das Eis schmilzt

Dann kommt Maria Serrano zum grossen Finale zurück. Klassischer Flamenco, ein Taranto: Die Tänzerin wirbelt, stampft, hüpft, explodiert – und der Saal steht in Flammen. Bisher hat das Publikum höflich applaudiert, doch nun haben sich die Zuschauer zu Standing Ovations erhoben und wollen gar nicht mehr aufhören zu klatschen.

Alle sind glücklich. Die Compania Maria Serrano gibt eine Zugabe «a palo seco», bei der sich auch die Musiker als Tänzer versuchen. Und die Zuschauer sind froh, dass sie mit fröhlichem Geist und erhitzter Seele zurück in die frostige Dezembernacht dürfen.

 

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